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Urteil zwingt Ursula von der Leyen zur Offenlegung geheimen SMS über Impfstoffe

Justiz

Urteil zwingt von der Leyen zur Offenlegung geheimer SMS

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    Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat den Rechtsstreit um Textnachrichten an einen Pharma-Konzernchef verloren.
    Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, hat den Rechtsstreit um Textnachrichten an einen Pharma-Konzernchef verloren. Foto: Anna Ross, dpa

    Ursula von der Leyen hat verloren – vor Gericht, aber vor allem in Sachen Glaubwürdigkeit. Es geht um das so genannte „Pfizergate“, um milliardenschwere Impfstoff-Deals und private SMS zwischen der EU-Kommissionspräsidentin und dem Chef des Pharmakonzerns Pfizer auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie. Weil sich die Brüsseler Behördenchefin geweigert hatte, die ausgetauschten Textnachrichten offenzulegen, hatte eine Journalistin der New York Times geklagt. Sie bekam nun Recht. Am Mittwoch urteilte der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg, dass von der Leyen die SMS zwischen ihr und Pfizer-Boss Albert Bourla in der Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 11. Mai 2022 herausgeben muss. Damit erklärten die Richter eine frühere Entscheidung der Kommission für nichtig.

    Schadet von der Leyens Intransparenz der EU?

    Die Behörde hatte in der Vergangenheit argumentiert, dass sich die Dokumente nicht in ihrem Besitz befänden beziehungsweise, dass sie „nicht auffindbar“ seien. Unklar bleibt, ob die Nachrichten noch irgendwo existieren oder mittlerweile gelöscht wurden. Hinter den Kulissen hieß es von einem Beamten, dass es in der Kommunikation lediglich um Organisatorisches gegangen sei – „ohne wichtige Informationen“. Doch wann sind solche SMS auch offizielle Dokumente, die zu archivieren sind? Die Kommission habe „weder im Detail erklärt, welche Art von Nachforschungen sie betrieben hat, um diese Dokumente zu finden, noch, wo sie nach ihnen gesucht hat“, hieß es in der Erklärung des Gerichtshofs. „Somit hat sie keine plausible Erklärung gegeben, um den Nichtbesitz der angeforderten Dokumente zu rechtfertigen.“ In einem Statement kündigte die Kommission an, die Entscheidung des Gerichts „genau“ zu prüfen und über die nächsten Schritte zu entscheiden. Beide Seiten können das Urteil anfechten und vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

    Während die Richter am Mittwoch lediglich die Frage beantworten mussten, ob es richtig oder falsch war, dass von der Leyen die Freigabe von Textnachrichten ablehnte, geht es im größeren Kontext um die Auswirkungen des Urteils auf die Transparenz und Rechenschaftspflicht in der EU – und die Autorität der Kommissionschefin. Es ist ein schwerer Schlag für von der Leyens Ruf – schon wieder. Kritiker beschweren sich seit Langem über ihren distanzierten und „fast schon königlichen“ Führungsstil. So lästern Insider gerne über ihren Elfenbeinturm, in dem sie sich mit ihrem Team verschanze. Von der Leyens Büro liegt oben im 13. Stock des Berlaymont, des Hauptquartiers der EU-Kommission.

    Deal zwischen der EU und dem Pfizer-Konzern

    Kann sie nach diesem Urteil die mächtigste Rolle in der EU weiterhin ungehindert so ausüben, wie sie es gewohnt ist? Wie ernst nimmt die Deutsche die eigenen Ansprüche und Regeln, politisch so offen wie möglich zu handeln? Der SPD-Europaabgeordnete René Repasi sprach von einem „wegweisenden Schritt für die Transparenz in der EU“. Das Vertrauen der Bürger in europäische Entscheidungsprozesse lebe von Nachvollziehbarkeit und Rechenschaft, „nicht von verschwundenen Nachrichten oder schwammigen Erklärungen“. Die Kommission müsse „anstelle ihrer bisherigen Wagenburgmentalität den Zugang zu internen Dokumenten erleichtern“, so Repasi. Von der Leyen habe „durch ihre Intransparenz die Demokratie in der EU nachhaltig beschädigt“, kritisierte der EU-Parlamentarier Martin Schirdewan (Die Linke) und forderte die Veröffentlichung der Daten. „Alles andere ist verantwortungslos und sie wäre als Kommissionspräsidentin nicht mehr tragbar.“ Auch der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund forderte Konsequenzen. „Das Versteckspiel auf von der Leyens Handy muss ein Ende haben.“ Dienstliche Nachrichten müssten „systematisch gespeichert, archiviert und gegebenenfalls offengelegt werden“.

    Rückblick: Es war Februar 2021 und die Lage verschlechterte sich zunehmend für die Gemeinschaft und ihre Chefin. In weiten Teilen Europas herrschte Stillstand, Menschen starben, und der Union gingen die Impfstoffdosen aus, nachdem ihr größter Lieferant, AstraZeneca, Produktionsprobleme angekündigt hatte. Kritiker stellten von der Leyens Führungsqualitäten infrage und warfen ihr Fehler beim Krisenmanagement vor. Dann gelang ihr der Durchbruch: ein Geschäft über bis zu 1,8 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer. Kam das durch die Textnachrichten zwischen ihr und Bourla zustande? Und zu welchem Preis? Bis heute sind die genauen Kosten nicht bekannt. Und bis heute steht der Vorwurf im Raum, von der Leyen habe durch ihre Geheimverhandlungen mit Bourla dem Pfizer-Konzern ein Quasi-Monopol verschafft und so den Preis des Impfstoffs in die Höhe getrieben.

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    1 Kommentar
    Martin Dünzl

    Da war doch schon mal was mit gelöschten SMS in einer Berateraffäre in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin, bevor sie nach weiter und hochbefördert wurde...

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