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Belgien
29.06.2022

Spurensuche in Gent: Wie ein Autor seine Heimatstadt empfindet

Stefan Hertmans ist als Autor in Gent auf die Spurensuche gegangen.
Foto: adobe Stock

Die belgische Stadt Gent hat viele düstere Seiten. Der Autor Stefan Hertmans ist an seinen Wohnort im hippen Szeneviertel Patershol zurückgekehrt und hat ein dunkles Kapitel aufgerollt.

Am Bahnhof wird gebaut, trotzdem ist der Weg zur Straßenbahn nicht zu verfehlen. Aber hier deutet nichts auf das hin, was die Besucher in Gent erwartet. Erst mal schnöder Städtealltag. Wer dann aber ganz unbedarft am Korenmarket aussteigt, traut erst einmal seinen Augen nicht. Diese grandiosen Kirchen, diese beeindruckenden Türme, die schönen, alten Häuserfassaden mit den Treppengiebeln entlang der Leie! Man könnte sich ins Mittelalter versetzt fühlen, wären da nicht die Autos oder eben die Straßenbahn. Gent gilt als das „Manhattan des Mittelalters“. Und es macht seinem Namen alle Ehre. Ich bin einfach hingerissen. Dabei bin ich gar nicht wegen der Stadt gekommen, sondern wegen eines Buches.

Das allerdings spielt in Gent – im letzten Jahrhundert. Stefan Hertmans, schmales Gesicht, graue Locken, Künstlerhände, hat in „Der Aufgang“ die Geschichte eines Hauses geschrieben – seines ehemaligen Hauses im alten Stadtviertel Patershol. Kein stolzes Patrizierhaus, eher ein schmuckloses Arbeiterhaus mit zwei Gesichtern – vorne mit verblichen gelbem Anstrich, hinten zum winzigen Garten raus rostrot. Der Autor hat das Haus längst wieder verkauft, eine Künstlerin wohnt nun darin, die es nicht mag, wenn man ihr und dem Haus zu nahe kommt.

Stefan Hertmanns in Gent
Foto: Lilo Solcher

Doch Hertmans hat das Haus dennoch zur Bühne seines Romans gemacht – mit Anleihen aus Dantes Göttlicher Komödie. Wie Dante und Vergil von der Hölle zum Paradies aufsteigen, steigen bei Hertmans der Notar und der Käufer aus dem nassen, dreckigen Keller in den staubigen Dachboden auf, in den sich eine zerfledderte Taube verirrt hat. Kein Teufel unten, kein Gott oben.

Die Geschichte, die sich hinter den unscheinbaren Mauern verbarg, hat sich dem Autor erst nach seinem Auszug offenbart – nach und nach: „Es war, als spukten plötzlich Gespenster durch die mir so wohlbekannten Zimmer; nur zu gerne hätte ich ihnen einige Fragen gestellt, doch sie gingen ungehindert durch mich hindurch“, heißt es im Vorwort.

Um Antworten auf seine Fragen zu finden, musste er Archive und Gerichtsakten durchstöbern, hat er sich mit Zeitzeugen, Familienmitgliedern und überlebenden Hausbewohnern getroffen. Aus den Erkenntnissen, die er über die Jahre gesammelt hat, hat er seinen historisierenden Roman um den Genter Nationalsozialisten Willem Verhulst und seine Familie gewoben.

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Patershol in Gent ist ein schickes Szeneviertel geworden

Dabei verzichtet Hertmans darauf, allwissender Erzähler zu sein. Lieber mischt er sich unter seine Charaktere – wie ein Reporter. Und wie ein Reporter berichtet er objektiv, lässt auch dem Nazi, der als Kind ein Auge verlor und früh die geliebte Mutter, eine menschliche Seite. Und doch steht dieser Willem Verhulst stellvertretend für jene Kollaborateure, die für ein Leben in Luxus über Leichen gingen.

Dunkle Wolken ballen sich am Himmel über Gent, es sieht nach Regen aus. Das passende Wetter zur düsteren Geschichte. Bevor die ersten Tropfen fallen, bin ich mit dem Autor in der Drongenhof-Kapelle unweit des ehemaligen Hertmans-Hauses. Sie ist einer der eindrucksvollsten Schauplätze im Buch. Heute öffnet die Kapelle hin und wieder für Konzerte.

Die Graffiti-Straße in Gent.
Foto: Lilo Solcher

Jetzt fällt in dem düsteren Raum mit dem Staub bedeckten Boden kaum Licht auf eine zentrale Installation. Es ist eine Pferdeskulptur auf einer Art Altar – ein Schmerzensbild, geschaffen von der Genter Künstlerin Berlinde de Bruyckere. Und schmerzvoll ist auch die Geschichte, die sich dem Autor hinter der schlichten Fassade erschlossen und die er im Buch beschrieben hat. Hertmans zeigt auf eine versteckte Tür, die sich zu einer steilen, von Kisten verstellten Treppe in den Dachraum öffnet. Hier hatten sich während der NS-Zeit Widerständler vor den Nazischergen versteckt und waren selbst zu Mördern geworden.

Im Buch lässt Hertmans seinen Gesprächspartner, einen langjährigen Dekan der Patersholer Gemeinde, das Geschehen rekapitulieren: „Die Widerständler stürzten sich auf die SS-Männer und schnitten ihnen sofort die Kehlen durch. Wohin aber jetzt mit den Halbenthaupteten? Würde man die Leichen finden, käme es zu einer Vergeltungsaktion, bei der vermutlich das ganze Patersholer Viertel zerstört und die halbe Bevölkerung erschossen würde. Was machen die Männer also? Sie werfen die Leichen in den Altarraum hinunter und stemmen ein paar alte Grabplatten auf dem Kirchenboden auf…“ Niemand weiß, in welches Grab sie die Männer gelegt haben. Das alles ist lange her und wird in diesem düsteren, staubigen Kirchenraum doch gegenwärtig.

Wer das Buch liest, erfährt, dass sich das Blatt bald danach wendete und die Kollaborateure zu Verfolgten wurden. Dass Willem Verhulst nach dem Krieg nicht zur Rechenschaft gezogen wurde, sondern sein Leben mit seiner Geliebten genießen konnte. Übrigens auch bei Ferien mit den Enkeln in Anhausen, „einem idyllischen Dorf bei Augsburg“, wo der Alt-Nazi „zu seiner Überraschung auf einige Gleichgesinnte“ traf.

Noch immer sind wir in Patershol. Eine Straßenbahn rattert vorbei. Das Stadtviertel im Schatten der imposanten Grafenburg hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Bis zum Zweiten Weltkrieg hatte es sich vom Militär- und Klostergelände zu einem Wohngebiet für Beamte entwickelt und später zu einem eher vernachlässigten Arbeiterviertel.

Als Hertmans das Haus kaufte, war er ein junger, mittelloser Lehrer, der nur mit Mühe den Kaufpreis aufbringen konnte. „Ich kaufte das Haus aus einem Impuls heraus und für einen Betrag, für den man heute nicht einmal mehr ein mittelgroßes Auto bekommt“, schreibt er im Buch. Heute, sagt er, hätte er sich das Haus, das ihn zu seinem Buch inspirierte, nicht mehr leisten können. Denn Patershol hat sich zu einem hippen Viertel gemausert, mit vielen Restaurants, Kneipen und Cafés. Hier kann man so bodenständig flämisch essen aber auch indonesisch, spanisch, japanisch. Das Gent aus Hertmans Buch versteckt sich hinter schön herausgeputzten Fassaden.

Es wird Zeit, auch mal den Kopf freizubekommen. Ein kurzer Spaziergang und schon ist man in einer anderen Welt, einer kunterbunten. In der Graffiti-Gasse können sich Straßenkünstler austoben, ihrer Fantasie freien Lauf lassen – in bunt und schwarz-weiß. Eine Attraktion für das heutige, das trendige Gent.

Hinuntersteigen zum lebensprallen Genter Altar

Doch der Name der Stadt wird vor allem mit einem Kunstwerk in Verbindung gebracht, dem Genter Altar. Wer ihn sehen will, muss in der St.-Bavo-Kathedrale und dort hinuntersteigen in die Kapelle unter dem Nordturm. Hinter Panzerglas und bei künstlichem Licht wirkt van Eycks Paradies nach der gründlichen Restaurierung geradezu lebensprall.

Ein Brunnen sprudelt, es blüht und grünt, der Heilige Geist schwebt als Taube im Sonnenball. Und im Hintergrund unverkennbar die Silhouette von Gent mit dem Belfried, dem stolzen Unesco-Weltkulturerbe aus dem 14. Jahrhundert. In der arkadischen Landschaft strömen die Menschen zusammen, um das mystische Lamm Gottes anzubeten. Wer genau hinschaut, kann erkennen, dass das Lamm vier Ohren hat – das Ergebnis einer Übermalung. Denn dieser Altar hat eine abenteuerliche Irrfahrt hinter sich. Er wurde verschleppt, verkauft und beinahe zerstört. Während des Zweiten Weltkriegs brachten die Nazis die Altartafeln ins österreichische Salzbergwerk Altaussee. Die von Hitler befohlene Sprengung des Bergwerks verhinderten einige mutige Männer. So konnten die Tafeln zurückkommen nach Gent.

Doch zurück zu Stefan Hertmans, dem Haus in Patershol und dessen Geschichte. Nur vordergründig handelt der Roman von einem flämischen Nazi und der Tragödie einer Ehe, sagt der Autor. Im Hintergrund gehe es „um eine alte flämische Wunde“: das Gefühl, in dem „als einsprachiger romanischer Staat gegründeten Belgien“ an die Wand gedrängt zu werden. Das gäbe es noch heute, ist Hertmans überzeugt. Er sieht sich als Belgier und als Flame.

Es ist Abend geworden. Und die Stadt leuchtet. An der Uferpromenade Graslei sind die Freiluft-Cafés gut besetzt, junge Leute sitzen auf der Mauer oder flanieren über die Brücke. Alles ist erleuchtet, der Stuck, die Giebel, die Fenster. Die schönsten Gebäude stehen im dunklen Fluss Kopf. An einem solchen Abend entwickelt diese Stadt eine fast magische Anziehungskraft.

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