Das Bekenntnis klang banal. „Ich habe einen Eid zur Verteidigung der Verfassung abgelegt“, erklärte die republikanische Senatorin Lisa Murkowski: „Ich werde für die Bestätigung der Präsidentschaftswahl 2020 stimmen.“ Was in der Vergangenheit schlicht und ergreifend überlesen worden wäre, schaffte es in den Vereinigten Staaten von Amerika an diesem Wochenende zum Twitter-Trend: Mehr als 50.000 Mal wurde die Ankündigung der Politikerin aus Alaska in kurzer Zeit „geliked“.
Anerkennung der Wahl erscheint nicht mehr als Selbstverständlichkeit
Die Anerkennung eines demokratischen Wahlergebnisses ist für die Republikaner in den USA nämlich keine Selbstverständlichkeit mehr. Mindestens 140 Abgeordnete im Repräsentantenhaus und zwölf Senatoren wollen bei der Zusammenkunft des Parlaments am Mittwoch, die eigentlich nur zeremoniellen Charakter hat, Einspruch gegen die Stimmenzuteilung erheben. Der Versuch, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in ein Votum für Donald Trump umzudrehen, wird zwar höchstwahrscheinlich am Ende scheitern. Dieser Versuch aber könnte den Kongress in ein 24-stündiges Chaos stürzen und die Polarisierung der USA weiter zuspitzen.
„Ich hätte mir niemals vorstellen können, solche Dinge in der größten Demokratie der Welt zu erleben“, erklärte Mitt Romney, der 2012 als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gegen Barack Obama angetreten war. Doch vier Jahre später kam Donald Trump – und der Populist hat die „Grand Old Party“ fest im Griff. Nachdem als Erster der frischgewählte Senator Josh Hawley öffentlichkeitswirksam einen Einspruch gegen die Wahlergebnisse vom November ankündigte, hat in der Partei ein regelrechter Überbietungswettbewerb dieser zynischen Machtpolitik begonnen.
Mehr als 140 der 196 republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus wollen inzwischen die Bestätigung des Wahlergebnisses verweigern. Im Senat kündigte eine Gruppe von weiteren elf Senatoren unter Führung des texanischen Trump-Loyalisten Ted Cruz Widerspruch an. Einen derartigen Aufstand hat es seit dem Bürgerkrieg nicht gegeben. Gleichzeitig ruft Noch-Präsident Donald Trump zu „wilden“ Protesten auf.
Ein loyaler Unterstützer des Präsidenten, der republikanische Abgeordnete Louie Gohmert, erklärte ernsthaft, wenn die Gerichte nicht funktionierten, dann müsse man eben „auf die Straßen gehen und so gewalttätig sein wie die Antifa und Black Lives Matter“.
Mike Pence sollte Donald Trump zum neuen Präsidenten ausrufen
Zuvor hatte Gohmert sogar versucht, den noch amtierenden Vizepräsidenten Mike Pence zur Ausrufung von Trump als neuen Präsidenten zu nötigen. Doch Gohmert scheiterte vor Gericht. Auch der Aufstand im Kongress dürfte am Ende von der Demokraten-Mehrheit im Repräsentantenhaus niedergeschlagen werden. Doch wollen die republikanischen Rebellen offenbar die Ergebnisse mehrerer Bundesstaaten anfechten. Da dies jeweils eine zweistündige Debatte und eine Abstimmung nach sich zieht, könnte die bizarre Veranstaltung bis in den Donnerstag dauern.
Mehr als 60 Gerichte haben Klagen gegen das Wahlergebnis abgewiesen
Eigentlich bildet der Kongress nur die Kulisse für die offizielle Meldung der zertifizierten Wahlergebnisse der 50 Bundesstaaten. Nirgendwo gab es nach Aussagen der regionalen Behörden und von Trumps Ex-Justizminister Bill Barr signifikante Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung. In kritischen Staaten, wo die Ergebnisse von Donald Trump und Joe Biden nah beieinander lagen, wurden die Stimmen teilweise dreimal ausgezählt – mit nur marginal unterschiedlichen Resultaten. Gouverneure beider Parteien haben die Ergebnisse bestätigt. Mehr als 60 Gerichte haben Klagen dagegen abgewiesen.
Trotzdem verbreitet Trump immer abwegigere Falschaussagen über angebliche Wahlmanipulationen. Viele republikanische Politiker wollen die fanatisierte Trump-Basis nicht verärgern. Es ist kein Zufall, dass der Republikaner Patrick Toomey das Treiben seiner Kollegen am schärfsten kritisiert und ihnen vorwirft, „das Recht der Bürger, ihre Vertreter zu wählen, (zu) untergraben“. Der Senator von Pennsylvannia geht in zwei Jahren in den politischen Ruhestand.
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