Pfeilschnell schießt das Touristenboot über die sanften Wellen, die Passagiere klammern sich an die Reling, der Wind pfeift in den Ohren, die Haare fliegen. Meterhoch schießt die Gischt hinter den drei starken Außenboardern, als Kapitän Rashid seiner Crew ein Zeichen gibt: Hier werden wir ankern.
Wenige Seemeilen vor der Hauptstadt Manama des Königreichs Bahrain erinnert nichts mehr an das geschäftige Treiben. In weiter Ferne sind die mächtigen Hochhäuser zu einem fahlgrauen Streifen am Horizont geschrumpft. Hier draußen ist der Persische Golf nur etwa zwei Meter tief. Dunkelgrüne Pflanzen und Punkte zeichnen sich auf dem hellsandigen Meeresgrund ab. Rashid kennt sich hier aus. Er trägt das Wissen vieler Generationen von Menschen in sich, die dem Inselstaat Bahrain seit Jahrhunderten zu Wohlstand verholfen haben. Am Meeresgrund liegt noch immer ein Schatz, der geborgen werden kann: Perlen.

Der drahtige Mittvierziger will jedoch zuerst prüfen, ob die See hier sicher ist. Manchmal gibt es starke Unterströmungen, die einen schnell abtreiben können. Rashid trägt ein langärmeliges Schwimmshirt und Badehose. Er zieht Taucherbrille und Schnorchel auf, dann lässt er sich vorsichtig ins Wasser gleiten.
In Kreisen umschwimmt er das Boot und erkundet dabei die Strömung und den Seegrund. Dann formt seine offene Hand mit Daumen und Zeigefinger das Okay: Das Wasser ist sicher.

Muhammad will nicht, „es ist viel zu kalt“, sagt er. Der Ägypter verdient seinen Lebensunterhalt als Touristenguide. Im Winter schwimmt er für gewöhnlich nicht. Doch er kommt nicht aus, er muss vormachen, dass es ungefährlich ist, gefühlt mitten auf dem Meer. Er bekommt Schnappatmung – dabei hat das glasklare Wasser warme 27 Grad. Die Sicht ist perfekt. Am Meeresgrund flitzen kleine Fische zwischen den Gräsern, die an den dunklen Steinen festgewachsen im Rhythmus der Wellen tanzen. Elegant bewegt sich Rashid zwischen diesen Pflanzen, sein Körper zeichnet sich von der Wasseroberfläche aus als dunkler Schatten vor dem hellen Sandgrund ab. Dann schießt er nach oben in die Luft und zeigt seinen Fang: ein Netz voller Austernmuscheln.
Seit Jahrhunderten wird nach ihnen im Persischen Golf getaucht. Nicht als Delikatesse, sondern als „Kinderstube“ der Perlen sind sie von Interesse. Das Öffnen der Austern wird von vielen Familien als traditionelle Zusammenkunft gefeiert. Dann liegen Berge der fangfrischen Muscheltiere bereit, ihr Geheimnis zu offenbaren.
Generationen haben hier ihren Lebensunterhalt mit Perlen verdient
Auch Rashid will den Gästen seiner Bootstour zeigen, womit Generationen ihr Geld verdient haben. Doch zuerst geht es noch etwa 20 Minuten hinaus in die unendlich erscheinenden Weiten des Ozeans. Auf dem GPS-gesteuerten Bildschirm seines Navigationssystems ist das Schnellboot als kleiner Punkt zu erkennen, der sich auf der Karte einem schmalen Umriss nähert: Dem Jarada-Island – was übersetzt die verschwundene Insel bedeutet. Aus der Ferne tauchen drei weitere Boote auf, im Hintergrund ein kleiner Leuchtturm. Jarada ist eine schmale, gewundene Sandbank, die bei Ebbe zu einer Ausflugsinsel wird.

Flotte Beats schallen über die mehrere Hundert Meter lange Teilzeit-Insel. „Wir sind hier direkt auf der Grenze zu Katar“, sagt Rashid. Vor allem am Wochenende wird es eng, kommen Boote mit Familien oder Feiernden aus allen Richtungen auf das Eiland. Die Kapitäne grüßen sich freundlich. Eilig wird in höflichem Abstand ein Pavillon aufgebaut, um Schatten vor der unerbittlich scheinenden Sonne zu spenden. Anders als in der Hauptstadt, ist die Luft hier klar, Sonnencreme für die helle Touristenhaut ein Muss. Doch selbst Lichtschutzfaktor 50 spendet nicht lange Schutz. Zu verlockend ist es, in das flache Wasser zu tauchen und im feinen Korallensand zu liegen. „Hier draußen ist das Paradies“, sagt Muhammad, der schon viel von der Welt gesehen hat.
Baden, Perlentauchen und Austern Grillen in Bahrain
Während Rashid seine Schätze vom Meeresgrund herausholt, baut sein Team den mitgebrachten Grill auf und bringt die Holzkohle zum Glühen. Unter gebannten Blicken werden die Austern mit einem stabilen Messer geknackt. In dem Moment, als die Klinge den schmalen Rand der Kalkmuschel berührt, klappen die beiden Hälften mit einer derartigen Kraft zusammen, dass sich das Messer nicht mehr abziehen lässt. Mit geschickten Bewegungen gelingt es, den Muskel zu durchtrennen, dann klappen die beiden Schalen auseinander. Die gallertartige Masse der Auster wird nun akribisch untersucht, ob sich eine kleine Perle darin versteckt. „Einmal hatte ich schon großes Glück“, sagt Rashid. Da schenkte ihm eine Auster eine Perle, die er für 7000 Dinar (etwa 17.500 Euro) an einen Händler verkaufen konnte.
Der Handel unterliegt auch heute noch der staatlichen Kontrolle. Keine Perle darf das Land ohne Zertifikat verlassen. Nur so ist die Echtheit und die Herkunft gewährleistet. Der Preis hängt von vielen Faktoren ab. Messbare wie Größe, Form, Farbe oder Reinheit. Mancher Juwelier wartet viele Jahre lang, bis er endlich alle Perlen für eine Kette in einer bestimmten Farbe erwerben konnte. So ein ausgefallenes Stück wird dann auch gerne für sechsstellige Summen gehandelt.

Auch wenn die Austern an diesem Nachmittag leer bleiben – auf dem Grill werden sie zur Delikatesse. Die Sonne neigt sich schnell gen Horizont, als das Boot wieder Richtung Manama aufbricht. Als glutroter Ball versinkt sie hinter der Skyline von Manama. Rashid schaltet die Motoren aus, um dem anmutigen Schauspiel der Natur respektvolle Ruhe zu verleihen. Kaum ist die Sonne verschwunden, beginnt die Hauptstadt zu leuchten. Zahllose Lichter heben sich vor dem Nachthimmel ab. Noch eine kurze Schleife, dann läuft das Boot wieder in den Hafen von Muharraq ein.
Am Tag erzählt die Altstadt auf dem „Perlenpfad“ die Geschichte des Perlentauchens. Seit 2012 ist er Bahrains zweite Unesco-Welterbestätte. 17 Gebäude wurden in der ehemaligen Hauptstadt des Königreichs aufwendig restauriert. Sie erzählen die Geschichte von Familien, die es mit dem Perlentauchen zu Wohlstand gebracht hatten. Altstadthäuser aus Sand- und Korallenstein mit kleinen Wohnungen bilden beidseitig schattenspendende, schmale Gassen. Hier scheint die Zeit stehen geblieben. Nur die Wassertanks und abenteuerlich verlegten Stromleitungen an den Fassaden verorten die Gegenwart. Kleine Tankfahrzeuge liefern hier Wasser an. Leitungen gibt es nicht. Hinter den abdunkelnden Fensterläden dringen die Stimmen des arabischen Alltags. Im alten Al Ghus-Taucherhaus sind alte Taucherausrüstungen ausgestellt. Die Tauchgänge waren kraftraubend. Fotografien zeigen ausgemergelte Körper, von Sonne und Salzwasser gegerbte Gesichter – alt wurden diese Menschen nicht.
Öl und Gas brachten Bahrain den Wohlstand
1931 wurde in Bahrain die erste Ölquelle der Golfstaaten entdeckt, ein Jahr später erst in Saudi Arabien. Damit kam der neue Wohlstand. Noch heute hat das Königreich die größten Gasvorkommen im Persischen Golf. Mit Gas lässt sich Geld verdienen – viel Geld. Und der Hunger nach dem Rohstoff ist groß. Das Königreich profitiert auch von der Krise mit Russland, auch Deutschland hatte sich Gasmengen aus dem Persischen Golf gesichert, damit es in deutschen Stuben warm bleibt. Die USA hat 7000 Soldaten stationiert. Ein wichtiger Brückenkopf für die Einsätze in der Region – und zugleich Schutzmacht gegen allzu gierige Staaten.
Bahrain ist längst zum bedeutenden Finanzplatz aufgestiegen, gilt als die „arabische Schweiz“. Alle wichtigen Banken der Welt sind vertreten, auch die Nationalbank von Kuwait. Die Börse und das Welthandelszentrum gehören zu den markanten Hochhäusern in Manama, immer mehr Bauten schießen in den Himmel. Doch der Platz wird knapp auf der Insel. Künstliche Inseln werden dem Meer abgerungen. Ein Vorzeige-Milliardenprojekt ist das Durrat Al Bahrain im Süden, wo 14 künstliche Inseln eine neue Landfläche von 21 Quadratkilometern formen. Satellitenbilder zeigen die pittoresken Formen dieser geschaffenen Landfläche. Dort sollen künstliche Oasen für die Reichen entstehen, ein eigener Kosmos in der Wüste.

Dieser Gegensatz ist auch in Manama stets präsent. Namhafte Hotelketten buhlen um die schönsten Gebäude. Hochhäuser sind teilweise wie Skulpturen geformt. Architektonische Baukunst im Buhlen um die Gäste. Die besten Hotels – wie das doppeltürmige „Four Seasons“ – engagieren die besten Köche der Welt. So gibt der österreichische Spitzenkoch Wolfgang Puck dem hauseigenen Restaurant „Cut“ seine unverwechselbare Note. Auf der Terrasse des Gourmet-Tempels schweift der Blick bei einem Glas Wein über die Hafenbucht zur lang gestreckten Mall „The Avenues“. Hinter verspiegelten Fassaden versprechen mehr als 100 Geschäfte, Cafés und Entertainment ein kühles Einkaufserlebnis. Voll klimatisiert mit viel Tageslicht und Blick auf die Skyline. Eine von vielen Malls, die sich noch im Aufbau befindet. Etwa 1,5 Kilometer lang soll sie werden.
Weitaus wohler fühlt sich Touristenführer Muhammad aber in den alten Souks der Stadt. Hier ist die arabische Welt greifbar, gibt es alles, was der Alltag und das Herz begehren. In der legendären „Haji’s Cafe Bakery“ wird Fladenbrot an den Wänden des Tonofens über lodernden Flammen gebacken. Dazu gibt es typisch arabische Speisen – ein reich gedeckter Tisch mitten im trubeligen Treiben. Zu Preisen, die sich auch Beschäftigte mit Durchschnittsverdienst leisten können. Denn der reiche Schein der Hauptstadt hat auch eine andere Seite: Mehr als die Hälfte der 1,5 Millionen Einwohner sind Gastarbeiter, die vor allem den Dienstleistungssektor aufrecht erhalten. Ihr Monatseinkommen liegt weit unter den Menschen, die für den Finanzbereich arbeiten. Ihnen bleibt in der glitzernden Welt Manamas nur die Rolle des Zuschauers. Mittendrin sind die Saudis, die jeden Donnerstagabend mit ihren teuren Sportwagen über die 25 Kilometer lange Brücke nach Bahrain kommen, um dort ein langes Wochenende zu feiern. Ausgelassen in den zahlreichen Klubs, ohne islamische Reglementierungen. Im Königreich lebt es sich freier, mit Alkohol und ohne Schleier. Etwa drei Viertel der Einwohner (einschließlich Gastarbeiter) bekennen sich zur Staatsreligion Islam. Es gibt 1000 Moscheen, 20 Kirchen und eine Synagoge in Bahrain.
Auch dieser Gegensatz macht den Reiz dieser Urlaubsdestination aus. Auf dem Weg nach Asien liegt die Insel in der Mitte. Der Flughafen soll sich zur Drehscheibe entwickeln. „Bahrain is good for one week“, sagt Ali Hussain Mushaima, der Herausgeber des Buches „101 Things to see & do in Bahrain“. Zeit genug, um einen Schatz zu heben. Oder eine Perle. Vielleicht auch nur eine köstliche Auster.
Der Autor recherchierte auf Einladung der staatlichen Bahrain Tourism and Exhibitions Authority.
Wissenswertes zu Bahrain
Die Insel: Das Archipel aus 33 Inseln liegt im Persischen Golf zwischen Saudi Arabien und Katar. Fläche: 760 Quadratkilometer (Länge circa 51 Kilometer, Breite circa zehn km). Einwohner: etwa 1,5 Millionen. Hauptstadt: Manama. Staatsform: Seit 2002 konstitutionelle Monarchie (König: Hamad bin Isa Al Khalifa). Seit der Antike wichtige Station auf internationalen Handelsrouten. Ab 1971 unabhängig (vorher: britisches Protektorat)
Beste Reisezeit: Zwischen Oktober und April liegen die Temperaturen zwischen 20 und 33 Grad – Sonnen- und Badegarantie. Mindestens sieben Sonnenstunden pro Tag.
Anreise zum Beispiel mit Gulf Air, der nationalen Fluggesellschaft des Königreichs Bahrain. Ab München etwa sechs bis sieben Stunden Flug bis Bahrain International Airport. Kosten: circa 700-800 Euro für Hin- und Rückflug; günstigere Flüge ab 350 Euro mit Zwischenstopp, z.B. mit Ajet oder Pegasus (über Istanbul, Reisedauer: zehn bis elf Stunden).
Einreise: Voraussetzung ist ein Reisepass, der bei Einreise noch mindestens sechs Monate gültig ist. Vor der Einreise muss ein Visum beantragt werden – am einfachsten online über die offizielle Seite eVisa Bahrain: www.evisa.gov.bh.
Unterkünfte: Bahrain bietet eine Vielzahl an Hotels in allen Preisklassen. Beispiel: Hotel Hilton Garden Inn (an der Bahrain Bay in Manama gelegen): King Room (Standard) 150 bis 250 Euro. Einfache Unterkünfte ab etwa 30 Euro pro Nacht. Während Formel-1-Rennen verdoppeln sich die Preise auf der Insel.
Währung: Bahrain-Dinar (BHD) sind teuer. 1 BHD = 2,5 Euro. Der BHD ist nach dem Kuwait-Dinar (1 KWD = 3,1 Euro) die zweitteuerste Währung der Welt.
Formel 1: Der Große Preis von Bahrain auf dem Bahrain International Circuit wird vom 11. bis 13. April 2025 ausgetragen. Infos: www.bahraingp.com
Kontakt: www.bahrain.com
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