Manchmal kann die schärfste Waffe süß und klebrig sein. Zumindest hofft das die EU im Handelsstreit mit den USA. Die Auseinandersetzung dürfte in den nächsten Tagen „ohne ein Wunder“ vollends eskalieren, wie es in Brüssel heißt. Und an Wunder glauben sie in Brüssel aus Erfahrung nicht. Zwischen die Fronten des Konflikts gerät ausgerechnet Erdnussbutter. Die zähe Paste steht auf der Liste der Produkte, mit denen die Europäer Vergeltung für die „ungerechtfertigten Handelsbeschränkungen“ üben wollen, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte.
Zwar verschob die Union gerade den Stichtag um zwei Wochen. Erst Mitte April sollen die Zölle auf US-Waren gelten, um damit auf die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren in Höhe von 25 Prozent zu antworten. Ob die aktuellen Verhandlungen aber von Erfolg gekrönt sind, darf angesichts der scharfen Rhetorik im Weißen Haus bezweifelt werden. Diesseits des Atlantiks haben die Europäer deshalb teils exotische US-Produkte im Visier: Jeans, Bourbon Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder, Spielkonsolen, Motorboote und eben Erdnussbutter – die EU will Zusatzabgaben von bis zu 50 Prozent verlangen. Dass es ausgerechnet diese Waren treffen soll, ist kein Zufall. Sie werden vorneweg in Bundesstaaten wie Kentucky, Florida und Wisconsin hergestellt, also in „Trump-Gegenden“, in denen der US-Präsident besonders viele Befürworter hat.
Länder nehmen explizit Luxusprodukte in den Blick
Das Ziel sei es, „politischen Druck aufzubauen und gleichzeitig die ökonomischen Kosten für sich selbst zu minimieren“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Niclas Poitiers von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel. Deshalb habe Brüssel nicht nur Waren ausgesucht, die aus republikanischen Wahlkreisen stammen, sondern auch solche, die mehrheitlich in die Luxuskategorie fallen. Verbraucher sollen im täglichen Leben keine direkte Teuerung spüren. Hinzu kommt, dass es sich um Produkte handelt, für die es auf dem Weltmarkt gute Alternativen gibt. Statt Bourbon stehen Whisky-Alternativen aus Schottland oder Irland zur Verfügung. Und auch Liebhaber des Brotaufstrichs müssen keineswegs nervös Vorräte horten. Erdnüsse könne man aus vielen Ländern importieren, so Poitiers.
Trump wetterte in den sozialen Medien, die EU sei „eine der feindseligsten und missbräuchlichsten Steuer- und Zollbehörden der Welt, die einzig und allein zu dem Zweck gegründet wurde, die Vereinigten Staaten auszunutzen“. Sollten die Zölle nicht sofort aufgehoben werden, würden die USA unter anderem eine 200-prozentige Steuer auf alkoholische Produkte aus Europa erheben. Die emotionalen Drohungen zielen nicht nur auf französischen Wein und Champagner, sondern auch auf italienischen Parmigiano-Käse oder spanisches Olivenöl. Der US-Präsident wählte bewusst Aushängeschilder der Agrarindustrie. Es sei Poitiers zufolge das „Gegenspiel“ zu jenem, das die Europäer spielten. Auch wenn in den meisten EU-Staaten der Anteil der Landwirtschaft unter einem Prozent der Wirtschaftsleistung liege, wüssten die Amerikaner um die Bedeutung der Bauern-Lobby in Europa. „Also macht man Druck auf eine Gruppe, von der man glaubt, dass sie wiederum politischen Druck auf die Entscheidungsträger ausüben kann“, sagt der Wirtschaftsexperte.
Verhängt Trump Zölle auf europäische Autos?
Die Frage bleibt: Lassen sich die Europäer von Washington spalten? Der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), zeigt sich optimistisch, dass das nicht passiert, auch weil Handelspolitik in die Zuständigkeit der EU-Kommission fällt und damit eine einheitliche Antwort leichter scheint. Wirkliche Sorgen bereitet Brüssel allerdings der Blick auf den 2. April. Dann könnte Trump seine Drohung wahr machen und die Liste der europäischen Produkte massiv ausweiten. Er will Zölle präsentieren, die die Automobilbranche, den Maschinenbau-Sektor und die Pharmaindustrie treffen könnten. Die drei Kategorien machen laut Lange 57 Prozent des gesamten Exports in die USA aus. Sollten hier zusätzliche 25 Prozent verhängt werden, spräche man von einem ganz anderen Volumen als bei Champagner oder Parmesan.
Sollte es soweit kommen, würden die Europäer abermals mit Vergeltung reagieren. Die Gegenmaßnahmen könnten ab Mitte April Unternehmen treffen, die US-Agrarprodukte wie Geflügel, Rindfleisch, Nüsse, Eier oder Gemüse in die EU verkaufen. Zudem sind EU-Extrazölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte, Textilien, Lederwaren, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Kunststoffe und Holzprodukte angedacht. Man würde sich vom bewährten Prinzip leiten lassen, sagt Lange: „Den Schaden für uns so gering wie möglich zu halten.“
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