Die Nato und Russland testen in den kommenden zwei Wochen parallel ihre Flotten in der Ostsee. An dem von den USA geführten Manöver "Baltops" sind 50 Schiffe und Boote und 45 Flugzeuge mit 6500 Soldaten aus 19 Nato-Staaten und Schweden beteiligt. Die russische Ostseeflotte gab bekannt, parallel mit 40 Schiffen, 25 Kampfjets und 3500 Soldaten üben zu wollen. Die Nato wurde vorher nicht offiziell darüber informiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartet aber nicht, dass sich die Lage zwischen beiden Seiten durch die Manöver hochschaukelt. "Diese Befürchtung habe ich nicht", sagte er bei einem Besuch der Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" vor der deutschen Ostseeküste bei Rostock. "Es wird sehr verantwortungsvoll umgegangen von Seiten unserer Kräfte."
Als Signal der Stärke an Russland will der Kanzler die Nato-Übung trotzdem verstanden wissen: "Es ist natürlich auch ein Zeichen, dass wir mit dem Manöver, der Übung hier setzen, nämlich dass wir die Kraft haben, die Bündnis- und Landesverteidigung zu organisieren. Und das ist das, was verstanden wird."
Scholz auf der Kommandobrücke der "Mecklenburg-Vorpommern"
Scholz machte sich am Montag erstmals ein umfassendes Bild von den Fähigkeiten der Deutschen Marine. Dazu flog er mit einem Hubschrauber vom Typ "Sea King" vom Marinekommando in Rostock auf die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern", die zu diesem Zeitpunkt knapp 20 Kilometer vor den Stränden der mecklenburgischen Ostseeküste unterwegs war. Von der Kommandobrücke schaute er sich unter anderem an, wie das U-Boot "U33" auftauchte und die Korvette "Oldenburg" die Fregatte eskortierte.
Auch der französische Flottentanker "Somme" und Kriegsschiffe aus Spanien und Portugal beteiligten sich an der insgesamt vierstündigen Übung, die extra für den Kanzler auf die Beine gestellt wurde. Eurofighter- und Tornado-Kampfjets der Luftwaffe donnerten mehrfach über das 140 Meter lange Kriegsschiff mit seiner Besatzung von mehr als 200 Soldatinnen und Soldaten.
Mit einem Schlauchboot wurde Scholz auf ein Minenjagdboot der Bundeswehr gebracht, um sich dort über den Schutz kritischer Infrastruktur auf dem Meeresboden zu informieren. Das Thema hat durch den immer noch unaufgeklärten Anschlag auf die Gas-Pipeline Nord Stream 2 vor der dänischen Insel Bornholm an Brisanz gewonnen.
Flaggschiff der Nato-Speerspitze in der Ostsee
Deutschland hat mit Jahresbeginn die Führung der schnellen Eingreiftruppe der Nato übernommen, an der auch die Marine in der Ostsee beteiligt ist. Die "Mecklenburg-Vorpommern" ist derzeit das Flaggschiff der sogenannten Speerspitze des Militärbündnisses, die offiziell "Very High Readiness Joint Task Force" heißt. Die Eingreiftruppe wurde im Zuge der ersten großen Ukraine-Krise nach 2014 aufgestellt und ist seitdem ein zentrales Element der Abschreckungsstrategie gegen Russland.
Die "Mecklenburg-Vorpommern" fährt nach der Übung für den Kanzler weiter Richtung Osten, wo sie in den nächsten Tagen am "Baltops"-Manöver teilnimmt. Kurz vor dem Flottenbesuch des Kanzlers gab Russland bekannt, dass es bis zum 15. Juni in der Ostsee üben wird - etwa genauso lange, wie die Nato ihre Flotte testet. "Im Rahmen des Manövers werden Aufgaben der Verteidigung der Seekommunikation und Flottenbasen geschult", hieß es in einer Mitteilung der russischen Flotte.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut 15 Monaten hat Moskau schon mehrfach in der Ostsee den Kriegsfall geprobt. Immer wieder kommt es über der Ostsee zu Problemen zwischen der Nato und Russland. Beide Seiten werfen sich gegenseitig die Verletzung des eigenen Luftraums vor. Die Seestreitkräfte kommen dagegen bisher vergleichsweise gut miteinander aus.
Keinen Raum für Missverständnisse entstehen lassen
"Die Ostsee ist groß genug. Wir treten non-konfrontativ und sehr transparent auf", sagt der Kommandeur der Marine-Kräfte der schnellen Nato-Eingreiftruppe, Flottillenadmiral Thorsten Marx. "Wir halten uns an internationale Regeln und Normen. Und das erwarten wir von der russischen Seite in der gleichen Art und Weise." Derzeit sehe man "auf russischer Seite ein sichtbares Bemühen, keinen Raum für Missverständnisse entstehen zu lassen". Das heiße aber nicht, dass es morgen auch noch so sein müsse. "Deswegen ist dieser Verband jederzeit einsatzbereit und auch abwehrbereit", betonte Marx.
Über das Manöver wurde die Nato nach Angaben des Admirals nicht in Kenntnis gesetzt. Überrascht worden sei man davon trotzdem nicht. "Wir haben natürlich eine sehr klare Vorstellung, aus welchen Handlungen sich möglicherweise Manöver-Tätigkeiten ableiten." Die Beobachtungen der vergangenen Wochen und Monaten hätten darauf hingedeutet, dass das Manöver stattfindet.
(Von Michael Fischer, dpa)