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Teherans Atomprogramm: Strategien und mögliche Folgen einer nuklearen Eskalation im Nahen Osten

Interview

Scheitert der Nuklear-Deal mit dem Iran?

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    Auf dem Weg zur Bombe? Ein Techniker arbeitet in der Uranumwandlungsanlage in der Nähe der iranischen Stadt Isfahan.
    Auf dem Weg zur Bombe? Ein Techniker arbeitet in der Uranumwandlungsanlage in der Nähe der iranischen Stadt Isfahan. Foto: Vahid Salemi, AP/dpa

    Herr Fathollah-Nejad, wie weit ist der Iran von der Bombe entfernt?
    ALI FATHOLLAH-NEJAD: Da muss man differenzieren. Sicherlich hat die Islamische Republik ihr Atomprogramm stark hochgefahren und verfügt mittlerweile über genügend spaltbares Material, um einige wenige Atombomben zu bauen. Man benötigt aber unter anderem auch noch entsprechende Trägersysteme. Aus dieser Sicht liegen vor dem Iran noch einige Schritte auf dem Weg zur Atommacht. Die Internationale Atomenergie-Organisation hat allerdings deutlich gemacht, dass sie nicht mehr in der Lage ist, zu beurteilen, wo genau das Atomprogramm steht, seitdem sie keinen ausreichenden Zugang mehr zu den Anlagen im Iran hat.

    Will das Regime tatsächlich eine nukleare Bewaffnung oder nutzt es diese Option nicht eher als Drohpotenzial, um politische Ziele zu erreichen?
    FATHOLLAH-NEJAD: In den letzten Jahren hat Teheran sein Atomprogramm oft als Druckmittel eingesetzt, um Konzessionen zu erzwingen. Aber auch, um über andere Themen nicht reden zu müssen, vor allen Dingen über die aggressive regionale Machtpolitik, aber auch über das Raketenprogramm. Und ökonomisch, um Sanktionserleichterungen vom Westen zu bekommen. Die iranische Strategie der „nuklearen Eskalation“ will einen Alarmismus im Westen erwecken, mit dem Ziel, jene Konzessionen zu erzwingen. Auf der anderen Seite gibt es sicherlich einige Milieus innerhalb des iranischen Establishments, die durch eine Atombewaffnung ein Überleben des Regimes sichern wollen. Allerdings sind solche Kalkulationen eher unsicherer Natur. Wir wissen, dass auch Atommächte, ja sogar eine atomare Supermacht wie die Sowjetunion, nicht davor gefeit war, von innen zu kollabieren.

    Wie beurteilen Sie die Sanktionspolitik des Westens?
    FATHOLLAH-NEJAD: Von Seiten der Regierung Biden, aber auch von Seiten der Europäer hätte der Sanktionsdruck durchaus stärker sein müssen, um die iranische Machtelite effektiv zu treffen. Trump allerdings übt seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus wieder „maximalem Druck“ aus, mit dem Ziel, die iranischen Öleinfuhren auf null zu drücken, was ihm bereits 2018 gelungen ist, nachdem er einseitig aus dem Atomdeal ausgestiegen war. Und dieser Sanktionsdruck ist neben der militärischen Drohkulisse der Grund, weswegen die Islamische Republik nun am Verhandlungstisch sitzt. Der Iran hat schwere Rückschläge hinnehmen müssen. Verbündete wie die Hamas oder die Hisbollah sind extrem geschwächt, der syrische Despot Baschar al-Assad ist geflohen. Teheran wurde von Israel durch Attentate etwa im eigenen Land vorgeführt. Die Wirtschaft befindet sich in einer Dauerkrise, große Teile der Bevölkerung wenden sich von den Machthabern ab.

    Hat US-Präsident Trump nicht recht, gerade jetzt Verhandlungen zu forcieren?
    FATHOLLAH-NEJAD: Der Iran leidet derzeit unter einer historischen Schwäche. Die beispiellosen Ereignisse des letzten Jahres, also der Zerfall des regionalen Netzwerkes, der sogenannten „Achse des Widerstandes“ gegen Israel, aber auch die ökonomische Krise sind so tiefgreifend wie fast nie zuvor. Die große Frage ist nun, ob die Trump-Administration alle relevanten sicherheitspolitischen Themen in die Verhandlungen einbezieht, vor allen Dingen die blinden Flecken des Atomdeals von 2015. Damals wurde weder über die Machtpolitik des Iran in der Region noch das Raketenprogramm gesprochen.

    Trauen Sie Trump zu, eine klare Strategie durchzuhalten?
    FATHOLLAH-NEJAD: Die Verhandlungen, die 2015 zum Atomdeal geführt haben, dauerten mehr als zwei Jahre. Wenn man die Trumpsche Manier sieht, muss man davon ausgehen, dass es jetzt viel schneller geht, dass schon die nächsten Wochen entscheidend sein werden.

    Nach Medienberichten ist Teheran zu weitreichenden Zugeständnissen in der Atomfrage bereit, wenn die Sanktionen fallen.
    FATHOLLAH-NEJAD: Das bleibt abzuwarten. Die amerikanische Seite will, dass das iranische Atomprogramm vollständig eingestellt wird. Die Iraner bestehen weiterhin darauf, Uran anzureichern. Dieser Konfliktpunkt ist bisher ungelöst. Es ist also völlig unklar, ob die USA Sanktionen aufheben werden und inwieweit auch das Raketenprogramm womöglich Teil der amerikanischen Forderungen sein wird. Schließlich sind die Angriffe auf Israel durch Raketen im letzten Jahr ein sicherheitspolitisches Feld von immenser Bedeutung. Sollten die ballistischen Raketen nicht Teil einer Vereinbarung sein, besteht durchaus die Möglichkeit, dass Israel früher oder später militärisch auf eigene Faust gegen das iranische Raketenprogramm vorgehen wird.

    Glauben Sie an eine Einigung?
    FATHOLLAH-NEJAD: Wir befinden uns in einer Phase, in der die Differenzen zwischen beiden Seiten sehr viel deutlicher sind als bei den ersten beiden Verhandlungsrunden. In Bezug auf die Atomproblematik sehen wir eine große Kluft zwischen der amerikanischen und der iranischen Position

    Kann sich das Regime trotz der Misserfolge und seiner Schwäche auf Dauer halten?
    FATHOLLAH-NEJAD: Die Lage innerhalb der Islamischen Republik gleicht einer Scheinstabilität. Der Graben zwischen Staat und Gesellschaft ist nach wie vor sehr tief. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist massiv. Die Wirtschaftskrise ist so tief wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die nahe Zukunft hängt auch davon ab, inwieweit die iranische Seite Lockerungen der Sanktionen erwirken kann, die sie allerdings eher für den eigenen Machterhalt nutzen würde und nicht unbedingt zum Nutzen der Zivilbevölkerung. In dieser Situation wird die Islamische Republik versuchen, dass jegliche Zugeständnisse in den Verhandlungen mit den USA nur kosmetischer oder vorübergehender Natur sind. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass das Atomprogramm, das Raketenprogramm und die Unterstützung der regionalen Milizen allesamt Quellen der Macht darstellen für die iranischen Machthaber, die sie ungern aus der Hand geben werden.

    Der Politikwissenschaftler und Autor Ali Fathollah-Nejad registriert eine tiefe Unzufriedenheit in der iranischen Gesellschaft.
    Der Politikwissenschaftler und Autor Ali Fathollah-Nejad registriert eine tiefe Unzufriedenheit in der iranischen Gesellschaft. Foto: Fathollah-Nejad

    Zur Person

    Dr. Ali Fathollah-Nejad ist ein deutsch-iranischer Politikwissenschaftler und Gründer sowie Direktor des „Center for Middle East and Global Order“. Anfang dieses Jahres ist sein Buch „Iran - Wie der Westen seine Werte und Interessen verrät“ im Aufbau-Verlag erschienen.

    Der lange Konflikt über das iranische Atomprogramm

    Im Mittelpunkt des Streits über Irans Atomprogramm steht die Frage der Nutzung: Während Teheran betont, ausschließlich zivile Zwecke zu verfolgen, befürchten Regierungen im Westen den Bau einer Atombombe. Iranische Politiker und Offiziere heizten die Debatte mit Forderungen nach Atomwaffen zur militärischen Abschreckung an. US-Präsident Donald Trump drohte dem Iran zuletzt mit massivem Bombardement, sollte es keinen Deal geben.

    2015 hatte der Iran im Wiener Atomabkommen nach langen Verhandlungen mit China, Russland, den USA, Frankreich, Deutschland und Großbritannien vereinbart, sein Nuklearprogramm einzuschränken. Trump stieg jedoch 2018 einseitig aus dem Pakt aus und verhängte neue, harte Sanktionen. Daraufhin hielt sich auch Teheran nicht mehr an die Auflagen des Abkommens.

    Nun will der US-Präsident einen neuen Deal. Zentrale Bedingung der USA ist, dass der Iran sein Anreicherungsprogramm vollständig aufgibt. Derzeit reichert der Iran Uran bis zu einem Reinheitsgrad von 60 Prozent an – für Atomwaffen sind über 90 Prozent erforderlich. Im Wiener Atomabkommen war dem Land ein maximaler Anreicherungsgrad von 3,67 Prozent sowie ein Vorrat von bis zu 300 Kilogramm Uran gestattet worden. Teheran verknüpft die Aussicht auf einen neuen Deal in erster Linie mit der Aufhebung von Sanktionen.

    Doch es gilt als nur schwer vorstellbar, dass der Iran künftig Brennstäbe für sein ziviles Atomprogramm importiert. Irans Staatsoberhaupt Ajatollah Ali Chamenei hat am Dienstag ausgeschlossen, dass das Land die Urananreicherung aufgibt. (ska, dpa)

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