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SPD: Kann Bärbel Bas die SPD retten?

Bärbel Bas ist die neue SPD-Parteichefin und damit Nachfolgerin von Saskia Esken.
Foto: Kay Nietfeld, dpa
SPD

Kann Bärbel Bas die SPD retten?

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    Solidarität ist ein großes Wort in der SPD – aber nicht für jeden Sozialdemokraten. Bärbel Bas weiß jedenfalls, was ihre Vorgängerin durchgemacht hat. Und wenn sie es nicht weiß, dann ahnt sie es zumindest. „In der Politik kann es manchmal verdammt einsam sein,“ sagt sie zu Saskia Esken, die ihren Platz an der SPD-Spitze ja nicht ganz freiwillig räumt, sondern unter dem Druck der Partei. Sie selbst habe sich deshalb vor ihrer Kandidatur auch gefragt: „Willst Du Dir das antun?“ Zwei Frauen erst haben vor ihr die SPD geführt, Andrea Nahles und eben Saskia Esken. „Und ganz ehrlich“, fügt die Kandidatin Bas dann noch hinzu: „Der Umgang mit ihnen war kein Glanzstück.“ Vorsichtig formuliert.

    Mit Bärbel Bas als Parteichefin neben Lars Klingbeil soll sich das wieder ändern. „Wenn wir für eine solidarische Gesellschaft kämpfen wollen, müssen wir zuallererst eine solidarische Partei sein“, sagt sie in ihrer Bewerbungsrede vor dem Parteitag in Berlin. „Sonst glaubt uns das keiner.“ Aus dem Beifall, den sie dafür erhält, spricht nicht nur das schlechte Gewissen der Partei, sondern auch die Sehnsucht nach einem Neuanfang nach der bittersten Niederlage der Parteigeschichte. 16,4 Prozent: Das ist kein Ergebnis, das eine Volkspartei einfach so wegsteckt.

    Bärbel Bas wird mit 95 Prozent der Stimmen SPD-Chefin

    Am Ende stimmen 95 Prozent der Delegierten für sie, aber nur 64,9 Prozent für Klingbeil. Dass er bei weitem nicht so gut abschneiden würde wie sie, galt zuvor schon als ausgemacht. Für das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl ist er ja nicht weniger verantwortlich als seine Mitvorsitzende Esken, er allerdings ist danach zum Finanzminister und Vizekanzler aufgestiegen, sie dagegen wurde mit dem Vorsitz im Ausschuss für Bildung und Familie abgespeist. Wenn sich Geschichte tatsächlich wiederholt, hieße das: Klingbeil ist auch der nächste Kanzlerkandidat der SPD, während Bärbel Bas vielleicht schon den Zenit ihres politischen Schaffens erreicht hat. Oder etwa nicht? Es soll schon Kanzlerkandidaten gegeben haben, die mit schlechteren Ergebnissen zu Parteivorsitzenden gewählt wurden als sie.

    Bas selbst hat im Moment allerdings andere Sorgen: Natürlich wisse sie, dass einige in der Partei die neue Doppelspitze auch skeptisch sähen, räumt sie ein. „Aber gerade jetzt ist es unser Vorteil, wenn wir in unseren Ämtern beides vertreten und zusammenbringen können: die Logik der Regierung und die Logik der Partei.“ Mit dem Finanz- und dem Arbeitsministerium haben die beiden jedenfalls zwei mächtige, wenn nicht gar die mächtigsten Ministerien unter sich. Der eine hat das Geld – und die andere den mit Abstand größten Etat.

    Der Aufstieg der Bärbel Bas von der Hauptschülerin aus einfachen Verhältnissen zur Bundestagspräsidentin und dann weiter zur Arbeitsministerin und SPD-Vorsitzenden, ist eine der ungewöhnlichsten Karrieren der jüngeren deutschen Geschichte. Eigentlich will die Tochter eines Busfahrers ja Technische Zeichnerin werden, nach Dutzenden von Absagen aber fängt sie notgedrungen als Bürogehilfin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft an, wechselt später zu deren Betriebskrankenkasse, bildet sich weiter und arbeitet sich langsam hoch bis zur Leiterin einer Abteilung mit 200 Mitarbeitern. Wenn sie heute auf Parteitagen oder im Bundestag von Armut spricht, dann weiß sie, wovon sie redet. Nach der Scheidung muss ihre Mutter, die abends in einer Kneipe jobbt, die sechs Kinder alleine durchbringen. Sozialamt. Sozialwohnung: „Das Geld war immer knapp“, erinnert sich Bärbel Bas, selbst kinderlos und seit fünf Jahren Witwe. Der einzige sichtbare Luxus, den sie sich leistet, ist ein schweres Motorrad.

    Über die Jahre ist die SPD zur Akademikerpartei geworden

    Eine Frau mit ihrer Biografie ist wie gemalt für ein Spitzenamt in der Arbeiterpartei SPD, die mit den Jahren zumindest in den oberen Etagen dann doch zu einer Akademikerpartei geworden ist. Wie wenige andere in der SPD steht die 57-Jährige für das alte sozialdemokratische Aufstiegsversprechen, nach dem jeder etwas werden kann, wenn er (oder sie) nur will, sich anstrengt und der Staat die Rahmenbedingungen dafür schafft. 1988 bereits tritt sie der SPD bei, gerade mal 20 Jahre alt. In den Bundestag zieht sie wie Lars Klingbeil 2009 ein, wo sie lange Zeit im Maschinenraum der Macht arbeitet, unter anderem im Gesundheitsausschuss und als parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion.

    Als nach der Wahl 2021 das Präsidium des Bundestages neu besetzt werden muss, staunen allerdings auch in der eigenen Partei viele, als plötzlich ihr Name fällt. Bärbel wer? Fraktionschef Rolf Mützenich wäre nur allzu gerne Parlamentspräsident geworden – da aber fast alle anderen Spitzenposten schon mit Männern besetzt sind, muss es eine Frau sein. „Ich habe nicht selbst den Finger gehoben“, sagt Bärbel Bas damals in ihrer Antrittsrede. „Aber im richtigen Moment ja gesagt.“

    Bärbel Bas ist bescheiden und zurückhaltend - und wird gerne unterschätzt

    Mit ihrer bescheidenen, zurückhaltenden Art wird sie gerne unterschätzt. Aber bringt sie auch die nötige Härte für die erste Reihe der Parteipolitik mit? Eine Frau, die von sich selbst sagt, sie habe sich in der zweiten Reihe sehr wohl gefühlt? Als Bundestagspräsidentin musste sie vor allem repräsentieren, nun muss sie regieren und taktieren – Ausflüge aufs politische Glatteis mit eingeschlossen. Kaum als Ministerin vereidigt, provoziert sie die Union schon mit ihrer Forderung, auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen zu lassen, obwohl das Thema für den Koalitionspartner so unverhandelbar ist wie für die SPD die Höhe des Rentenniveaus. Ein Regierungsamt aber hatte Bärbel Bas noch nie, ehe sie im Mai die Nachfolge des erfahrenen Hubertus Heil antritt. Auch in der Partei ist sie bisher nicht über den Vorsitz des Landesparteirates in Nordrhein-Westfalen hinausgekommen. Wird sie also, womöglich, nicht unterschätzt, sondern am Ende überschätzt?

    Klare Vorstellungen für ihre künftige Arbeit hat die Neue im Willy-Brandt-Haus in jedem Fall. „Sozial-Kahlschlag wird es mit mir nicht geben“, verspricht sie. „Soziale Gerechtigkeit bedeutet für mich auch: Wer in Not gerät, muss sich auf den Staat verlassen können.“ Das bestreitet zwar auch außerhalb der SPD kaum jemand, dem Parteitag aber streichelt Bärbel Bas damit die Seele. Mögen noch so viele Ökonomen und Arbeitgeber davor warnen, mit ihren Vorschlägen fahre das System irgendwann an die Wand: Die Rentenreform, die sie gerade in Arbeit hat, blendet diese Kritik weitgehend aus.

    Für die Sozialministerin Bas ist die Rentenfrage nicht weniger als eine Gerechtigkeitsfrage, die mit immer höheren Steuerzuschüssen erkaufte Stabilisierung des Rentenniveaus verteidigt sie mit eingängigen Worten: Beschäftigte müssten die Sicherheit haben, nach einem langen Arbeitsleben eine stabile Rente zu bekommen. Eine Rente, die dann auch zum Leben reicht. „Ich kenne das Gefühl, auf Hilfe vom Staat angewiesen zu sein“, sagt sie in Berlin. Und vielen anderen Menschen gehe es ähnlich: Alleinerziehende, Ältere mit kleinen Einkommen oder Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben.

    Neue SPD-Parteichefin Bas: „Sie hat das Herz am richtigen Fleck“

    In der Partei kommt das an. „Sie hat das Herz am richtigen Fleck“, sagt ein Abgeordneter, der sie gut und lange kennt. Bärbel Bas hat sich auch nach 16 Jahren im Raumschiff Berlin eine Sprache bewahrt, die vielen Kollegen mit den Jahren abhandengekommen ist. Sie redet verständlich und ohne akademische Allüren, ein Kind des Ruhrgebiets eben. Die SPD müsse wieder stärker in den Arbeitermilieus präsent sein, hat sie gerade im Spiegel verlangt. „Wir müssen uns wieder sehen lassen und uns der Kritik stellen.“ Dazu gehöre für sie auch, die komplizierten Dinge wieder für den Malocher an der Ecke verständlich herunterzubrechen, den Stahlarbeitern in ihrer Duisburger Heimat beispielsweise. Das klingt, ein wenig, nach Sigmar Gabriel, der vor seiner Wahl zum SPD-Vorsitzenden einst gesagt hat: „Wir müssen raus ins Leben; da, wo es laut ist; da, wo es brodelt; da wo es manchmal riecht, gelegentlich auch stinkt. Wir müssen dahin, wo es anstrengend ist. Weil nur da, wo es anstrengend ist, da ist das Leben.“

    Die neue starke Frau der SPD, beliebter als ihre Vorgängerin Esken, aber nach allem, was man weiß, nicht so karrierebewusst wie Lars Klingbeil, hat lange überlegt, ob sie überhaupt nach dem Vorsitz greifen soll. Halb zog man sie, heißt es in der Partei, halb sank sie hin. „Es ist mir nicht ganz leichtgefallen“, räumt sie selbst ein, als sie ihre Kandidatur vor einigen Wochen öffentlich macht. Die Erwartungen an sie sind gleichwohl groß – und damit auch das Risiko, zu scheitern. Andrea Nahles und Saskia Esken sind über die Erwartungen an sie gestürzt. Ihre Nachfolgerin drückt es nur etwas freundlicher aus: „Beide haben sich mit gemischten Gefühlen aus diesem Amt zurückgezogen.“

    Bärbel Bas sieht sich auf der linken Seite der SPD

    Bas rechnet sich dem linken Flügel der Bundestagsfraktion zu, eine verhinderte Klassenkämpferin aber ist sie nicht. Sie will, fürs Erste, vor allem nach innen wirken. „Wenn wir Kandidatinnen und Kandidaten aufstellen, lassen wir es kaum noch zu, dass auch andere nach oben kommen“, kritisiert sie. „Leute, die sich nicht so geschliffen ausdrücken können, die nicht jede Sitzung dominieren.“ Diese Menschen würden oft übersehen, findet sie, obwohl sie einer Volkspartei viel geben könnten. Menschen wie sie, ohne Abitur und Studium, aber mit Lebenserfahrung und gesundem Menschenverstand. „Es darf nicht sein“, sagt Bärbel Bas, „dass man einen Hochschulabschluss braucht, um unsere Argumente zu verstehen.“

    Wohltuend normal klingt das alles. Nicht so schrill wie bei Saskia Esken. Nicht so gestelzt wie gelegentlich bei Lars Klingbeil. Damit alleine aber gewinnt man noch keine Wahlen.

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    7 Kommentare
    Marianne Böhm

    Ich garantiere die SPD fällt bei der nächsten Wahl noch tiefer und entsorgt, entzaubert sich selber.. Diese Partei ist den Grünen, Linken näher als der CDU/CSU. Dieser Zwang die AFD zu vernichten ist umsonst, sie werden nicht einen der 10 Millionen AFD Wähler und viele der Nichtwähler abbekommen..?

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    Maria Reichenauer

    Auch wenn Sie unverhohlen Freude zeigen am Erstarken der AfD – auch der dümmste Wähler wird irgendwann merken, dass diese Partei eine einzige Wortülse ist, die sich gut verkauft, weil sie den Leuten nach dem Mund redet. Dann kann es leider zu spät sein für unsere Demokratie – aber Sie werden dann auch keine so großen Töne mehr spucken dürfen, wenn die den Oberen nicht gefallen. Die Nähe der SPD zu Grünen und Linken fehlt leider, sie hat sich unter den Schutzschirm der C-Parteien begeben – kein guter Platz zum Wachsen.

    Marianne Böhm

    Fr. Reichenauer hören sie doch endlich auf anderen zu sagen was und wie sie angeblich zu denken haben.. Mein Kommentar sagt, weil nicht nur die 10 Millionen AFD Wähler sondern zig Millionen andere Menschen die gar nicht erst zur Wahl gehen.. die Verlierer der demokratischen Parteien sind. Weil nur noch an den Bürgern rumerzogen wird und ihnen eingeredet wird was das beste für sie ist, was von ihnen keiner mehr will.... außer die ewigen Jasager, Mitläufer, Unterwürfigen..!

    Maria Reichenauer

    Frau Böhm, mir ist es völlig wurst, was und wie Sie denken. Wenn Sie gerne mit den AfD-Lemmingen mitlaufen möchten, just do it. Aber ich lasse mich nicht von Ihnen daran hindern, anders zu denken und das sage ich auch. Ihr Gejammer über die Schlechtigkeit der Welt ist manchmal schwer zu ertragen. Sie versuchen in AfD-Manier, bei den Menschen Unzufriedenheit und Ängste zu schüren, ohne konkret zu werden.

    Richard Merk

    Das sehe ich genau so Frau Reichenauer

    Richard Merk

    Frau Böhm, sie wären gut beraten wenn sie sich mit mit ihrer Scheinheiligkeit etwas zurückhalten. Eine eigene Meinung vertreten ist doch erlaubt, aber ein Kontra sollte schon verkraftet werden können, insbesondere wenn ein Kontra mit guten Gründen belegt wird. Sie werden es nicht für möglich halten, aber die meisten Jasager, Mitläufer, Unterwürfigen finden Sie bei der AfD, ganz dicht gefolgt von der CSU.

    Willi Dietrich

    In dieser Koalition hat die SPD als wesentlich kleinerer Partner kaum eine Chance sich zu profilieren. Da tut sich Merz als Kanzler viel leichter, da er zudem als Außenpolitiker medienwirksam auftritt. Jetzt hat die SPD mit Pistorius und Frau Bas zwei beliebte und auch integre Persönlichkeiten. Auch ihnen wird der machtorientierte Merz das Wasser abgraben so wie er es mit Klingbeil macht. Da auch in Deutschland die ganze Tendenz nach "rechts" geht, haben nur Union und AfD eine Chance bei vielen Wählern, weil sie gleichermaßen das Thema Migration in den Vordergrund stellen durch Dobrindt und Weidel. Wenn die SPD in dieser Koalition bleibt, wird sie von Union und AfD zerrieben zu einer Splitterpartei. Der Augsburger Allgemeinen und ihrer Journalisten ist es zu verdanken, dass dieser Rechtstendenz gegengearbeitet wird im Gegensatz zur rechtslastigen WELT, die "rechts" hoch- schreibt.

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