Beim Terrorprozess um die mutmaßliche «Reichsbürger»-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat sein früherer Büropartner eine Wesensveränderung von Reuß geschildert. Reuß sei lange Zeit immer strukturiert und ordentlich gewesen, sagte der Zeuge vor dem Oberlandesgericht Frankfurt. «Da hat es aber in meinen Augen eine ganz starke Wesensveränderung gegeben», führte der 60 Jahre alte Zeuge aus. So habe der angeklagte Frankfurter Immobilienkaufmann zunehmend «krude Theorien» angesprochen: «Die Bundesrepublik sei nicht souverän, es gebe keinen gültigen Friedensvertrag», schilderte der Kunsthistoriker.
Er beschrieb Reuß als dickköpfig und engstirnig: «Es war schwierig, ihn umzustimmen, man kam nicht mehr an ihn ran.» Dann sei die Corona-Pandemie ausgebrochen und «man sah sich gar nicht mehr».
Grund für die Veränderung des heute 72 Jahre alten Reuß seien möglicherweise die verlorenen Prozesse um die Restitution der Kunstgegenstände der Familie Reuß gewesen. Der Begriff Restitution beschreibt die Rückerstattung geraubter oder unrechtmäßig enteigneter Kulturgegenstände an vorherige Eigentümer.
Zeuge schildert esoterische Seite
Der Kunsthistoriker kümmerte sich seit Ende der 1990er-Jahre um die Restitution der Kulturgüter der Familie Reuß. Auch in diesem Zuge gingen die beiden eine Bürogemeinschaft ein, schilderte er. Er habe Reuß als liberalen und weltoffenen Menschen kennengelernt - eine Freundschaft entwickelte sich.
Der ehemalige Büropartner habe mitbekommen, dass Reuß auf staatliche Autoritäten schimpfte «aber sonst diese respektierte». Er sei oft schlecht gelaunt gewesen, baute Panzerriegel und eine Kamera im Büro ein, berichtete der Zeuge. «Es war dann ein Kommen und Gehen, aber kein Kommunizieren mit ihm.» Reuß sei in diesem schleichenden Prozess sehr «Ich-fixiert» geworden.
Das innige und fürsorgliche Verhältnis zu seiner Tochter sei im Laufe der Zeit aber gleich geblieben. «Prinz Reuß ist ja sehr esoterisch veranlagt», sagte der Zeuge. «Er kochte immer stundenlang Wasser ab, das er dann erst benutzte, kaufte Heilerde für seine Tochter.» Auch das habe angehalten.
Über 20 mutmaßliche Verschwörer vor Gericht
In Frankfurt wird insgesamt neun Beschuldigten vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Sie sollen einen politischen Umsturz geplant und eine Regierung in Grundzügen ausgearbeitet haben. Reuß führte laut Anklage den sogenannten Rat der Gruppe an und bestimmte das Vorgehen. «In der Vorstellung der Vereinigung kam nach dem angestrebten Machtwechsel in Deutschland nur Heinrich XIII. P.R. als provisorisches „Staatsoberhaupt“ in Betracht», heißt es beim Generalbundesanwalt.
Mit zwei parallel laufenden Verfahren in München und Stuttgart müssen sich insgesamt 26 mutmaßliche Verschwörer in dem Komplex verantworten. Bis zum Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess in Frankfurt wird am Dienstag, 17. September fortgesetzt.
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