Internationale Verhandlungen über einen Krieg, der zu einer humanitären Katastrophe geführt hat und eine ganze Region destabilisiert, sollten eigentlich für Schlagzeilen sorgen. Doch über den Verlauf der derzeit andauernden Krisenkonferenz in Genf, bei der Wege zu einem Waffenstillstand im Sudan ausgelotet werden sollen, ist kaum etwas bekannt. „Auch die gewöhnlich gut informierten sudanesischen Exil-Politiker, die in Ägypten Zuflucht gefunden haben, wissen nicht mehr“, sagt der Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Steffen Krüger, im Gespräch mit unserer Redaktion. Das mag an der rigiden Informationspolitik der Beteiligten liegen, es dürfte aber auch damit zusammenhängen, dass dieser Konflikt schon seit Jahren weltweit erschütternd geringes Interesse weckt.
Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass das Land für hoffnungsvolle Schlagzeilen sorgte. Eine Demokratiebewegung hatte 2019 den korrupten Langzeitherrscher Omar al-Baschir gestürzt. Doch das Militär fürchtete um Einfluss und Pfründe – es putschte 2021 gegen die Übergangsregierung. An die Macht gelangte Armeechef General Abdelfattah al-Burhan, sein Stellvertreter wurde Mohamed Hamdan Daglo. Doch das Duo entzweite sich: Seit April 2023 tobt ein rücksichtsloser Bürgerkrieg zwischen der sudanesischen Armee (SAF) von al-Burhan sowie Daglo und seinen Rapid Support Forces (RSF). Die Folgen sind dramatisch: Das Chaos mit blutigen Gefechten und Massakern wird begleitet von einem wirtschaftlichen Absturz des Landes im Nordosten Afrikas – einem Staat, der früher Nahrungsmittel exportiert hat und reich an Rohstoffen wie Öl oder Gold ist.
Die Vereinten Nationen warnen vor einer Hungerkatastrophe
Die UN warnen davor, dass sich der schon jetzt eklatante Mangel an Lebensmitteln zu einer Hungerkatastrophe ausweiten könnte – betroffen wären bis zu 25 Millionen der 46 Millionen Sudanerinnen und Sudaner. „Viele Flüchtlinge leben unter furchtbaren Bedingungen, einige sind nahe der ägyptischen Grenze verdurstet. Überall fehlen Medikamente. Es gibt Anhaltspunkte für ethnische Säuberungen von RSF-Truppen in der Region Darfur im Westen des Landes“, erklärt Krüger, der die Situation im Sudan vom KAS-Büro in Kairo aus verfolgt. Noch unberechenbarer wird der Konflikt durch verschiedene regionale Milizen, wie ethnische bewaffnete Gruppen und Söldner aus dem Ausland.
Diese fatale Gemengelage hat dazu geführt, dass kaum noch Hilfsgüter in das Kriegsland gelangen. Meist ist dafür lediglich ein einziger Grenzübergang geöffnet. Einige der wenigen noch aktiven Hilfsorganisationen wurden zudem - wie „Ärzte ohne Grenzen“ - zum Ziel von Attacken. Auch sind die Vereinten Nationen weit davon entfernt, die für das laufende Jahr errechneten nötigen Gelder von 2,7 Milliarden US-Dollar für die Sudan-Hilfe von potenziellen Geberländern einzusammeln.
Die Vereinten Nationen werfen beiden Seiten Kriegsverbrechen vor. Nach UN-Schätzungen hat der Krieg bereits mindestens 15.000 Tote gefordert. Doch die Quellenlage ist schwierig – wie viele Opfer die Kämpfe bisher tatsächlich gefordert haben, ist umstritten. Befürchtet wird, dass die Zahl deutlich höher liegen.
Die desperate Situation hat eine Fluchtbewegung ausgelöst, die ihresgleichen sucht: Innerhalb des Sudans haben – je nach Quelle – mehr als acht Millionen Menschen ihren Wohnort verlassen. Rund 2,1 Millionen Frauen, Männer und Kinder sind in die ebenfalls meist bettelarmen benachbarten Staaten geflohen. Eine Belastung, die diese Länder kaum verkraften können.
Der Krieg wird durch Waffen aus dem Ausland angeheizt
Der Krieg wird auch dadurch angeheizt, dass ausländische Mächte die Kontrahenten massiv mit Geld und Waffenlieferungen versorgen. Während Ägypten und der Iran die Regierungstruppen (SAF) beliefern, unterstützen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die RSF über den Tschad mit Rüstungsgütern.
„Militärisch waren die RSF-Milizen – insbesondere in der Region Darfur – zuletzt in der Offensive. Dass einer der beiden Kontrahenten jedoch den Krieg gewinnen kann, ist unwahrscheinlich - wie auch Experten aus dem Sudan bestätigen“, sagt Steffen Krüger. Eine Situation, die eigentlich die Chancen für konstruktive Verhandlungen erhöhen sollte. Eigentlich, denn obwohl die Unterredungen in Genf bereits seit einer Woche laufen, gab es bisher keine Erfolgsmeldungen.
Initiiert wurde die Konferenz in der Schweiz von den USA und Saudi-Arabien, das politisch die SAF unterstützt, als Vermittler aber auch von der RSF akzeptiert wird. Allerdings sitzen nur SAF-Vertreter mit am Tisch, Akteure der RSF-Milizen weilen zwar in Genf, wollten sich aber nicht direkt an den Gesprächen beteiligen. Die Hoffnung, dass in der Schweiz tatsächlich ein Waffenstillstand vereinbart wird, ist gering. Schon bei früheren Verhandlungen zeigte sich, dass die Kriegsgegner dazu trotz der humanitären Katastrophe nicht bereit sind.
Die Hoffnung ist, dass der Konflikt ausgetrocknet wird
Volker Perthes, Politikwissenschaftler und ehemaliger UN-Sonderbeauftragter für Sudan, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass er von den Gesprächen „bestenfalls“ erwarte, dass es gelingen könnte, gemeinsam Druck auf die Konfliktparteien auszuüben. „Zumindest könnte das dazu beitragen, dass die Ressourcen der Kriegsparteien ausgetrocknet werden. Das könnte dann zunächst zu einer Einschränkung des Kampfgeschehens führen.“ KAS-Experte Krüger hofft, dass „beispielsweise die Vereinigten Emirate gebracht werden, den illegalen Goldhandel der RSF und Waffenlieferungen an ihre Einheiten zu reduzieren.“
Sorgen bereiten Steffen Krüger russische Aktivitäten im Sudan. Dass Moskau seine politischen und militärischen Aktivitäten in Afrika in den letzten Jahren ausgebaut hat, zeigen Beispiele wie Mali oder die Zentralafrikanische Republik – dort sind die Wagner-Brigaden weiterhin präsent. „Präsident Wladimir Putin versucht, das strategische russische Projekt einer Versorgungsbasis im Hafen Port am Roten Meer wieder voranzutreiben.“ Es gibt tatsächlich aktuelle Berichte, dass es eine Einigung Russlands mit Präsident Abdelfattah al-Burhan über eine russische Marinebasis dort gibt. Das wäre eine weitere schlechte Nachricht für den Sudan.
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