
Mit dieser Idee soll auf Sri Lanka das Elefanten-Problem gelöst werden


Nirgendwo in Asien leben so viele wilde Elefanten wie auf Sri Lanka. Die Menschen dort verehren die Tiere, das Zusammenleben sorgt aber auch für Probleme.
Einfach nur: Wow! Schulter an Schulter und in aller Seelenruhe läuft eine Elefantenfamilie auf der grünen Wiese am Seeufer entlang. Ein paar Rinder grasen dazwischen, dazu Störche und Pfauen. Ein Bild wie aus dem Prospekt, das sich hier im Nationalpark Kaudulla auf Sri Lanka bietet. Und es ist nicht nur diese eine Familie, die durch die Landschaft zieht. Immer wieder tauchen Gruppen auf, die aus mehreren Weibchen mit ihren kleinen und halbwüchsigen Kälbern bestehen. Auch einzelne Elefantenbullen wandern herum und zeigen sich von den Menschen völlig unbeeindruckt. Einige der Tiere tragen breite Halsbänder mit einem Sender. Zu wissen, wo welche Gruppe gerade unterwegs ist, kann auf Sri Lanka im wahrsten Wortsinn lebenswichtig sein.

Denn die Nationalparks auf Sri Lanka sind auch nicht eingezäunt, und die Elefanten laufen ja nicht im Kreis herum. So kann es passieren, dass so ein elefantöses Familienidyll auf seiner Wanderung quer durch ein Reisfeld pflügt und den Ertrag eines ganzen Jahres in wenigen Minuten zerstört.
Auf Sri Lanka werden Elefanten als majestätische Tiere verehrt
Auch wenn die Menschen auf Sri Lanka großen Respekt vor den majestätischen Tieren haben und sie als Tempelelefanten geradezu verehren, kommt die Toleranz in solchen Fällen an ihre Grenzen. Immer wieder gibt es Konflikte zwischen Elefanten und Menschen, die leider auch tödlich enden – für Mensch und Elefant: Allein 2022 sind auf Sri Lanka 145 Personen und 433 Elefanten bei verschiedenen Zwischenfällen umgekommen. Auch außerhalb der Nationalparks leben zahlreiche Elefanten, und neben Wildunfällen auf den Straßen sind es auch aggressive oder verletzte Tiere, die manchmal Häuser niedertrampeln und Menschen angreifen. Zur Selbstverteidigung benutzen die Dorfbewohner und -bewohnerinnen nicht selten Feuerwerkskörper. Oder bauen abenteuerliche Konstruktionen aus Stacheldraht und Strom aus der normalen Leitung. Eine tödliche Falle – nicht nur für Elefanten.
Den Gedanken, Schutzgebiete für Elefanten auf Sri Lanka einzuzäunen, hat man schon vor Jahren wieder verworfen, die Tiere legen bei ihren Wanderungen weite Strecken zurück, und fast nichts stellt für die Dickhäuter ein echtes Hindernis dar. Es wurde schon viel versucht, um die Elefanten auf der Insel besser zu verteilen oder sie aus verschiedenen Gebieten fernzuhalten, aber richtig erfolgreich war keine der Maßnahmen. Es gibt Beispiele von Umsiedlungsversuchen einzelner Tiere, die dann über lange Umwege doch wieder den Weg in ihre Heimatregion fanden. Ein Elefantenbulle ist sogar mal so weit aufs Meer hinausgeschwommen, dass er von der Marine gerettet werden musste.
Ein neues Projekt dreht den Spieß einfach um: Statt Elefanten einzuzäunen, werden jetzt die Dörfer und Felder der Menschen eingezäunt, um sie vor den großen, grauen Eindringlingen zu schützen, ohne dass den Tieren der Weg abgeschnitten wird. In einer gemeinsamen Aktion der Tui Care Foundation mit der Gruppe der Cinnamon Hotels & Resorts und dem Centre for Conservation and Research (CCR, Zentrum für Schutz und Forschung) werden jetzt mit Solarstrom betriebene professionelle Elektrozäune aufgestellt. Die festen Zäune, die an überdimensionale Weidezäune erinnern, wie man sie von Kuhweiden kennt, schützen das ganze Jahr über die Dörfer. Weitere mobile Zäune werden bei Bedarf rund um die erntereifen Felder aufgestellt und später wieder eingelagert. Bei dem Projekt geht es nicht nur um Entwicklung und Aufstellung der Zäune, sondern auch darum, die Menschen vor Ort einzubeziehen. Die Tui Care Foundation trägt zwar den großen Namen des Reisekonzerns, unterstützt aber als Stiftung unabhängig Projekte auf aller Welt, die Tiere und Umwelt schützen oder auch die Ausbildung junger Leute fördern.
Bendiwewa ist eines der Dörfer, das bereits von einem Elektrozaun geschützt wird. "Energiezentrale" ist ein kleiner roter Schrank in einem Garten. Oben drüber ein Solarpaneel und drin eine Autobatterie. Von hier aus wird genügend Strom in die kilometerlangen Drähte gepumpt, um Elefanten abzuschrecken, ohne Menschen und Tiere zu gefährden. Seit der Zaun steht, habe es keine Zwischenfälle mehr mit Elefanten gegeben, berichten die Bewohner und Bewohnerinnen. Stolz erzählen sie, dass sie nun in den Nachbardörfern beneidet würden.

Jedes Dorf auf Sri Lanka muss sich selbst um den Zaun kümmern
Dafür, dass die Anlage funktioniert, sorgen die Dorfbewohner selbst: "Jeder muss schauen, dass die Drähte frei bleiben und nicht überwuchert werden, das ist kein großer Aufwand", erklärt Dr. Puthu, der das Projekt wissenschaftlich begleitet. Seit rund 20 Jahren schon kümmert sich der Wissenschaftler, der eigentlich Prithiviraj Fernando heißt, aber nur Puthu genannt wird, um die Elefanten seiner Heimat und verfolgt auch die Wanderung der Tiere mithilfe der Sender. Unterstützt wird er von Dr. Jenny – das ist seine Frau Jennifer Pastorini, die aus der Schweiz stammt und ebenfalls Biologin ist.
Beide Experten sind trotz aller Probleme sehr zuversichtlich, dass Mensch und Elefant in Sri Lanka eine gemeinsame Zukunft haben. Der Elefantenbestand im Inselstaat ist mit bis zu 6000 Tieren stabil, und Wilderei auf der Insel kein großes Thema, weil Elefanten in Sri Lanka auch eine wichtige Rolle in Kultur und Religion spielen. "Der Schutz der Natur lohnt sich immer", so Dr. Jenny. Aber bei den Elefanten besonders: "Die sind so groß und brauchen so viel Platz, dass man quasi nebenher noch viele weitere Arten und ihren Lebensraum schützen kann", sagt sie und weist aus dem Jeep in die weite Landschaft. Nirgendwo in Asien lebten heute noch so viele wilde Elefanten, wie auf Sri Lanka, erzählt Dr. Jenny, und fast wie bestellt tauchen auf dem Rückweg aus dem Nationalpark plötzlich einige Elefanten einfach so am Straßenrand auf.
Sri Lanka erholt sich langsam von Bürgerkrieg, Wirtschaftskrise und Corona
Wird sich die Idee der Elektrozäune und die Dörfer durchsetzen? Ein Kilometer Zaun kostet rund 5000 Dollar. Doch in einem bitterarmen Land wie Sri Lanka sind 5000 Dollar sehr viel Geld. Der Inselstaat wurde in jüngerer Vergangenheit von Bürgerkrieg und Regierungskrisen ebenso erschüttert wie von Bombenterror. Und dann war da natürlich auch die Coronapandemie... Puthu und sein Team haben es bei den wechselnden Regierungen immer wieder mit neuen Vertretern zu tun, die sie vom Nutzen der Zäune überzeugen müssen. Das erschwert die Verhandlungen. "Aber um langfristig eine friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Elefant zu ermöglichen, müssten derartige Hilfsmaßnahmen vom Staat finanziert werden", ist der Experte überzeugt.
Die bereits aus Spenden angeschafften Zaunanlagen zeigen, dass die Elektrozäune wirken. Und sie haben auch noch einen weiteren Effekt für die Dorfbewohner: Zum einen ist es das Zaunprojekt selbst, das interessant genug ist, um Gäste ins Dorf zu locken, und außerdem können immer wieder vorbeiziehende Elefanten beobachtet werden. Für die Dörfer bedeutet das einen kleinen touristischen Aufschwung. So hat in Bendiwewa auch schon ein Silberschmied eine kleine Werkstatt eröffnet, wo er über offenem Feuer und mit Handkurbelblasebalg – natürlich – Elefantenanhänger herstellt und an die Gäste verkauft. Durch ein anderes Dorf führt eine Elefantenschneise, die bei den Tieren so beliebt ist, dass man sie nicht einzäunen konnte und wollte. Das Dorf wird jetzt von zwei Zaunringen umschlossen, und dazwischen bietet sich Besuchern regelmäßig ein gewiss unvergesslicher Anblick.
Die Elefantenwanderung auf Sri Lanka gilt als großes Naturwunder
Die Elefanten auf Sri Lanka wandern im Laufe des Jahres dem Wasser hinterher. Zum Ende der Trockenzeit im Herbst kommen große Herden in den zentralen Nationalparks zusammen. Diese Elefantenwanderung wird "The Gathering" genannt und wurde erst kürzlich von der Reisebibel "Lonely Planet" zu einem der größten Wildlife-Naturwunder der Welt ernannt.
Die Hoffnung ist groß auf Sri Lanka, dass Naturwunder und Kulturschätze jetzt endlich wieder mehr in den Mittelpunkt rücken, wenn von der Insel die Rede ist und die Stichworte Bürgerkrieg, Terror und Wirtschaftskrise verdrängen. Es herrscht Aufbruchstimmung auf dem wuseligen Markt von Kandy ebenso wie in der fast schon zu schönen Küstenstadt Galle mit ihren weißen Kolonialhäusern, die von dicken Festungsmauern geschützt werden. Es wird viel und freundlich gelächelt: fliegende Händler, Kellner und auch Schulkinder, alle scheinen sich wirklich über die Gäste zu freuen, die in den vergangenen Jahren so schmerzlich vermisst wurden.

Sri Lanka sei wegen seiner biologischen, klimatischen und kulturellen Vielfalt wie ein eigener kleiner Kontinent, heißt es. Innerhalb weniger Stunden können Besucher von den Teeplantagen im neblig-kühlen Hochland des Zentrums am tropischen Regenwald vorbei an die manchmal fast kitschigen, goldgelben Traumstrände fahren. Buddhistische Heiligtümer wie der Höhlentempel von Dambulla und das Weltkulturerbe auf dem berühmten Löwenfelsen Sigiriya erzählen von einer jahrtausendealten Hochkultur, während in vielen kleineren Orten auch die ehemaligen Kolonialherren aus Holland, Portugal und England ihre Spuren hinterlassen haben. Hipster treffen sich zum Surfen in und um Hikkaduwa, und bei Mirissa im Süden fahren Boote den riesigen Blauwalen hinterher. Wer nach zu viel Idylle und Ruhe noch das Chaos einer asiatischen Großstadt sucht: In der Hauptstadt Colombo hat Sri Lanka auch das. Laut ist es, heiß und stickig. Schon über die Straße zu gehen, ist ein Abenteuer, und auf dem Markt riecht es nach Zimt, Fisch und Benzin. Doch irgendwann, wenn dieses intensive Stadtleben zu viel wird, wäre es toll, sich einfach vor all den Eindrücken zu verstecken – eine Art Schutzzaun wär jetzt schön.
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