
Vom Amateur bis zum Profisportler: Warum Mallorca bei Fahrrad-Fans so beliebt ist

Plus Mallorca zählt im Frühjahr und Herbst zu den Lieblingszielen von Fahrrad-Fans. Auf einer Genießerrunde im Norden zeigt sich die Insel von einer eher unbekannten Seite.

Urs Weiss ist ein höflicher Mensch. Er lässt die Gruppe von eher mittelguten Radlern nur in Andeutungen spüren, dass er ein eingefleischter Bio-Biker, ein Rennradler ist. So werden in Zeiten des immer unübersichtlicher werdenden Fahrrad-Marktes die Zweirad-Strampler der alten Schule genannt. Bio-Biker sind die, die ohne Motor in die Pedale treten.
Seine Kleidung ginge in Rennrad-Kreisen gar nicht – ein enges Radshirt kombiniert mit einer schlabbernden, kurzen Mountainbike-Hose. „Denn die Rennradler achten auf Style, auch bei der Kleidung“, erklärt der 57-jährige Schweizer. Nachdem dies geklärt ist, brechen wir auf zu den Gärten von Pollenca. Die Gegend liegt im Nordosten von Mallorca. Wir gehen mit E-Bikes auf Tour, trotzdem wird der Rennradler Weiss unsere Gruppe führen.
Radtour auf Mallorca: Wie an einer Perlenschnur geht es hintereinander die Straße entlang
Die spanische Insel ist längst nicht mehr nur von Früh-Frühjahr bis Spätherbst gefragt und hat mehr zu bieten als Baden, Bier und Ballermann. Vor allem im Frühjahr zwischen März und Mai ist die Insel der Sehnsuchtsort der Radfahrer. „Mallorca hat sich zum beliebtesten Radsport-Mekka Europas entwickelt, vielleicht sogar der Welt“, behauptet Weiss.
Gut, er sollte es wissen. Der Mann ist CEO und Sportdirektor von Huerzeler Reisen, einem Schweizer Anbieter für Radreisen und Radvermietung. Trommeln gehört zum Marketing. Wir werden das überprüfen. Huerzeler hat überwiegend Rennräder im Sortiment der Leihräder. Wir werden auf dem Nischen-Produkt E-Bike, das sich in Deutschland jedoch immer größerer Beliebtheit erfreut, unterwegs sein.

Bevor die zehnköpfige Gruppe in der Bucht von Alcudia am Golfklub Alcanada in die 29 Kilometer kurze Tour startet, weist Weiss uns ein. „Niemals nebeneinander fahren und nicht miteinander ratschen. Bitte die Abstände nicht zu groß werden lassen“, sagt der 57-jährige Schweizer. Dann erklärt er den vierstufigen Elektromotor, der uns die sowieso schon entspannte Tour noch gemütlicher machen wird. Ab 25 Stundenkilometern kommt keine elektrische Unterstützung mehr. Dann treibt nur noch Muskelkraft die 25 Kilogramm schweren Bikes an.
Wir werden sie nicht benötigen, denn schneller wird die Gruppe nie unterwegs sein. Helme aufgesetzt und es geht los. Zunächst durch den Ort Alcudia. Sonst sehr geschwätzige Gruppenmitglieder befolgen die Bitte von Weiss und fahren wie auf einer Perlenschnur aufgereiht durch die Straßen des Ortes. Erster Halt an der Kirche Sant Jaume d’Alcudia.
Das Bauwerk sei wirklich sehenswert, sagt Weiss. „Und dahinter schließt sich eine typisch mallorquinische Altstadt mit verwinkelten Gassen und schönen Geschäften an“, erzählt der ehemalige Swissair-Manager. Für eine Besichtigung bleibt allerdings keine Zeit. Wir sind ja nicht zum Spaß hier, sondern zum Radfahren.
Rund 1300 Kilometer lang ist das Radwegenetz auf Mallorca
Nach wenigen Kilometern erreichen wir den weiten Strandbogen von Pollenca. Die Bikes fahren wie von alleine. Kaum tritt man in die Pedale, unterstützt der Motor kräftig und macht selbst leichte Anstiege zum Vergnügen. Auf der eigenen Fahrradspur direkt an der Landstraße geht es wie von alleine vorwärts. Allzu lang dürfen wir nicht auf das Meer blicken, denn bald geht es links ab ins Landesinnere. Auf immer kleiner werdenden Straßen sind wir fast alleine unterwegs.
Ab jetzt weht immer wieder mal der Duft blühender Büsche in die Nase. Die Feigen hängen reif an den Bäumen oder faulen in braunen Klumpen auf dem Asphalt. Beim nächsten Halt erklärt unser Guide: „In den Gärten von Pollenca werden Artischocken, Kartoffeln und Gemüse angebaut. Und die ein oder andere Finca steht natürlich auch hier.“ Wir spähen durch die eingestanzten Ornamente eines gewaltigen Eisentores mit Rost-Patina in eine Palmen-Allee.

Irgendwo weit hinten ist eine Villa mit Pool zu erahnen. Sofort schießt es einem durch den Kopf: Hier also hat der gefallene deutsche Radstar Jan Ullrich seinen Winterspeck abtrainiert. Hat hier vom spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes die Blutbeutel entgegengenommen. Oder ist das die Finca von Schauspieler Til Schweiger, mit dem sich Ullrich nach seinem Karriereende als Nachbar in die Wolle gekriegt hat?
Keine Zeit, um abzuschweifen. Zurück in den Sattel und sauber den Abstand zum Vordermann einhalten. Kleine Felder, Palmen, Gemüsegärten, die Kartoffeln stehen zum zweiten Mal im Jahr kurz vor der Ernte – Mallorca zeigt sich von einer Seite, die man sich im Hotel am Strand nur schwer vorstellen kann.
Genau das macht aber den Reiz des Rad-Tourismus aus – an Orte zu kommen, die anderes zu bieten haben als Bar, Restaurant und Strand-Remmidemmi. Der Norden, der Osten oder Süden von Mallorca, eigentlich fast alle Ecken, bieten beste Bike-Möglichkeiten. Rund 1300 Kilometer lang ist das Radwegenetz und die Küste ist für einen Sprung ins Mittelmeer nirgends weiter als 40 Kilometer entfernt. Die Berge des Tramuntana-Gebirges sind den Profis und engagierten Amateuren vorbehalten.
Radprofis schätzen seit Jahrzehnten das milde Klima im Frühjahr
Die Radsaison beginnt eher früh im Jahr. „Die Verrückten“, beginnt Weiss, um sich gleich darauf zu korrigieren, „die passionierten Radfahrer kommen im Frühjahr. Zwischen Mitte März bis Mitte Mai machen wir über die Hälfte des Jahresumsatzes.“ Wie viel das ist, verrät der Geschäftsmann nicht. Huerzeler vermietet 5500 Rennräder an zwölf Radstationen auf der Insel und ist damit der größte von mehreren Anbietern. Dazu kommt die vergleichsweise bescheidene Zahl von 250 E-Bikes.
Radprofis schätzen seit Jahrzehnten das milde Klima im Frühjahr und bereiten sich auf Mallorca auf die Rennsaison vor. Anstatt im verregneten Mitteleuropa auf der Rolle oder im Kraftraum zu strampeln, ziehen es die professionellen Biker vor, auf spanischem Asphalt zu schwitzen und die Basis für die Rennsaison zu legen. Aber auch Skifahrer oder Biathleten kommen auf die Insel, um mit Radfahren Abwechslung in den Trainingsalltag zu bekommen.

„Nach den heißen Sommermonaten kommen im Herbst die Genussradler. Oft auch Vater und Sohn für gemeinsame Ausfahrten“, erzählt Weiss, bevor wir im regen Feierabendverkehr auf der langweiligen Küstenstraße zu unserem Zielpunkt rollen. Als wir die Räder an der Station in Can Picafort abgeben, erzählt Weiss, wie Mallorca von Jahr zu Jahr mehr Radsport-Mekka wurde.
Firmengründer Max Huerzeler war selbst Radprofi und hat dazu viel beigetragen. „Irgendwann hat es ihn genervt, bei Schnee und Eis im Frühjahr in der Schweiz zu trainieren“, erzählt Weiss. 1986 gründete der ehemalige Bahn-Weltmeister sein Radreise-Unternehmen. Die Hoteliers auf Mallorca mussten damals erst überzeugt werden, ihre Häuser schon so früh im Jahr für die Velotouristen zu öffnen. Inzwischen stellen die Zweirad-Fans einen beträchtlichen Bestandteil der Insel-Touristen. Mehrere Unternehmen bieten Leihräder an.
Die Urlaubssaison wird verlängert, denn mit Frühjahr und Herbst gehen die Radfahrer den Badetouristen in den Sommermonaten aus dem Weg. 60 Prozent der Huerzeler-Kunden kommen aus Deutschland, etwa 25 Prozent aus der Schweiz, danach folgen Tschechen, Polen zählt der Firmenchef auf.
Nach der Tour geht es auf eine kühle Cerveza an die Hotelbar am Strand, danach einen Sprung ins immer noch warme Mittelmeer und bald ins Bett. Am nächsten Tag sollen wir erfahren, wie man Strampeln und Genießen verbinden kann.
Abstecher zum Weingut: Danach geht es mit dem Bus weiter
Mit dem Bus geht es ins Innere der Insel, auf eine einzigartige Mischung aus Bodega und Volkskundemuseum nahe der Hauptstadt Palma. Im Celler Ramanya in Santa Maria del Cami gibt es mehr, als nur Wein zu probieren. Seit 2003 bewirtschaftet Toni Ramis das Weingut. Wer ihn besucht, sollte mindestens einen halben Tag einplanen.
Ramanya liegt in einem großzügigen, mediterranen Garten mit Salbei, Rosmarinbüschen, Luftnelken und meterhohen Kakteen. In seinem Schuppen lagert Ramis nicht nur Wein. Über die Jahre hat der Besitzer des Weinguts eine beeindruckende Sammlung von mallorquinischen Kutschen, Fahrrädern und Werkzeugen aller Art auf seinem Landsitz angesammelt und ausgestellt.
Ramis führt unsere Gruppe erst durch seinen Garten und zeigt dann stolz seine Exponate. „Jedes Teil hat seine Geschichte“, erzählt der Spanier. Hier ein alter Rollstuhl, dort die historischen Werkzeuge von Schmieden, Zahnärzten oder Schustern. Dreiräder für Kinder, alte Fahrräder oder eine Maschine, um Mandelmilch zu pressen, sind ebenfalls zu sehen.
Die gut zweistündige Führung durch Museum und Weinkeller endet in einer Verkostung mit Oliven, Serranoschinken, Wurst, Käse und Cocarrois. Das sind mit Gemüse oder Hühnerfleisch gefüllte Teigtaschen. Dazu serviert er Schaumwein, seinen Weißwein und einen Roten, der teilweise in deutschen Eichenfässern gereift ist. Nur 30.000 Flaschen produziert er pro Jahr.
An Ende singt Ramis Mutter Magdalena ein altes mallorquinischen Lied und dazu gackern die Hühner hinter einer Glasscheibe des Gastraumes. Ein wenig Folklore für die Gäste aus Deutschland. Ob denn auch Radfahrer den Weg in sein einzigartiges Weingut finden, wollen die Journalisten vor der Abreise wissen. Ja, geführte Radtouren waren schon hier. „Aber nach der Verkostung mit Wein und Essen geht es mit dem Bus und den Rädern im Anhänger wieder zurück“, sagt Toni Ramis. Voller Bauch strampelt ungern. Das ist nicht nur im Radler-Mekka Mallorca so.
Kurz informiert:
- Paket Ein Pauschalangebot für eine Woche mit Flug, Hotel und einem Mietrad ist ab 660 Euro zu haben. Auch mit Guide buchbar. Flug, Rad, Hotel können aber auch selbst zusammen gestellt werden.
- Leihräder Auf Mallorca bieten verschiedene Unternehmen Räder in allen Kategorien an. Auch ambitionierte Amateure nutzen das Angebot, denn es ist meist günstiger als das eigene Rad im Flieger mitzunehmen.
- Touren Für den ambitionierter Radler ist die Tramuntana, der Bergrücken im Westen, ein Muss. Anstrengend, aber wunderschön.
*Die Recherche wurde unterstützt von TUI fly und den Hotels von Grupotel.
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