Im Zusammenhang mit Geheimdiensten und Spionage über Romantik, edlen Heldenmut und Verfolgungsjagden zu sprechen, führt zuverlässig in die Irre. Die angestaubten Reminiszenzen, gespeist aus Agententhrillern von John le Carré, haben mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Doch die neue Strategie der russischen Geheimdienste, Männer oder Frauen als Saboteure oder Ausspäher für eine oder mehrere Aktionen gegen Bezahlung anzuheuern, die keinerlei nachrichtendienstliche Erfahrung haben, sondern einen schnellen Euro machen wollen, ist dann doch überraschend profan.
Der frühere Top-Mitarbeiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND, Gerhard Conrad, schildert, warum der Anwerbung von „Wegwerf-Agenten“ nicht leicht beizukommen ist: „Es ist ganz schwer, diese Art von Agententätigkeit, die aus einem unspezifischen Milieu kommt, zu verhindern. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz bleibt nur zu versuchen, intensive und extensive Aufklärungsarbeit in bestimmten Milieus zu leisten. Der BND hat die Aufgabe, die dahinterstehenden Strukturen im Ausland auszuleuchten.“
Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, dass die Spur nach Moskau führt
Was lange Zeit nur Experten auf der Rechnung hatten, wird in diesen Tagen anlässlich eines Verfahrens vor dem Oberlandesgericht in München öffentlich. Dort geht es um geplante Sabotageakte und das Ausspähen von Militärtransporten für Ukraine-Hilfen. Auch wenn die drei Angeklagten aus Bayern bestreiten, im Auftrag des russischen Geheimdienstes gehandelt zu haben, ist sich die Staatsanwaltschaft sicher, dass die Spur nach Moskau führt. Der Hauptangeklagte hatte in der Ostukraine aufseiten russlandtreuer Kräfte gekämpft. Im Fokus des Trios waren offensichtlich militärische Einrichtungen, geplant waren mutmaßlich zudem Brandanschläge und Sabotageaktionen gegen militärische Infrastruktur und Bahnstrecken. Ein am Verfahren beteiligter Anwalt erklärte, dass es sich nicht um Spionage, sondern um Sabotage handeln würde. Eine Einordnung, die zwar das Strafmaß beeinflussen könnte, Experten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des BND aber kaum beruhigen dürfte.

Ähnlich gelagert könnte ein Fall sein, der eine Woche zuvor publik wurde: In diesem Fall geht es um drei Ukrainer, die in Deutschland und der Schweiz festgenommen wurden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, von russischen Kontaktleuten als Agenten für Sabotage in Deutschland angeworben worden zu sein.
Die Bandbreite möglicher Aktionen ist groß
„Ziel der Aktionen ist es, Nachschub für die Ukraine oder die Ausbildung für ukrainische Soldaten zu stören, aber auch Nachschubwege für die militärische Unterstützung Kiews nachzuverfolgen“, sagte Geheimdienstexperte Conrad im Gespräch mit unserer Redaktion. Tatsächlich ist die mögliche Bandbreite der Aktionen von Amateuren nahezu unbegrenzt. Ziele von Sabotage waren in diesem Jahr bereits mehrfach Marineboote. Die Täter hinterließen durchtrennte Kabelbäume, in einem Fall wurde ein Motor mit Metallspänen beschädigt. Für Aufsehen sorgte der Versuch, einen Trinkwasserbrunnen mit Öl zu vergiften. Im Juli 2024 drohte eine Katastrophe, als ein Paket im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Brand geriet. Sicherheitsbehörden warnten, dass auch ein Absturz der Maschine denkbar gewesen wäre, wenn der Zünder in der Luft ausgelöst hätte.
Als sicher kann gelten, dass das Gros der Taten erst gar nicht bekannt wird. Gibt es doch Festnahmen, zeigt sich meist, dass es den Tätern eher um schnelles Geld als um politische Überzeugung geht. Conrad ist davon überzeugt, dass auch kleinere, eigentlich auf den ersten Blick kaum relevante Sabotageaktionen Wirkung zeigen, wenn sie von den Medien aufgegriffen werden. „Die Botschaft ist: ‚Schaut her, wir sind da, ihr seid nicht sicher’.“
Viele Angehörige der russischen Botschaft wurden ausgewiesen
Für wenig stichhaltig hält er die häufig geäußerte Vermutung, dass die Anwerbung von Leuten ohne jede nachrichtendienstliche Erfahrung auch deswegen so stark zugenommen habe, weil seit Beginn des Ukraine-Krieges eine große Zahl russischen Botschaftspersonals – also potenzielle Geheimdienstmitarbeiter – ausgewiesen wurde: „Die Botschaftsangehörigen sind letztlich zu exponiert, um selbst Sabotageaktionen durchzuführen, sie sind zum Ausspähen oder Anwerben von Quellen da.“
Doch wie dieser latenten Gefahr von Sabotageaktionen aus dem Nichts begegnen? „Es ist ganz schwer, diese Art von Agententätigkeit, die aus einem unspezifischen Milieu kommt, zu verhindern. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz bleibt nur zu versuchen, intensive und extensive Aufklärungsarbeit in bestimmten Milieus zu leisten. Der BND hat die Aufgabe, die dahinterstehenden Strukturen im Ausland auszuleuchten“, sagt Konrad, um hinzuzufügen, dass die deutschen Geheimdienste „dringend mehr Befugnisse, also mehr Beinfreiheit für ihre Arbeit“ benötigen würden.
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