Granada: Eine ganz besonders sinnliche Erfahrung
Seit kurzem gibt es eine geführte Tour durch die andalusische Metropole, die in die Geruchswelten der Stadt eintaucht. Eine spannende Erfahrung für Nase und andere Sinne.
Jede Stadt hat ihre eigene Aura, meist geprägt durch die Bauten. In Granada ist es die überwältigende Architektur der Alhambra, die das Stadtbild prägt und die Erinnerung der Reisenden. Doch wie riecht diese Stadt? Eduardo Díaz, genannt Edu, ist überzeugt davon, dass Gerüche noch weit mehr die Erinnerung beflügeln als das, was die Augen wahrnehmen. Deshalb nimmt der studierte Gartenarchitekt uns mit auf eine ganz besondere Tour – hinein in die Geruchswelten Granadas.
Die Geruchstour gibt es noch nicht lange in Granada. Und ein bisschen wollen die Macher auch noch daran feilen. Die Idee dazu hatte ein Parfümeur, gemeinsam entwickelten sie die Duftnoten, die ihrer Meinung nach für das alte Viertel Albaicín typisch sind. „Es sind nicht immer nur Wohlgerüche“, warnt Edu die Gruppe, denn der 33-Jährige will uns auch „das Viertel der Machtlosen“ zeigen, das gegenüber der Alhambra, dem Bereich der Mächtigen liegt.
Als Erstes führt er uns in ein traditionelles Hammam, versteckt zwischen unscheinbaren Häusern. Seit dem 11. Jahrhundert steht „El Bañuelo“ hier mit seinen schlanken Säulen, den fein ziselierten Kapitelen und dem luftdurchlässigen Gewölbe. Überlebt hat dieses älteste arabische Bad Andalusiens die wechselhaften Zeiten der Stadt, weil es als Wäscherei diente.
Wir riechen Pfefferminze – erfrischend, entspannend – mit einer Note von Orangenschale.
„Don’t tread on the edge, it’s slippery“, warnt uns Edu auf einer steilen Treppe. Nicht auf die Kanten treten – sie sind rutschig. Es ist ein Auf und Ab durch die engen Gassen in diesem Viertel. Edu erzählt von den Gärten der Alhambra, durch die er an anderen Tagen Gruppen führt, ein „Garten-Labor aus dem 13. Jahrhundert“.
Von hier unten sieht die Alhambra eher einschüchternd aus. Vor einer hohen Mauer bleiben wir stehen. Den Garten dahinter können wir nicht sehen. Es ist ein „Carmen“, ein maurischer Garten. Edu zitiert einen unbekannten Dichter: „Die Carmen sind Paradiese für wenige und für die meisten verschlossen.“ Der Duft soll uns diesen Garten öffnen.
Wir riechen Jasmin.
Und dann sind wir mitten im Orient. Eine schmale Gasse ist gesäumt von kleinen Läden mit Schmuck, bunten Lampen, farbenfrohen Klamotten, indischen Taschen und Lederwaren und jeder Menge Schnickschnack. Hier arbeiteten in früheren Zeiten auch die Gerber, berichtet Edu. Aber diesen Geruch wollte er uns nicht zumuten.
Wir riechen Schuhcreme.
Nicht alles ist ausgereift an diesen Aromen, entschuldigt sich der Guide. Manche müsse man vielleicht noch intensivieren, bei anderen die Zusammensetzung abrunden. Außerdem ermüde die Nase, wenn ihr zu viele Düfte zugemutet werden. Stimmt. Wir fühlen uns wie in einem Basar – auch von den Gerüchen her. Da ist so manches Näschen überfordert, wenn es die einzelnen Aromen unterscheiden soll.
Aber nach dieser Gasse öffnet sich eine andere Welt. Es ist wie ein Bruch zwischen den Zeiten. Wir sehen großbürgerliche Häuser, von Gingko-Bäumen gesäumte Alleen und schließlich eine mächtige Kathedrale, die alles überragt. Ihr Bau war auch ein politisches Statement, erklärt Edu. Die Reconquista, die Rückeroberung Andalusiens von den Mauren, war vollendet. Und damit änderten sich auch die Gerüche der Stadt.
Wir riechen Weihrauch – was sonst? Vielleicht noch eine Prise Myrrhe.
Auch wenn die maurische Kultur ab dem 15. Jahrhundert verdrängt wurde, die Gewürze aus ganz anderen Ecken der Welt blieben eine wichtige Währung. Sie bedeuteten Macht und Reichtum, Pfeffer wurde gar mit Gold aufgewogen. Auch deshalb war Columbus nach Indien aufgebrochen. Die Spanier wollten den Portugiesen den Seeweg streitig machen. Die Entdeckung Amerikas ist zwar einem Irrtum des Seefahrers zu verdanken, veränderte aber die Welt nachhaltig. Wir stehen auf dem Platz hinter der Kathedrale, ein junger Tänzer nutzt die imposante Kulisse für einen Ausdruckstanz.
Wir riechen Safran – süß mit einer leicht bitteren Note.
Über den Markt auf der Bib-Rambla, wo sich ein paar Touristen zwischen Brunnen und Essständen verlieren, und die mondäne Calle Reyes Cathólicos gelangen wir zur alten Karawanserei, Corral de Carbón, der Einzigen, die bis heute erhalten blieb. Die Nasriden hatten sie erbaut – als Herberge für die Händler und Warenlager. Damals hieß sie Getreidemarkt. Zum Kohlenmarkt machten ihn erst die christlichen Kohlenhändler. Nach ihnen kamen die Schauspieler – und so blieb das Gebäude erhalten samt dem Brunnen im Innenhof, in dem das Wasser aus den beiden Flüssen Darro und Genil plätschert – sagt Edu.
Wir riechen Granatapfel. Er ist die Frucht, die der Stadt letztlich ihren Namen gegeben hat und die nach Meinung unseres Führers die unterschiedlichen Kulturen zusammenbringt, die diese Stadt geprägt haben: Judentum, Islam und Christentum. Unsere Tour neigt sich dem Ende zu. Noch ein paar Gässchen, kleine Geschäfte, links ein Gitarrenladen, rechts eine Intarsien-Werkstatt, wo ein alter Mann gerade an einer Schatulle arbeitet. Die Roma haben die Flamenco-Gitarre nach Granada gebracht, erfahren wir. Auch ihre Kultur war also prägend für diese vielschichtige Stadt.
Wir riechen Holz. Ahorn? Oder eher Zeder?
Womöglich sind unsere Nasen nach diesem Spaziergang durch die Geruchswelten tatsächlich müde geworden. Ein Geruch wartet noch auf uns. „Ein Joke“, sagt Edu und sprüht das Aroma auf den Papierstreifen.
Wir riechen Undefinierbares, aber Bekanntes. Leicht angebrannt. Es ist geröstetes Brot, für Andalusier ein typischer Geruch.
Zeit zum Essen! Im hübschen Restaurant Los Manueles machen wir mit Tapas einen Geschmacksspaziergang durch Granada – genussvolle Entdeckungen inklusive.
Info Die Tour (Fragancia Granada Olfattivo) wird von „Walk in Granada Tours“ angeboten: www.walkingranada.com " Tipp Vom 13. Juni bis 10. Juli findet das Musikfestival von Granada statt. Einen Schwerpunkt bildet unter dem Motto #granada1922 der historische Wettbewerb von Granada, der 100 Jahre Canoe Jondo feiert: www.granadafestival.org
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