Derzeit genießt die Deutsche Bahn nicht den besten Ruf. Um sie zu privatisieren, wurde sie kaputtgespart. Ende 2016 zum Beispiel stellte sie alle Schlafwagenverbindungen ein. Zu aufwendig und unrentabel. Diesen Entschluss könnte die DB inzwischen bereuen, denn die Klimadebatte erinnert viele daran, dass Bahnfahren zwar nicht das schnellste, aber ein nachhaltiges Reisemittel ist. Liege- und Schlafwagen gibt es zwar weiterhin, nur halt eben nicht mehr von der Deutschen Bahn. Wer einen Blick auf Europas Bahnnetz wirft, der stellt fest, dass er im Schlaf ziemlich weit kommen kann. Hier sind sechs besonders attraktive Schlafwagen-Verbindungen.
Berlin-Wien: Im Gegensatz zur DB hat das österreichische Pendant ÖBB immer am Nachtzug festgehalten und 2016 das Kontingent der DB übernommen. Deswegen frotzelt der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic: „In Deutschland schläft die Bahn, in Österreich der Kunde.“ Inzwischen nennt die Österreichische Bundesbahn ihre Schlafzüge schick „Nightjet“ und verbindet damit zahlreiche Metropolen von Belgien über Deutschland, Italien, Österreich bis zur Schweiz miteinander. Der Klassiker darunter ist die tägliche Strecke zwischen Berlin und Wien in knapp zwölf Stunden über Wroclav (Breslau). Der Zug fährt in Berlin-Charlottenburg um 18.22 Uhr ab und läuft am nächsten Morgen um sieben Uhr am Wiener Hauptbahnhof ein – gerade rechtzeitig genug, um im nächsten Kaffeehaus ausgiebig zu frühstücken.
London-Fort William: Großbritannien hat eine Größe, die kaum Schlafwagen notwendig macht. Folglich gibt es im Vereinigten Königreich nur zwei Routen, auf denen Nachtzüge verkehren. Bekannt ist vor allem der Caledonian Sleeper, der von der Londoner Station Euston gegen 20 Uhr ablegt und nach rund zwölf Stunden nahe des höchsten Berges des Königreiches, dem Ben Nevis in Schottland, ankommt. Wer schon vor zehn Uhr morgens wach ist, genießt eine Fahrt durch die Weite der Highlands. Es gibt drei unterschiedliche Schlafabteiltypen: Stockbetten-Abteile für zwei mit und ohne eigene Toilette sowie Abteile mit Doppelbetten und Bad.
Paris-Venedig: Einsteigen in einer der schönsten Metropolen der Welt – Paris – und aussteigen in einer der romantischsten Städte auf dieser Erde – Venedig! Der italienische Thello verkehrt auf einer der populärsten Routen Europas. Um 19.15 Uhr geht es am Gare de Lyon los, dann über Dijon und entlang der Alpen über Verona, bis der Zug um 9.53 Uhr in Venezia Santa Lucia einläuft. Der Thello ist einfach ausgestattet. Es gibt Liegewagen mit sechs bzw. vier Pritschen sowie Schlafabteile mit drei Betten plus Waschgelegenheit sowie zwei Betten mit Bad/WC. Die Tarife beginnen ab 29 Euro. Wem die Abteile nicht komfortabel genug sind, der hat zu ausgesuchten Terminen die Möglichkeit, die gleiche Route mit dem Venice-Simplon-Orient-Express in historischen Waggons inklusive mehrgängigem Abendessen zu fahren. So exklusiv diese Bahn ist, so exklusiv sind auch die Preise: ab 3000 Euro.
Berlin-Moskau: Einen Vorgeschmack auf die Transsib bekommen alle, die den Paris-Moskau-Express nehmen. Der moderne Zug mit Speisewagen verkehrt einmal pro Woche. Die gesamte Streckenlänge beträgt 3483 Kilometer, und da die russische Bahn (RZD) unter anderem am Berliner Hauptbahnhof hält, kann man jeden Freitagmorgen um 7.26 zusteigen und kommt rund 30 Stunden später in Russlands Hauptstadt an. In Brest, Weißrussland, dauert der Aufenthalt mit zwei Stunden etwas länger wegen der Umspurung auf russische Gleisbreite. Neben den Zwei- und Vier-Bett-Liegewagen bietet RZD Schlafwagen mit richtig luxuriösen Ein- und Zwei-Bett-Abteilen, die jeweils über eine eigene Dusche und Toilette verfügen.
Madrid-Lissabon: Seit 1945 gibt es die Nachtexpress-Verbindung zwischen den beiden Hauptstädten auf der Iberischen Halbinsel. Sie hat einige Veränderungen hinter sich und nennt sich inzwischen Trenhotel Lusitania. Dabei handelt es sich um ein rollendes Budget-Hotel ohne Speisewagen, aber mit einer einfachen Cafeteria. Der Zug der Talgo-Klasse stammt aus den 80er-Jahren und bietet Liegewagen mit Vierer-Belegung sowie Schlafwagen der ersten und zweiten Klasse, wobei die erste Klasse über eine eigene Toilette verfügt. Der Zug fährt täglich vom Madrider Bahnhof Chamartin um 21.43 Uhr ab und kommt zehn Stunden später in Lissabon Santa Apolónia an.
Berlin-Malmö: Der Berlin Night Express ist die einzige direkte Bahnverbindung zwischen der Bundesrepublik und Schweden. So direkt, dass der Zug ein besonderes Abenteuer bietet: nämlich die Verlegung ab Sassnitz bis Trelleborg auf die Fähre und eine vierstündige Reise über die Ostsee. Der Express verkehrt nur saisonal zu den klassischen Ferienzeiten, Ostern und Pfingsten sowie täglich vom 22. Juni bis zum 30. August. Um 19.25 Uhr geht’s am Berliner Hauptbahnhof los und um 7.30 Uhr ist Ankunft in Malmö. Es gibt nur Liegewagen mit jeweils sechs Betten, die entweder einzeln oder abteilweise (für Gruppen) gebucht werden können.
Tipps: Für möglichst günstige Tickets reserviert man am besten so früh wie möglich. Mindestens drei Monate im Voraus sind sinnvoll, weil die Zahl der Schlaf- und Liegewagen begrenzt ist und die begehrten Zweier-Abteile mit eigener Toilette schnell belegt sind.