Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf heißt die Heldin, die ganze Generationen von Kindern und Erwachsenen prägte. So ungewöhnlich wie ihr Name ist auch das kleine Mädchen selbst: stark, frech und freiheitsliebend ist der Zauber von Pippi Langstrumpf und ihrer Autorin Astrid Lindgren selbst nach 80 Jahren ungebrochen. Die Geschichten rund um die Seeräuber-Tochter ziehen nach wie vor viele Menschen nach Schweden und an die Orte, an denen Pippi zu leben scheint.
Station: die Villa Kunterbunt
Ein gelb-pinkes Holzhaus, in dem es all das gibt, was bei der Erstveröffentlichung des Buches im Jahr 1945 wohl fremd erscheinen musste: viel Platz, Geld und Süßigkeiten im Überfluss. Ganz ohne Erwachsene oder Regeln meistert Pippi ihren Alltag. „Ich bin ein Kind und das ist ein Heim. Also ist das hier ein Kinderheim“, ist der Rotschopf überzeugt. Wo also solch ein Heim finden, als der schwedische Regisseur Olle Hellbom im Jahr 1969 die erste Verfilmung von Pippi Langstrumpf inszenierte?
Zunächst versuchte es der Regisseur mit einer Zeitungsanzeige, die mit der Aufforderung endete: „Das Haus, das Pferd, Tommy und der Affe können sich selber einschicken zur folgenden Adresse: Nord Art, Fack, Stockholm 1.“ Schlussendlich war es jedoch nicht die Post, sondern der Zufall, der Hellbom auf die schwedische Insel Gotland führte. Gotland ist die größte Insel der Ostsee und zählt zu den sonnigsten Orten Schwedens. Passend dazu war die Villa Kunterbunt schon seit jeher gelb gestrichen. Sie stand auf einem Truppenübungsplatz des schwedischen Militärs und diente als Verwalterwohnung. Die Filmcrew durfte die Villa als Außenkulisse verwenden, alle Innenaufnahmen wurden in einem Studio in Stockholm gedreht. Das Militär hatte jedoch nichts dagegen, dass Malerinnen und Maler Teile des Gebäudes rosa anmalten, sowie weitere Handwerkerinnen und Handwerker Türme, Schornsteine und die Holzveranda anbrachten.
Im Jahre 1970 wollte die Armee die sanierungsbedürftige Villa abreisen. Da sich jedoch öffentlicher Widerstand regte, versteigerte die Armee das Haus. Zu dieser Zeit führte der Kleinunternehmer Einar Nyberg einen Campingplatz in der Nähe des Truppenübungsplatzes und kaufte die „Villa VilleKulla“, wie sie auf Schwedisch heißt. Er hegte die Hoffnung, sie als Touristenmagnet vermarkten zu können. Das Haus wanderte auf einem Schlitten zwei Kilometer näher an die Hauptstadt Visby und wurde umfassend renoviert. Im Rückblick ist Nybergs Plan aufgegangen: Mittlerweile steht die Villa Kunterbunt inmitten des Freizeitparks „Kneippbyns Sommer- und Wasserland“.

Station: die Hafenstadt Västervik
Doch Pippi hinterlässt ihre Spuren nicht nur in der „Villa VilleKulla“: Mit ihren Freunden Tommy und Annika besucht sie etwa im Buch „Pippi Langstrumpf auf Tour“ einen Jahrmarkt – was Regisseur Hellbom im Film „Pippi Langstrumpf geht an Bord“ übernimmt. Er stand sowohl für die Serie als auch für die drei Filme in engen Kontakt mit Lindgren. Wie könnte es demnach anders sein, als dass die Jahrmarkt-Szene in der Region gedreht wird, mit der Lindgren untrennbar verbunden ist? Småland, eine südöstliche Provinz in Schweden, ist bekannt für ihre malerische Natur. Und neben Wäldern und Seen liegt hier eben auch die Hafenstadt Västervik.
Für die Pippi-Filmszene wurde der Rummel auf dem dortigen historischen Jahrmarktgelände aufgebaut. Hier begegnen Tommy, Annika und Pippi dem Starken Alfons. Wagt es jemand, es mit ihm aufzunehmen? Natürlich das „stärkste Mädchen der Welt“. Als Pippi Alfons besiegt, ist Tommy erstaunt: „Aber du bist doch ein Kind.“ „Wer sagt denn, dass Kinder nicht superstark sein sollen?“, erwidert der Rotschopf. Die Stärke des kleinen Mädchens, die schon Persönlichkeiten wie Michelle Obama in ihrer Kindheit inspirierte, entsprang dabei wohl direkt aus dem Leben der Schöpferin Lindgren selbst. Als Alleinerziehende, die sich dagegen entschied, den viel älteren Vater des Kindes zu heiraten, widersetzte sich die Schriftstellerin ebenfalls den damals gängigen Konventionen.
Station: die Kleinstadt Vimmerby
Lindgren ist 1907 als zweitälteste von vier Kindern in der südschwedischen Kleinstadt Vimmerby in Småland geboren. Die Geschwister sind auf einem außerhalb gelegenen Hof in Näs aufgewachsen, der sich nach wie vor im Besitz der Familie befindet. Bei dem traditionell schwedischen Bauernhaus handelt es sich um ein rotes Gebäude aus Holz mit weißen Fensterrahmen, mittlerweile ist es Teil des „Astrid Lindgren Museums“. Währenddessen sich das Museum im Näs mehr auf die Autorin selbst konzentriert, bietet der nahe gelegene Freizeitpark „Astrid Lindgren Welt“ ein interaktives Erlebnis: Der Themenpark widmet sich ganz den Geschichten und Charakteren aus ihren Büchern. Hier werden neben Pippi Langstrumpf auch Karlsson vom Dach, Michel aus Lönneberga und Ronja Räubertochter lebendig.
Vimmerby findet sich mit seinen kleinen Häusern, Gassen und Gärten in vielen von Lindgrens Büchern wieder. In der Gemeinde im Norden Smålands ist Lindgren allgegenwärtig. Hier steht etwa das rote Elternhaus ihrer besten Freundin Anne Marie Ingeström, an dem die Autorin gar täglich auf ihrem Schulweg vorbeiging. Die Freundinnen blieben nach ihrer Schulzeit eng verbunden – auch beruflich, da Anne-Marie später als Kinderbuchlektorin bei dem Verlag arbeitete, der auch Lindgrens Bücher veröffentlichte. Beide sind auf dem Friedhof von Vimmerby beerdigt. Direkt neben dem Elternhaus der Freundin steht auch das gelbe Gebäude der lokalen Tageszeitung Vimmerby Tidning. Hier begann Lindgren mit 16 Jahren, für die Öffentlichkeit zu schreiben.

Station: die Wohnung von Astrid Lindgren in Stockholm
Doch zur weltweit bekannten Schriftstellerin wurde Lindgren erst, als sie 1926 mit 18 Jahren nach Stockholm zog. Sie wohnte in einer charmanten Stadtwohnung in Dalagatan 46. Noch heute kann man die Wohnung besichtigen. Und auch Lindgren selbst eröffnete 1996 das Kinderkulturzentrum „Junibacken“, das sich seither zu einer der meistbesuchten Attraktionen in Stockholm entwickelte. Gemeinsam mit dem Künstler Marit Törnqvist wollte die Autorin einen Ort erschaffen, der Kinder zum Lesen inspiriert. Was auch ihre Geschichten noch 80 Jahre später vermögen.
Station: Katthult in Småland
Aber wer auf den Spuren von Astrid Lindgren durch Schweden reist, den zieht es natürlich auch nach Katthult, jenem Hof, auf dem Michel aus Lönneberga mit seiner Familie lebte, wo er seine Schwester Ida den Fahnenmast hinaufzog. Allein das Ortsschild stimmt schon nostalgisch. Doch dann sind da auch noch der berühmte Tischlerschuppen, das schöne rote Bauernhaus mit der markanten Eingangstür. Alles geradeso als ob das Filmteam erst gestern abgezogen sei. Katthult ist noch immer in Familienbesitz. Aber man kann den Drehort, der 10 Kilometer entfernt von Mariannelund liegt gegen Eintritt besichtigen.

Station: Sevedstorp oder besser Bullerbü
Nur 14 Kilometer entfernt liegt der Weiler Sevedstorp, mit drei roten Häusern in einer Reihe. Astrid-Lindgren-Liebhaber ahnen es schon: das ist eigentlich Bullerbü - inklusive Obstbäume, Gärten und alter Scheune, in der die Besucherinnen und Besucher Kaffeetrinken können. Die Häuser selbst können nicht besucht werden. Dennoch: Mehr Schweden-Idylle geht nicht.

Station: die Astrid Lindgrens Värld
Es ist zwar ein Themenpark in Småland, aber auch hier kann man charmant in die Bücherwelt der schwedischen Schriftstellerin eintauchen. Ab Mitte Mai beginnt die Saison. Hier kann das Heckenrosental, Birkenlund, die Burg der Gebrüder Löwenherz oder die Mattisburg aus Ronja Räubertochter besucht werden, natürlich kann man in die Villa Kunterbunt und versuchen in Bullerbü nicht den Boden zu berühren. Dazu gibt es Aufführungen in den einzelnen Themenbereichen. Hier können sich nicht nur Kinder stundenlang verlieren. Und natürlich gibt es hier an vielen Ecken schrecklich süße Süßigkeiten. Pippi hätte es so gewollt.
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