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„Tusk-Regierung übersteht Vertrauensfrage: Was kommt jetzt für Polen und die EU?“

Polen

Tusk-Regierung bleibt nach Vertrauensfrage am Ruder

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    Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk bittet das Parlament in seiner Regierungserklärung um ein Vertrauensvotum.
    Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk bittet das Parlament in seiner Regierungserklärung um ein Vertrauensvotum. Foto: Rafal Guz, PAP/dpa

    Verhaltenes Aufatmen in Berlin, Paris und Brüssel. Die regierende liberal-konservative Bürgerkoalition (KO) hat die Abstimmung über die Vertrauensfrage im polnischen Parlament am Mittwochnachmittag überstanden und bleibt im Amt. Ministerpräsident Donald Tusk selber hatte die Vertrauensfrage gestellt, um sich zu vergewissern, dass die Koalition noch handlungsfähig ist – mit Erfolg, denn die vier Fraktionen votierten am späten Nachmittag nach einer stundenlangen Debatte geschlossen für Tusk.

    „Ich glaube, das klare Ergebnis ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die kleineren Parteien des Bündnisses bei einem Aus für die Regierung und Neuwahlen mit starken Verlusten rechnen mussten“, sagte der politische Analyst des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau, Daniel Lemmen, unserer Redaktion. Tusk hatte sich vor dem Votum kämpferisch gezeigt: „Ich kenne den Geschmack des Sieges und die Bitterkeit der Niederlage, aber ein Wort kenne ich nicht: Kapitulation.“

    Die Politik in Polen liegt weiterhin in Fesseln

    Doch die Politik in Polen liegt weiterhin in Fesseln. Denn die viel weitergehenden Hoffnungen, dass sich die Blockade der Politik der Regierung auflösen könnte, hatten sich bereits nach der Wahl vom 1. Juni mit der Niederlage des liberalen Warschauer Bürgermeisters Rafal Trzaskowski gegen den nationalkonservativen PiS-nahen Karol Nawrocki bei den Präsidentschaftswahlen zerschlagen.

    Gerade Berlin hatte darauf gesetzt, dass Warschau mit einem Präsidenten Trzaskowski nicht nur ein verlässlicher, sondern ein auf europäischer Ebene wieder aktiverer Partner werden würde. Eine Konstellation, die die Spielräume des der Außenpolitik zugeneigten Kanzlers Friedrich Merz in Brüssel potenziell vergrößert hätten. Doch der Erfolg Nawrockis, der seinen Wahlkampf auch mit Ressentiments gegen den Nachbarn im Westen aufgeladen hatte, ließ diese Träume zerplatzen. Außenminister Johann Wadephul (CDU) und sein polnischer Kollege Radoslaw Sikorski hatten nach dem 1. Juni demonstrativ Schadensbegrenzung betrieben: „Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin sehr eng und freundschaftlich zusammenarbeiten“, sagte Wadephul (CDU) bei einem Treffen in Berlin.

    Ein fulminanter Neuanfang in den deutsch-polnischen Beziehungen ist nicht zu erwarten

    Ein fulminanter Neuanfang in den Beziehungen ist jedoch kaum zu erwarten. Denn der europa- und ukrainekritische Präsident Nawrocki wird nach seiner Amtseinführung Anfang August als Bremser der Regierung Tusk, die von drei Fraktionen aus dem Mitte-Links-Spektrum gestützt wird, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übernehmen, ja sogar noch aggressiver interpretieren.

    „Während der amtierende Präsident Andrzej Duda zumindest in einigen Fällen mit sich reden ließ und auf eine Vollblockade verzichtete, könnte Nawrocki, der ja kein PiS-Mitglied ist, versuchen, sich als Übervater der Rechten zu profilieren – von der rechten PiS bis hin zur rechtsextremen Partei Konfederacja“, fürchtet Experte Lemmen. So wird es weiterhin kaum möglich sein, die weitreichenden Reformen umzusetzen, die die Regierung Tusk nach ihrem Wahlsieg im Jahr 2023 versprochen hatte. Das ist auch für die EU ein Problem, schließlich wird damit der Umbau der Justiz durch die frühere PiS-Regierung, die von Brüssel als demokratischen Prinzipien widersprechend sanktioniert wurde, Bestand haben.

    Der polnische Präsident verfügt über weit mehr Befugnisse als sein deutscher Amtskollege

    Der Präsident in Polen verfügt über deutlich mehr Macht als der deutsche Bundespräsident. Er ist beispielsweise Oberbefehlshaber der Armee. Zwar kann er die Innenpolitik nicht gestalten, hat aber als Unterzeichner sämtlicher Gesetze ein weitgehendes Vetorecht gegen Entscheidungen der Regierung. Unterschreibt er nicht, kann er die Vorhaben an das Verfassungsgericht, das fest in der Hand von PiS-treuen Juristen ist, zur Prüfung weiterleiten.

    Die politisch angespannte, ja äußerst konfrontative Situation steht in einem erstaunlichen Kontrast zur guten wirtschaftlichen Situation, in der sich Polen befindet. Doch die bisweilen hasserfüllte Verbissenheit, mit der sich die politischen Blöcke und ihre Protagonisten PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski und Donald Tusk seit fast einem Vierteljahrhundert gegenüberstehen, kennzeichnet den politischen Alltag.

    Die Haushaltsverhandlungen könnten zum Knackpunkt werden

    Daniel Lemmen ist wenig optimistisch, was die Zukunft der Regierung Tusk betrifft: „Die PiS wird jetzt alles versuchen, um die Koalition zu spalten.“ Knackpunkt können die Haushaltsverhandlungen im Herbst sein. „Nawrocki kann den Haushalt zwar nicht ablehnen, aber er kann ihn an das Verfassungsgericht zur Prüfung weiterleiten. Liegt der Haushaltsentwurf dort lange, könnte der Präsident das Parlament auflösen.“

    Neuwahlen wären für die PiS die ersehnte Chance, mit der Mehrheit im Parlament und einem gewogenen Präsidenten durchzuregieren. Ein Schreckensszenario für Brüssel, aber auch für die Bundesregierung. .

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