Trump ruft zur Aufhebung der Verfassung auf
Der amerikanische Ex-Präsident fordert zur Streichung "von allen Regeln, Verordnungen und Paragrafen" auf. Die Spitze der Republikaner schweigt.
Sieben Minuten lang hatte sich David Joyce im Politmagazin "This Week" des US-Senders ABC als moderater Republikaner präsentiert, dem es vor allem darum gehe, pragmatische Politik zu machen. Doch als der Moderator den Abgeordneten aus Ohio fragte, ob er Donald Trump wählen würde, verweigerte der 65-Jährige dreimal die Antwort. Selbstverständlich werde er jeden Präsidentschaftskandidaten unterstützen, den die Republikaner nominieren, räumte er schließlich ein. "Auch einen Verfassungsfeind?", hakte der Moderator nach. "Trump sagt eine Menge Dinge", wiegelte Joyce ab: "Aber er meint nicht, dass das wirklich passieren soll."
Die Reaktion des freundlichen Ex-Staatsanwalts, der kürzlich mit den Demokraten für den Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe stimmte, ist typisch für die Republikaner. Auch nach dem jüngsten Ausfall des Ex-Präsidenten gegen die amerikanische Verfassung gibt es - wie schon nach dessen Treffen mit den Antisemiten und Neo-Nazis Kanye West und Nick Fuentes - nur vereinzelte Kritik an dem Ex-Präsidenten. Dieser hatte am Wochenende auf seiner Propagandaplattform "Truth Social" mit Hinweis auf die von ihm verbreitete Wahlbetrug-Lüge gepostet: "Ein massiver Betrug dieser Art und Größenordnung ermöglicht die Aufhebung von allen Regeln, Verordnungen und Paragrafen, selbst jenen, die sich in der Verfassung finden."
Früherer US-Präsident Trump verbreitet Verschwörungstheorien
Trump verbreitet seit seiner Niederlage vielfach widerlegte Verschwörungslegenden über die Wahl vor zwei Jahren. Hintergrund seines jüngsten Ausfalls ist die Veröffentlichung von Unterlagen durch den neuen Twitter-Eigentümer Elon Musk, die interne Abstimmungen des Unternehmens zu einem Artikel über Hunter Biden, den Sohn des heutigen Präsidenten darlegen. Das rechte Boulevardblatt New York Post hatte kurz vor der Wahl E-Mails und intime Fotos von Hunter Bidens Laptop veröffentlicht. Twitter sperrte damals den Link zu dem Artikel, da die Verantwortlichen davon ausgingen, das Material stamme von einem Hackerangriff. Die Unterlagen liefern jedoch keine Belege für Trumps Behauptung, dass die Demokraten die Sperre durchgesetzt hätten.
Nach der Attacke des Präsidenten gegen die Verfassung blieb der republikanische Kongressabgeordnete Mike Turner zunächst der prominenteste parteiinterne Kritiker. Er widersprach den Äußerungen "vehement" und verurteilte sie "absolut". Doch weder der künftige Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, noch der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, distanzierten sich von Trumps verfassungsfeindlichem Post.
Wahl in Georgia wird zum Stimmungstest für die Republikaner
Schon nach Trumps Abendessen mit den Antisemiten West und Fuentes hatte es allenfalls lauwarme Kritik aus dessen Partei gegeben. Aktuell dürfte das Schweigen noch durch die bevorstehende Stichwahl im Bundesstaat Georgia an diesem Dienstag verstärkt werden. Dort tritt der von Trump unterstützte Ex-Footballstar Herschel Walker gegen den Amtsinhaber Raphael Warnock an. In letzten Umfragen liegt der Demokrat Warnock knapp vorne.
Sollte es den Demokraten gelingen, das Mandat zu verteidigen, würden sie ihre Mehrheit im Senat um einen auf 51 Sitze ausbauen. Das würde das Regieren für Präsident Biden tendenziell leichter machen, da er nicht jedes Mal sämtliche Stimmen seiner Partei bräuchte. Mindestens so wichtig ist die Stichwahl aber als Stimmungstest für die Republikaner. Walker, der von mehreren Frauen der häuslichen Gewalt bezichtigt wird und zwei Ex-Freundinnen zu Abtreibungen gedrängt haben soll, während er politisch für ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen kämpft, gilt allgemein als extrem schlechter Kandidat. Nur 27 Prozent aller Wähler in Georgia halten ihn als Senator für qualifiziert. Dass er trotzdem in Umfragen fast gleichauf mit Warnock liegt, illustriert die überwiegend konservative Struktur der Wählerschaft in dem Südstaat.
Bei den Wahlen am 8. November war der republikanische Gouverneur Brian Kemp, der sich von Trump distanziert hat, klar im Amt bestätigt worden. Walker erhielt damals 200.000 Stimmen weniger als Kemp. Das Abschneiden von Walker bei der jetzigen Stichwahl sagt also auch etwas darüber aus, wie stark die Wähler der Republikaner trotz der Trump-Ausfälle weiter zu ihrer Partei stehen. Vorsorglich hat Walker auf Auftritte des Ex-Präsidenten während seiner Kampagne verzichtet.
Die Diskussion ist geschlossen.