Tobias Schlegl ist kein Wanderfreak und doch ist er mit seiner Mutter 40 Tage lang und über 700 Kilometer auf dem Jakobsweg gewandert. Warum er sich das antut? Er tat’s für seine Mutter und er hat es nicht bereut. Denn der Jakobsweg hat zwar beide an ihre Grenzen und manchmal auch darüber hinaus gebracht, er hat aber für auch neues Vertrauen zwischen Mutter und Sohn gesorgt.
Schnell muss der Notfallsanitäter Tobias Schlegl feststellen, dass diese lange Wanderung herausfordernder wird, als er gedacht hat. Die Übernachtungen in überfüllten und wenig gastfreundlichen Hostels tragen dazu ebenso bei wie das Wetter und die Wegbeschaffenheit. Aber auch die eigene Stimmung wechselt.
„Der Jakobsweg produziert extreme Stimmungsschwankungen“
Beschert der eine Tag ein Stimmungshoch, kann der Start in den nächsten schon von schlechter Laune begleitet sein: „Der Camino provoziert extreme Stimmungsschwankungen. Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? … Alles ist ambivalent, wie die Strecke eine große Wellenbewegung.“
Mal sind sich Mutter und Sohn so nah wie seit Jahrzehnten nicht, dann streiten sie wieder über Kleinigkeiten. Mal haben sie das Gefühl, der Weg mache die Menschen freundlich und zugewandt, dann wieder fühlen sie sich fehl am Platz. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, das Tobias Schlegl so ehrlich wie möglich schildert. Und trotzdem überwiegt die positive Stimmung, die Dankbarkeit für eine neue Erfahrung:
Es gab auch euphorische Momente für Tobias Schlegl
„Das Gefühl, das mich lächeln lässt, ist schwer zu beschreiben. Ein Kitzeln, ein Kribbeln, eine Prise Euphorie. Für mich gibt es gerade nichts Besseres , als um sieben Uhr morgens einen Berg hochzukraxeln. Es erfüllt mich. Es ist genau das, was ich machen will. Ich habe meine Bestimmung gefunden. Ich bin ein Wanderer, ein Pilger.“
Was Tobias Schlegl nach dem Jakobsweg plant
Natürlich hält die Euphorie nicht lange an, aber Tobias Schlegl weiß, dass er etwas mitnimmt von diesem Weg. Nicht nur ein neues Bild von seiner Mutter, eine neue Nähe, sondern auch eine neue Gewissheit: „Immer dann, wenn man meint, es geht nicht mehr weiter, passiert etwas unerwartet Gutes auf diesem Weg. Wir können alle mehr erreichen, als wir denken. Genau das spüren wir gerade.“
Tobias Schlegl will mit seinem gut zu lesenden Reisebericht Eltern und Kinder dazu ermuntern, wieder mehr gemeinsam zu unternehmen, sich auf den Weg zu machen. Es muss ja nicht unbedingt der Camino sein.
Tobias Schlegl. Leichtes Herz und schwere Beine. Piper, 224 S., 18 Euro
Ja, Tobi hat das Herz am rechten Fleck - seit er sich gefunden hat, wirkt er riesig gut in die Gesellschaft hinein und berichtet vielfach darüber, was einen Menschen ausmacht. Er weiß sehr wohl, was im Leben zählt. Man darf (auch) von ihm lernen.
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