Schock nach der Schweigeminute bei Demonstration gegen Waffenrecht
Bei der Demonstration für schärfere Waffenrechte löst ein Randalierer Panik aus. Der Vorfall demonstriert die Verstörung der Gesellschaft durch die allgegenwärtige Gewalt.
Die Schweigeminute für die Opfer des schrecklichen Massakers von Uvalde war gerade erst beendet, als am Samstag auf der National Mall in Sichtweite des Weißen Hauses kurz Panik ausbrach. Ein Mann war über eine Absperrung in Richtung der Bühne gestürmt und hatte dabei wilde Parolen gebrüllt. Als einige Umstehende das Wort „Waffe“ hörten, ergriffen sie eilig die Flucht und lösten damit eine Welle aus. Sekunden später rannten Hunderte zur Seite auf ein Gitter zu. Sie verloren Handys, Plakate und Habseligkeiten. Einige stürzten zu Boden. Andere wurden gegen den Zaun gepresst.
Glücklicherweise dauerte der Horror nur eine Minute. „Rennen Sie nicht! Es gibt keinen Grund!“, gab eine Rednerin über die Lautsprecheranlage schnell Entwarnung. Der Randalierer wurde von der Polizei festgenommen und abgeführt. Über seine Motive gab es zunächst keine Informationen. Bewaffnet war er offenbar nicht. Der Schock aber verflog nicht so schnell. Jungen Frauen und Männern standen die Tränen in den Augen. Andere fielen sich in die Arme.
Ältere Besucher verließen verängstigt die Demonstration. Eindrücklicher hätte man die Verstörung der amerikanischen Gesellschaft durch die allgegenwärtige Waffengewalt, die beim „March of Our Lives“ eigentlich angeprangert werden sollte, nicht verdeutlichen können. „Unglücklicherweise hat sich jemand entschlossen, die Angst, die wir jeden Tag spüren, anzufachen“, sagte einer der Veranstalter: „Alles ist in Ordnung. Wir werden weiter kämpfen.“
Ein 18-Jähriger hatte am 24. Mai 21 Menschen erschossen
In zahlreichen Städten der USA waren am Samstag Menschen gegen die Waffengewalt auf die Straße gegangen. Bei der zentralen Kundgebung in Washington forderten prominente Redner den Kongress auf, endlich strengere Gesetze zu beschließen. „Genug ist genug“, sagte die Washingtoner Bürgermeisterin Muriel Bowser. Das Parlament müsse endlich die Bürger und die Kinder schützen. Bei der Massenschießerei in der texanischen Kleinstadt Uvalde hatte am 24. Mai ein 18-Jähriger mit einem Sturmgewehr in einer Grundschule 19 Kinder und zwei Lehrer erschossen. „Wenn unsere Regierung nichts tun kann, um zu verhindern, dass 19 Kinder in ihrer eigenen Schule getötet, abgeschlachtet und enthauptet werden, ist es an der Zeit, die Regierung zu wechseln, sagte David Hogg, ein Überlebender des Massakers an der Schule in Parkland im Jahr 2018.
Aufgrund des damals Erlebten hatten Hogg und andere Mitschüler die Bewegung „March of Our Lives“ gegründet. Zum ersten großen Protestmarsch 2018 kamen rund 200.000 Menschen in die Hauptstadt. Am Samstag fanden sich bei regnerischem Wetter und Konkurrenz durch die Pride-Parade rund um das Washington Monument statt der von den Veranstaltern erwarteten 50.000 nur etwa 30.000 Demonstranten ein.
Im Kongress stehen die Chancen für eine spürbare Verschärfung des Waffenrechts denkbar schlecht. Zwar hat das demokratisch dominierte Repräsentantenhaus in der vorigen Woche die Heraufsetzung des Mindestalters für den Kauf halb automatischer Sturmgewehre von 18 auf 21 Jahre und ein Verbot von Magazinen mit hoher Kapazität beschlossen. Doch selbst für ein „Red Flag“-Gesetz, das es der Polizei erlaubt, mit richterlicher Anordnung die Schusswaffen von psychisch gefährdeten Personen einzuziehen, stimmten nur fünf Republikaner. Vier von ihnen scheiden im Herbst aus dem Parlament aus.
Die Republikaner weigern sich, das Waffenrecht zu verschärfen
Im wesentlich kleineren Senat bräuchten die Demokraten mindestes zehn Stimmen der Republikaner. Die Anhebung der Altersgrenze oder gar ein Verbot von halb automatischen Sturmgewehren gelten dort als chancenlos. Es ist nicht einmal klar, ob sich die Kammer auf eine verpflichtende polizeiliche Überprüfung von Waffenkäufern einigen kann.
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