Was bedeutet die Stillhaltezusage?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird die AfD vorerst nicht mehr öffentlich als rechtsextrem bezeichnen und auch nicht so behandeln. Das geht aus der Stillhaltezusage des BfV hervor, die unserer Redaktion vorliegt.
Der Hintergrund: Kurz nachdem das BfV die AfD hochgestuft hatte, reichte die Partei einen Eilantrag und eine Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht Köln ein. Darin forderte sie auch eine entsprechende Stillhaltezusage. Dem ist der Verfassungsschutz nachgekommen. Sie gilt, bis über den Eilantrag entschieden ist. Bis dahin werde man die AfD „lediglich als Verdachtsfall beobachten und behandeln“, wie es in dem Dokument heißt. Das bedeutet konkret, dass höhere Hürden gelten, um AfD-Mitglieder zu überwachen.
An ihrer Einschätzung hält die Behörde aber fest. „Das BfV erachtet die Klage und den Eilantrag der AfD vom 05.05.2025 für unbegründet“, heißt es in dem Dokument. „Denn die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ist in der Sache gerechtfertigt.“
Überraschend ist der Schritt nicht. Eine ähnliche Stillhaltezusage gab das BfV bereits im Januar 2021 ab. Der Verfassungsschutz hatte die Partei damals als Verdachtsfall eingestuft, die AfD reichte einen Eilantrag ein und der Verfassungsschutz gab eine entsprechende Zusage ab. Erfolgreich war die Partei nicht. Am Ende verlor sie vor Gericht.
Wie lange dauert das Verfahren?
Das BfV wird in den kommenden Tagen eine Stellungnahme an das Gericht schicken. Bis über den Eilantrag entschieden ist, kann es einige Wochen oder Monate dauern. So lange gilt auch die Stillhaltezusage.
Das Verfahren abseits des Eilantrags kann deutlich länger dauern. Schon bei der Einstufung als Verdachtsfall reichte die AfD neben dem Eilantrag eine Klage ein. Die Partei verlor zwar, zog im Anschluss aber mit einer Beschwerde vor das Bundesverwaltungsgericht. Darüber wurde bis heute nicht geurteilt. Trotzdem darf das BfV die Partei als Verdachtsfall behandeln.
Wie reagiert die AfD?
Die AfD verbucht die Stillhaltezusage als Erfolg. „Das ist ein erster wichtiger Schritt hin zu unserer eigentlichen Entlastung und damit dem Vorwurf des Rechtsextremismus zu begegnen“, erklärten Tino Chrupalla und Alice Weidel.
Gleichzeitig gibt es Streit um den künftigen Kurs der Partei. Maximilian Krah beispielsweise forderte auf der Plattform X eine Abkehr von Forderungen wie der massenhaften „Remigration“. Man liefere dem Staat damit „Repressionsvorwände“. Das war bemerkenswert, weil Krah bisher eher als Verfechter völkischer Ideen galt.
Krahs Vorstoß kam nicht gut an in der Partei. Der Augsburger Abgeordnete Rainer Kraft schrieb: „Klar, wenn der Verfassungsschutz klingelt, wirft man jahrtausendealte Identitätsprinzipien halt einfach über Bord.“ Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, hält es nicht für nötig, sich anzupassen. Unserer Redaktion sagte er: „Beim Verfassungsschutz-Gutachten ist nicht die AfD das Problem, sondern der Wille zum absichtlichen Missverständnis auf Seiten unserer Gegner.“
Was steht überhaupt im Verfassungsschutz-Gutachten über die AfD?
Bisher hält der Verfassungsschutz das Gutachten unter Verschluss. Einige Seiten kursieren aber bereits. Darin enthalten sind öffentliche Äußerungen von AfD-Politikern. In erster Linie solche, die eine völkische Ideologie durchblicken lassen. Zum Beispiel sagte der Abgeordnete Hannes Gnauck bei einer Wahlkampfveranstaltung: „Wir müssen auch wieder entscheiden dürfen, wer überhaupt zu diesem Volk gehört und wer nicht.“ Auch Sätze, die sich gegen die liberale Demokratie wenden oder die Legitimität des Staates infrage stellen, finden sich in dem Dokument. Zum Beispiel eine Aussage von Tino Chrupalla, wonach Deutschland „nicht souverän sein kann.“
Journalisten des Spiegels konnten bereits den gesamten Bericht auswerten. Enthalten sind demnach auch Chatverläufe, in denen Umsturzfantasien geäußert werden, sowie Belege für die Netzwerke der Partei in die neurechte Szene.
Wird das Gutachten noch ganz veröffentlicht?
Dobrindt (CSU) sagte im Interview mit Maybrit Illner, er habe das Gutachten selbst bisher nicht gelesen. Sobald es geprüft sei, werde über eine Veröffentlichung entschieden. Die AfD gibt sich derweil unbeeindruckt von einer möglichen Veröffentlichung. „Wir möchten wissen, was uns vorgeworfen wird - voll und ganz“, sagt Bernd Baumann unserer Redaktion.
Auch Konstantin von Notz konnte das Gutachten bisher nicht lesen, sagte er unserer Redaktion. Von Notz ist Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums, das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig ist. „Als Mitglieder dieses Gremiums haben wir aber den Anspruch, behördliche Einschätzungen mit der notwendigen Sorgfalt anzuschauen“, sagte er. „Ich plädiere für eine zur Veröffentlichung geeignete Version des Bundesinnenministeriums.“
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