Herr Weber, die Europäer verhandeln mit dem Iran in Genf über dessen Atomprogramm – und beinahe gleichzeitig greift Donald Trump das Land mit bunkerbrechenden Waffen an. Sind die Europäer nur noch Zuschauer der Weltpolitik?
MANFRED WEBER: Der Iran ist nicht nur eine Bedrohung für Israel, sondern für die gesamte Weltgemeinschaft. Das muss im Mittelpunkt der Debatte stehen. Wir sollten uns bewusst machen, dass der Iran im Besitz von Mittelstreckenraketen ist, die problemlos Europa und Deutschland erreichen können. Deshalb sind auch beide Initiativen richtig: Gespräche mit Teheran führen, wie es die Europäer gemacht haben, aber zugleich dafür sorgen, dass der Iran nicht in den Besitz von Atomwaffen kommt. Dagegen muss im Zweifel auch militärisch vorgegangen werden.
Wenn der Iran auch Deutschland ins Visier nehmen könnte: Hat US-Präsident Donald Trump gemeinsam mit Israel nicht tatsächlich das für uns gemacht, was Bundeskanzler Friedrich Merz als „Drecksarbeit“ bezeichnet?
WEBER: Friedrich Merz hat recht – und ich unterstütze auch seine Wortwahl. Wir müssen Klartext reden. Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, dem Iran den Zugriff auf Atomwaffen zu verwehren. Und nicht nur das. Das Regime finanziert Terror in der gesamten Welt. Ich kann ein konkretes Beispiel nennen: Vertreter aus dem Libanon berichten mir davon, welche Fortschritte ihr Land macht, seitdem es Israel gelungen ist, die vom Iran unterstützte Hisbollah massiv zu schwächen. Der Libanon hat nun die Chance, in eine demokratische Zukunft zu starten. Für mich ist das ein Weckruf an Europa, endlich Handlungsfähigkeit zu beweisen.
Wie könnte diese Handlungsfähigkeit hergestellt werden? Europa diskutiert seit Jahrzehnten ….
WEBER: Inzwischen gibt es eine enorme Dynamik. Die Europäische Union hat in den vergangenen Monaten so viele Beschlüsse gefasst, wie lange nicht – so stellt die EU erstmals relevante Gelder für Verteidigungsausgaben bereit. Kurioserweise klopfen sogar die Briten an unsere Tür und wollen mitmachen – das Land, das vorher jahrzehntelang die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik blockiert hat. Jeder spürt, dass Verteidigung nur miteinander gelingt.
Die Europäer sind bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Doch beim Sondervermögen haben wir gesehen, wie schnell selbst Milliardenbeträge weg sind. Brauchen wir neue europäische Schuldenprogramme, um nachhaltig dafür zu sorgen, dass Europa verteidigungsfähig wird?
WEBER: Die Summen, über die wir reden, sind gewaltig. Doch zur Wahrheit gehört: Wir zahlen jetzt das, was wir uns über Jahrzehnte gespart haben. Wir haben die Friedensdividende verkonsumiert statt investiert. Das war ein Fehler. Bevor wir jetzt aber zu viel Geld ausgeben, sollten wir uns überlegen, wo wir zusammen verhandeln können. Wir haben allein 17 verschiedene Panzer-Typen in Europa.
Warum sollte sich das jetzt ändern?
WEBER: Wir haben erstmals einen amerikanischen Präsidenten, der den europäischen Pfeiler der Nato nicht nur unterstützt, sondern dessen Einsatz sogar erwartet. Er zwingt uns geradezu, neue Wege zu gehen. Wir müssen das als Chance sehen.
Müssen wir dem US-Präsidenten also dankbar sein?
WEBER: Donald Trump schubst uns in die Richtung, die Europa schon vor Jahren hätte einschlagen müssen.
Gerade Deutschland hat sich immer als Friedensgesellschaft verstanden. Braucht es ein gesellschaftliches Umdenken in dieser Frage? Wer ist denn bereit, sein Leben zu geben, um dieses Land zu verteidigen?
WEBER: Die junge Generation ist sich bewusst, dass sie in einer anderen Welt lebt. Wichtig ist mir aber auch, zu unterstreichen, dass es nicht um eine Militarisierung der Gesellschaft geht. Es geht darum, Frieden zu sichern, und das geht nur mit Stärke und Abschreckung.
Das Atomabkommen mit dem Iran war eines der großen außenpolitischen Projekte der EU. Trump hat es 2015 beerdigt. Wie wahrscheinlich ist nun, nach dem Militärschlag, dessen Wiederbelebung?
WEBER: Das iranische Regime befindet sich in einem Moment der Schwäche. Es ist innenpolitisch herausgefordert und steht nun auch außenpolitisch massiv unter Druck. Diese Chance müssen wir nutzen, um wieder ins Gespräch zu kommen. Wir sollten die Hand ausstrecken, ohne dabei naiv zu sein.
Wünschen Sie sich die Entschiedenheit, die Donald Trump mit seiner Unterstützung Israels zeigt, auch im Fall der Ukraine?
WEBER: Definitiv. Trotzdem müssen wir Europäer aufhören, bei unseren Sicherheitsinteressen immer hilfesuchend auf Washington zu blicken. Unser Kontinent muss endlich auch verteidigungspolitisch erwachsen werden. Deshalb erwarte ich, dass am Mittwoch die Entscheidung für das 5 Prozent-Ziel der Nato getroffen wird und am Donnerstag beim EU-Gipfel konkrete Beschlüsse gefällt werden.
Welche Beschlüsse erwarten Sie?
WEBER: Wir müssen jetzt konkret werden. Europa muss eigene Leitprojekte für die Verteidigung definieren. Dazu zähle ich etwa eine Cyber-Brigade, eine eigene Luftabwehr an der Außengrenze, einen Raketenschutzschirm und eine eigenständige Überwachung aus dem All. Das geht nur europäisch.
Immer wenn Europäer große Entscheidungen treffen müssen, gibt es mindestens einen, der ausschert. Bei der Debatte über ein 5 Prozent-Ziel der Nato waren es die Spanier, die zunächst nicht mitziehen wollten.
WEBER: Das Verhalten der spanischen Regierung ist indiskutabel. Pedro Sanchez, der sozialdemokratische, spanische Ministerpräsident, stellt sein eigenes politisches Überleben, das durch einen Korruptionsskandal gefährdet ist, über die europäische Stabilität und Sicherheit.
Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist in den 1950er Jahren schon einmal gescheitert - weil Frankreich nicht mitmachte. Jetzt legt Ungarns Premier Viktor Orbán bei jeder Gelegenheit sein Veto ein. Wie soll Europa je mit einer Stimme sprechen?
WEBER: Die Willigen müssen vorangehen, die Zeit läuft uns davon. Und gerade von Viktor Orbán bin ich es leid, dass er den europäischen Bürgern auf der Nase herumtanzt. Die Handlungsfähigkeit Europas entscheidet sich daran, ob es uns gelingt, das Prinzip der Einstimmigkeit abzuschaffen. In vielen europäischen Ländern sind inzwischen Rechtspopulisten und Autokraten an die Macht gekommen. Wir müssen uns die Frage stellen: Was würde passieren, wenn in Frankreich 2027 ein rechtspopulistischer Kandidat zum Präsidenten gewählt wird?
Was würde denn passieren? Gerade Deutschland diskutiert immer wieder, ob das Land unter dem französischen Atomschirm Schutz finden könnte.
WEBER: Ein rechtspopulistischer französischer Präsident könnte heute nicht so einfach aus dem Euro aussteigen, wirtschaftlich würde Frankreich in eine schwere Krise rutschen. Die Idee von Helmut Kohl und Theo Waigel damals war, Europa so aufzubauen, dass es nicht rückabwickelbar ist. Die Architektur muss dauerhaft sein. Diese Logik müssen wir auch auf den Bereich der Verteidigung anwenden. Und auch bei der atomaren Frage muss Europa einen gemeinsamen Weg finden. Wir sollen das Angebot von Emmanuel Macron annehmen, Teil des französischen Atomschirms zu werden. Hier müssen endlich Entscheidungen getroffen werden.
Der Wähler fühlte sich betrogen als seinerzeit der gewählte Manfred Weber gegen Ursula von der Leyen ausgetauscht wurde. Heute für jeden Outsider nachvollziehbar.
Weber prescht vor mit dem Vorschlag und diskreditiert damit den amtierenden Bundespräsidenten. Würde diesem höchsten Amt im Staat nicht eine parteipolitisch über ihrer Partei stehende honorige Persönlichkeit gut zu Gesichte stehen wie es Roman Herzog oder von Weizsäcker waren oder wie es Nida Rümeling ist, der zwar in der CDU ist, aber liberale Ideen wie ein Philosoph vertritt. Dies trifft auch auf die honorige SPD-Frau Gesine Schwan zu.
Viele sagen ähnlich wie Weber ... das hätte Europa schon vor Jahren mahren müssen .... . Warum wurde nichts getan? Wieviele Beweise braucht es eigentlich noch, die Unfähigkeit des Bürokratiemonsters EU von A-Z zu dokumentieren?
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden