Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Zehn Jahre nach „Wir schaffen das“: Nur eines würde Merkel anders machen

Ex-Kanzlerin

Zehn Jahre nach „Wir schaffen das“: Nur eines würde Merkel anders machen

    • |
    • |
    • |
    Bald zehn Jahre her: Angela Merkel (CDU) lässt sich nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Berlin-Spandau für ein Selfie zusammen mit einem Flüchtling fotografieren.
    Bald zehn Jahre her: Angela Merkel (CDU) lässt sich nach dem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Berlin-Spandau für ein Selfie zusammen mit einem Flüchtling fotografieren. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)

    Würde man Angela Merkels Kanzlerschaft eine Überschrift verpassen, dann wäre ihr Satz „Wir schaffen das“ sicherlich in der engeren Auswahl. Der Ausspruch, der sich in diesen Tagen zum zehnten Mal jährt, wurde in den folgenden Jahren zu einer ebenso große Angriffs- wie Identifikationsfläche. Anlässlich des Jahrestags sprach Merkel nun im WDR erstmals öffentlich mit denjenigen, für die ihr Satz damals ein großes Versprechen war: mit den Geflüchteten selbst.

    Viele Interviewfragen habe sie abgelehnt, sagt Moderator Bamdad Esmaili. Doch ihre Anfrage habe sie angenommen. „Wir sprechen oft über diese Menschen, die damals zu uns kamen“, sagt Merkel, „aber selten mit ihnen.“ Deshalb habe sie die Anfrage von „WDRforyou“, einem Angebot für Geflüchtete, das in drei Sprachen über Migration, Asyl und Integration berichtet, spannend gefunden.

    Angela Merkel spricht mit fünf Geflüchteten aus Syrien, Iran und Afghanistan

    Geladen sind fünf Geflüchtete aus dem Iran, Syrien und Afghanistan, für die Merkels Satz definitiv gilt. Sie haben es geschafft. Sie sind auf unterschiedlichen Wegen nach Deutschland gekommen, haben lange in Sammelunterkünften gelebt, Traumata verarbeitet und Rassismus erlebt. Trotz widriger Umstände haben sie hier studiert, Familien gegründet und sich Berufe gesucht. Es sind Erfolgsgeschichten, wie Moderator Borhan Akid immer wieder betont.

    Narges Tavakkoli ist eine von ihnen. Mit 14 Jahren kam sie gemeinsam mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Deutschland. Zunächst verbrachte sie jede Nacht in einem anderen Kirchenasyl, dann über ein Jahr lang in der Sammelunterkunft am Flughafen Tempelhof, später mehrere Jahre in einer weiteren Flüchtlingsunterkunft. In dieser Zeit ging sie erst in eine Willkommensklasse und machte später das Abitur. „Irgendwie habe ich es geschafft“, erzählt die Studentin, obwohl die Wohnsituation ohne Privatsphäre sie vor besondere Herausforderungen stellte. Erst nach sieben Jahren konnte die Familie eine eigene Wohnung beziehen.

    Merkel: „Ich würde den Satz wieder so sagen“

    Tavakkoli und die anderen sind nicht nur da, um Merkel von ihrer Fluchtgeschichte zu erzählen. Sie wollen auch Fragen stellen. Wieso gibt es für Geflüchtete nicht genügend Wohnraum? Wie können die traumatisierten Menschen angemessen psychologisch betreut werden? Und würde sie, wenn sie zurückkehren könnte ins Jahr 2015, wieder „Wir schaffen das“ sagen?

    Merkel trifft in Berlin nach zehn Jahren Menschen, die während der Flüchtlingskrise eingewandert sind.
    Merkel trifft in Berlin nach zehn Jahren Menschen, die während der Flüchtlingskrise eingewandert sind. Foto: Mirko Polo, WDR/dpa

    „Wenn ich nach 2015 zurückgehen würde, würde ich den Satz wieder so sagen“, erklärt Merkel. Dennoch geht sie mit Entscheidungen während ihrer Kanzlerschaft kritisch ins Gericht. Denn sie fügt gleich an: „Aber wenn ich nach 2013 zurückkehren könnte, dann würde ich alles tun, um die Flüchtlinge im Libanon stärker zu unterstützen und zugleich legale Fluchtwege nach Europa schaffen. Damit am Ende wir entscheiden, wer einreist, und nicht die Schlepper.“

    Viele Geflüchtete waren traumatisiert

    Einen dieser legalen Fluchtwege konnte Akram Al Homsy nutzen, der ebenfalls Teil der Runde ist. Er floh aus Syrien zunächst in den Libanon, wo er vom Flüchtlingshilfswerk UNHCR als besonders schutzbedürftig eingeordnet wurde und deshalb mit seinen Eltern regulär nach Deutschland einreisen konnte. „Als ich in Deutschland ankam, war mein einziger Gedanke, dass ich heute in einem Bett schlafen werde, ohne Angst zu haben“, erzählt er. Doch die Angst verfolgte ihn auch in Deutschland. Später ließ er seine posttraumatische Belastungsstörung psychiatrisch behandeln. Spricht er heute Arabisch, stottere er noch immer.

    Angela Merkel nimmt bei diesem Zusammentreffen immer wieder unterschiedliche Rollen ein. Mal versucht sie, mit den Anwesenden zwanglos Konversation zu betreiben, mal wird sie von den Gästen oder den Moderatoren mit kritischen Fragen konfrontiert.

    Inzwischen hat sich die Union von Merkels Credo abgewandt

    Denn Kritiker werfen Merkel unter anderem vor, mit ihrer Migrationspolitik den Aufstieg der AfD begünstigt zu haben. Heute steht ihr Satz sinnbildlich für eine Flüchtlingspolitik, die sogar ihre eigene Partei um jeden Preis zurückdrehen will. Und das, obwohl die Flüchtlingspolitik bereits unter Merkel vermehrt auf Abschottung und internationale Abkommen setzte. Merkel weist beispielsweise auf den EU-Türkei-Deal hin, der ab 2016 dafür sorgte, dass viele Flüchtlinge in der Türkei blieben. All das habe jedoch Zeit gebraucht, sagt Merkel. Zeit, in der die AfD gehetzt habe. „Aber ich kann deshalb nicht von meinen Werten abrücken.“

    Für alle Anwesenden ist heute klar, dass Deutschland ihre Heimat ist. „Mit Syrien verbinde ich nicht so viele positive Erinnerungen wie mittlerweile mit Deutschland“, sagt Al Homsy. Eine Vergangenheit und eine Perspektive für die Zukunft, Freunde, Hobbys, Familie, Sprache. All das ist wichtig, um anzukommen. „Integration ist ein persönliches Gefühl“, sagt Merkel, „es ist ein langer Prozess, aber es ist wichtig, dass jeder am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann.“

    Diskutieren Sie mit
    5 Kommentare
    Klaus Heiß

    Auch viele Wähler würden heute nur eines anders machen - und zwar ihr Kreuzchen bei der Wahl. Nicht bei der von Merkel erschaffenen AFD, denn die gibt es ia erst seit 2013. Wann müssen wir über diese Frau nichts mehr lesen?

    Willi Dietrich

    Herr Kraus, Frau Merkel,16 Jahre Kanzler, 3 mal wiedergewählt. Jetzt soll sieIhrer Meinung nach "zur Rechenschaft" gezogen werden. Welche Strafe stellen Sie sich vor : vielleicht alles, was nicht-deutsch ist, aus Deutschland abschieben ? Im Gegensatz zu Ihnen sollte man sich bedanken für den sach- liche Kommentar von Frau von der Haar von der Augsburger Allgemeinen.

    |
    Rainer Kraus

    Es geht doch bei den Nachlässigkeiten und dem Fehlverhalten von Frau Merkel nicht nur in der Asyl- oder Zuwanderpolitik.

    Rainer Kraus

    Die Merkel hat es geschafft, ohne für fahrlässiges Handeln und unprofessionelles Regieren zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.

    |
    Richard Merk

    Ich wüsste nicht wer die Merkel zur Rechenschaft ziehen will, außer Ihnen. Kein einziges Gericht drängt sich vor, ganz im Gegensatz zu Dobrindt und Merz. Zumindest bei Dobrindt ist mit ungesetzlichem Handeln zu rechnen und das ist gut so.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden