An diesem Morgen stapeln sich an der Talstation am Hintertuxer Gletscher keine Ski- und Snowboardfahrer sondern leere Mülltonnen, Getränkekisten und Wagen bis zum Rand gefüllt mit Obst, Salatköpfen und Gurken. Weil draußen der Wind teils mit 90 km/h über den Berg peitscht, haben sich heute nur wenige Wintersportler ins Skigebiet verirrt. Was Menschen, Skier und Boards normalerweise verdecken und was sich sonst nahezu unbemerkt zu den Gästen in die Gondel schmuggelt, steht heute im Rampenlicht: Lebensmittel, die zur Versorgung der Ski-Gäste auf die drei Restaurants entlang der Pisten des Hintertuxer-Gletschers verteilt werden.
Das Tuxer Fernerhaus ist 2013 teilabgerissen und neu aufgebaut worden
Ein Mann mittleren Alters hantiert an diesem Morgen mit einem Hubwagen und bugsiert gekonnt verschiedene Paletten in die Gondeln. Er wirkt routiniert in seinem Tun und weiß genau, wie er belädt, ohne die Skibetrieb unnötig zu stören. „Die Bergbahn ist nicht nur für die Beförderung der Gäste da, sondern auch kleines Logistikzentrum auf mehreren Ebenen“, erklärt Bernhard Kofler. Er ist Leiter Gastronomie der Zillertaler Gletscherbahn, zu deren Unternehmensfamilie neben dem Hintertuxer Gletscher, die Tiroler Zugspitze und vier weitere Tiroler Skigebiete gehören. Von Montag bis Freitag müssen die Waren, die die drei Hütten im Skigebiet mit Lebensmitteln, Getränken und allem anderen Notwendigen versorgen, auf den Berg. Weil das im Winter nicht mittels eines Lkws möglich ist, braucht es die Gondeln. Ware, die zum Tuxer Fernerhaus muss, muss zwei Mal umgeladen werden und mehrere Mitarbeitende koordinieren die Auffahrt.

Zusammen mit Salat, Gurke und Getränken hat sich heute auch Bernhard Kofler auf den Weg ins Tuxer Fernerhaus gemacht. Es ist mit 3000 Plätzen (inklusive Terrasse) die größte Hütte auf dem Gletscher. Normalerweise herrscht an Wintertagen um die Mittagszeit Hochbetrieb. Zwischen 5500 und 6000 Essen werden in der Skisaison an Spitzentagen ausgegeben. Menschen in Skimontur wippen dann im typischen Skischuh-Gang und bestückt mit vollen Tablettes an Geschirrwagen und anderen Gästen vorbei. An der Bedientheke werden an solchen Tagen etwa 200 Liter Gulaschsuppe ausgegeben und es herrscht ein umtriebiges Stimmengewirr, in das sich alpenländische Musik mischt. Aber heute? Nur wenige Ski- und Snowboardfans haben sich durch Wind und Nebel nach oben gekämpft. Von emsigem Betrieb keine Spur. Stattdessen ist es ungewöhnlich ruhig, an einem der Tische wird Karten gespielt. Es herrscht sprichwörtlich die Ruhe vor dem Sturm, der draußen tobt.
Stapelweise Knödel und Apfelstrudel
Bernhard Kofler und seinem Team verschafft das eine unverhoffte Verschnaufpause. So schlechtes Wetter gibt es selten. Dafür bleibt Zeit darüber zu sprechen, wie Das Tuxer Fernerhaus, das 2013 für rund 15 Millionen Euro teilabgerissen und neu aufgebaut worden ist, funktioniert. Bernhard Kofler lädt zum Blick hinter die Kulissen der moderne Gastronomielandschaft mit ihrer breiten kulinarischen Vielfalt. Oder besser gesagt, er führt in den Untergrund.
Neben den Flächen, die den Gästen zur Verfügung stehen, hat das Tuxer Fernerhaus nämlich noch vier weitere Etagen, die sich für Außenstehende unsichtbar nach unten in den Berg ausbreiten. Gerhard Kofler steigt die Stufen hinunter, hinaus aus der gemütlichen Hüttenwelt in den kalten Berg. Er öffnet eine erste Türe. Zu sehen sind zahlreiche Fässer und Leitungen. „Von hier aus sind die Getränkefässer mit den Zapfanlagen im Restaurant verbunden“, erzählt der sympathische Mann. Und damit am Zapfhahn kein Gast nur Luft ins Glas füllen kann, sorgen permanent zwei bis drei Mitarbeitende dafür, dass die leeren Fässer rechtzeitig getauscht werden und auch sonst ausreichend Verpflegung an der richtigen Stelle vorhanden ist. Was Kofler damit meint, wird nur weniger Meter weiter in einem der begehbaren Kühlschränke deutlich. Mit einem Dreh am großen schwarzen Hebel öffnet Kofler den Zugang zum hauseigenen Schlaraffenland. Luftdicht verpackt lagern hier stapelweise selbstgemachte Knödel und Apfelstrudel. Einfach reinlegen und rausnehmen, wie es einem beliebt, geht aber nicht. „Wir müssen so lagern, dass Vorräte für mehrere Spitzentage reichen“, erklärt der Experte. Gleiches gelte für die anderen Lagerräume in den Untergeschossen.

Lange liegen bleiben vorbereitete Speisen nicht. Kofler erinnert noch einmal an die 5500 bis 6000 Essen, die während der Skisaison an Spitzentagen im Tuxer Fernerhaus ausgegeben werden. Weil der Gletscher ein Ganzjahresskigebiet ist und auch Sommergäste kommen, ist das Küchenteam an 365 Tagen im Jahr gefordert. Jährlich werden rund drei Tonnen Knödelmasse für rund 30.000 Knödel gebraucht. Dazu kommen sieben Tonnen Kartoffeln, 2,2 Tonnen Nudeln, 10 Kilometer Apfelstrudel (würde man alle Stücke aneinanderlegen) und 60.000 Liter Bier. 40 Mitarbeitende aus zehn Nationen sind im Einsatz. Viele von ihnen wohnen in Mitarbeiterstudios direkt in der Skihütte und sind ganzjährig beschäftigt. An diesem Tag, wo es stürmt und kaum Gäste kommen, ist ebenfalls nicht frei. Die Köche nutzen die Gelegenheit, die Einlage für die Pfannkuchensuppe der nächsten Tage vorzubereiten. Natürlich auch hier in großen Mengen. Deshalb unterstützt eine spezielle Maschine den Prozess. Sie bietet eine große quadratische Fläche, um viel Teig auf einmal auszubacken. Später wird dieser per Hand gerollt und maschinell in kleine Streifen geschnitten.
In Tux gibt es die längste Skisaison Österreichs
Während die Zutaten für den Pfannkuchenteig mit der Gondel auf den Berg kommen, muss das Trinkwasser, auf anderen Wegen die Hütte erreichen. „Auf dem Berg gibt es neun Quellen, aus denen das Wasser hierher gepumpt wird“, erklärt Kofler auf dem Weg zum nächsten unterirdischen Raum. 70.000 Liter werden im Winter allein im Tuxer Fernerhaus täglich verbraucht. Nach einem kurzen Blick auf weitere Lebensmittelnlager, eine Garage für Pistenbullis und einen Lagerplatz für 350 Tonnen Pallets, öffnet Kofler die Türe zu den großen Wasserbassins, in denen 50.000 Liter Trinkwasser und 200.000 Liter Nutz- und Löschwasser gebunkert sind. Viele Maschinen und Anlagen am Berg seien doppelt vorhanden und abgesichert. „Im Fall eines Ausfalls können wir keine Zeit verlieren, indem wir auf den Techniker warten, der evtl. aus Innsbruck anfährt“, so Kofler.

Während er auf der Hütte in seinem Element ist, zeigt draußen weiter die Natur ihre Macht. Die Bahn ganz nach oben zur Gletscherspitze ist wegen anhaltender Sturmböen nicht in Betrieb und der Hüttenbetrieb endet heute früher als sonst. Vom Tuxer Fernerhaus abwärts sind deshalb am frühen Nachmittag im trüben Grau immer wieder einzelne Skifahrer auszumachen, die sich nach dem Mittagessen auf ins Tal machen. Statt mit den widrigen Umständen zu hadern, entpuppt sich manch einer unten angekommen aber dennoch als Fan des Skigebiets. Am Ende des Zillertals gelegen bietet Hintertux 21 Liftanlagen mit 64 Kilometern überwiegend breiten und langen Abfahrten in allen Schwierigkeitsstufen. In Tux gibt es dazu die längste Skisaison Österreichs: Theoretisch ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Nach dem 4. Mai begrenzt sich der Skibetrieb allerdings auf das Gletscherskigebiet. Im Sommer hängt der Skibetrieb von der Nachfrage und dem Wetter ab. Dann ist die Auffahrt zum Gipfel nur noch für Fußgänger möglich. Wanderer und Ausflugsgäste machen im Sommer rund 95 Prozent der Besucher aus.
Nach Ostern ist in Tux die beste Gletschersaison
An Sommer wollen die Skifahrer aber heute nicht denken, stattdessen checken sie an der Talstation die Wetteraussichten für den kommenden Tag. „Sonne“, murmelt einer und lächelt. Darauf spekuliert auch Hermann Erler, Geschäftsführer des Tourismusverbands Tux-Finkenberg. Allerdings mit anderem Hintergrund. Gletscher-Skifahren habe seinen Reiz, erzählt er am Abend im Tal. Durch die hohe Lage sei vielfach und lange das Fahren auf Naturschnee möglich. Dazu bekomme man vom Gipfel aus an vielen Tagen einen beeindruckenden Panoramablick über mehrere Dreitausender geboten. „Die beste Zeit für den Skiausflug nach Hintertux ist der Gletscherfrühling nach Ostern“, gibt Erler einen Tipp. Dann sei es nicht mehr so kalt, der Schnee noch immer gut, es sei weniger los und die Preise günstiger. Ab diesem Jahr wird im Gletscherfrühling erstmals auch eine Führung hinter den Kulissen des Tuxer Fernerhaus angeboten. Dann dürfen auch Gäste sehen, welche Logistik hinter dem Betrieb einer Skihütte steckt, treffen vielleicht Bernhard Kofler und kommen in den Genuss von einem der 30.000 Knödel.
Die Autorin recherchierte auf Einladung der Ferienregion Tux-Finkenberg.
Kurz informiert
Anreise: Hintertux liegt am Ende des Zillertals. Zu erreichen ist das Skigebiet über die Inntalautobahn A12 bis Ausfahrt Zillertal, danach Richtung Zillertal ca. 50 km taleinwärts. An der Bahn stehen kostenlose Parkplätze zur Verfügung. Von Mayrhofen aus fahren auch Busse hinauf zum Gletscher.
Skiverleih: Auf dem Weg zum Gletscher gibt es in den einzelnen Orten mehrere Sportgeschäfte, in denen passende Skiausrüstung geliehen werden kann. Direkt an der Bergstation gibt es ein Sportgeschäft im Hotel Neuhintertux, das ebenfalls einen Verleihservice bietet.
Skipass: Die Tageskarte kostet für Erwachsene 76 Euro, Jugendliche zahlen 61 Euro, Kinder 34,50 Euro.
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