
Nach dem Abitur den Horizont weiten: Ein Stipendium macht es möglich

Vier Wochen kostenlos ins Ausland – ein Traum! Reisestipendien können eine Chance für junge Menschen sein. Ein Erfahrungsbericht und wie man sich richtig bewirbt.
Vier Wochen ins Ausland reisen und dafür 600 Euro geschenkt bekommen – als Manuel Boskamp davon in der Berufsberatung hörte, konnte er es nicht glauben.
Doch je mehr er an Informationen über das Stipendium der ZIS Stiftung für Studienreisen für Menschen zwischen 16 und 20 Jahren bekam, umso mehr reifte in ihm der Plan, sich für so ein Stipendium zu bewerben und nach dem Abitur England zu entdecken. Allerdings nicht als Tourist, sondern mit einer Idee, Land und Leute unter einem besonderen Aspekt näher kennenzulernen: Boskamp beschäftigt seit langem die Frage, was angesichts des Klimawandels getan werden kann, um den Temperaturanstieg so zu begrenzen, dass es auch für künftige Generationen eine lebenswerte Zukunft gibt. Er hatte von der Transition-Town-Bewegung in England gehört – private Initiativen, die sich in ihren Städten für einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung einsetzen. Darüber wollte er mehr wissen. Dazu passte das ZIS-Stipendium ideal.

Das Geld gibt es für junge Leute, die auf ihrer Reise Informationen zu einem Thema sammeln wollen, das ihnen am Herzen liegt. Das kann ganz unterschiedlich aussehen: Schweden auf den Spuren von Astrid Lindgren, die Clubszene in Tiflis, Zukunftsvisionen junger Menschen in Apulien, die LGBT+-Community in Polen – einige der Projekte, die Stipendiaten in der letzten Zeit vor Ort verfolgten.
Wichtige Bedingungen für das Stipendium: Man muss die ganze Zeit alleine reisen. Man darf nicht fliegen. Man muss mit den 600 Euro auskommen, inklusive An- und Abreise. Und man muss nach der Reise in einem Bericht schildern, was man erlebt hat.
Mit dem Fahrrad zu Umweltschützern nach Hastings
Boskamp ist 2018 mit dem Bus nach London gereist, hat sein Fahrrad mitgenommen und will am ersten Tag mit dem Rad ins 120 Kilometer entfernte Hastings fahren. Wegen der großen Hitze kommt er aber nur 30 Kilometer weit, setzt sich in den Zug, findet abends in Hastings keinen Zeltplatz und kommt nur in einem teuren Hotel unter. Nach der ersten Nacht hat er bereits 90 Euro ausgegeben. „Das war beunruhigend für mich, wie viel Geld nach kurzer Zeit weg war“, erzählt der heute 22-Jährige und ergänzt: „Rückblickend war diese Erfahrung ein Gewinn für mich, denn ich habe erlebt, dass man weiterkommt und mehr erlebt, wenn es anders läuft als gedacht.“
Boskamp, der in München Dokumentarfilm und Journalismus studiert, hatte vor der Reise Kontakt zu engagierten Umweltschützern im südenglischen Hastings aufgenommen. Die sind begeistert, dass sich jemand aus einer deutschen Großstadt für ihre Aktivitäten in der englischen Provinz interessiert. Für ihre Konzepte, wie man eine Passivhaussiedlung bauen kann, deren Miete sich auch Menschen mit wenig Geld leisten können. Wie Stromzähler miteinander vernetzt werden, damit der mit regenerativer Energie erzeugte Strom selber genutzt werden kann.
In Hastings erhält er Kontakte zu Aktiven der Transition-Town-Bewegung in anderen Städten, bei denen er häufig auch übernachten kann. Dort nimmt er an Treffen der Ortsgruppen teil und führt Interviews. In Dorchester lernt Boskamp die Community Gardens kennen, gemeinschaftlich betriebene Obstgärten. In London besucht er ein „Pay what you want“-Café, in dem alle angebotenen Speisen aus geretteten Lebensmitteln bestehen und auch ärmere Besucher sich ein Essen leisten können, weil reichere Gäste etwas mehr zahlen als vorgeschlagen. In Totnes, der Hochburg der englischen Transition-Town-Bewegung, erfährt er von Bemühungen, aus der Stadt Plastik so weit wie möglich zu verbannen.
Mit dem Reisestipendium nach Englang: In London kostenlos gewohnt
„Ich habe extrem freundliche Menschen kennengelernt. Fast eine Woche konnte er bei einer Frau in London kostenlos wohnen, inklusive Verpflegung. Da habe ich dann auch mal eingekauft und gekocht, um mich zumindest etwas zu beteiligen“, sagt Boskamp. Er schwärmt von tollen Gesprächen mit engagierten Menschen. Von Touren mit dem Fahrrad durch wunderschöne Landschaften. Er verschweigt nicht die schwierigen Momente, in denen er sich einsam fühlte – doch auch diese Erfahrung möchte er nicht missen. In seinem Lebensstil sieht sich der Vegetarier bestätigt – er versucht seit der Reise, noch weniger Ressourcen zu verbrauchen.
Boskamp hat in England sparsam gelebt und ist am Ende mit 180 Euro in der Tasche zurückgekehrt. Nicht alle Stipendiaten haben so viel Glück. Wer mit seinem Geld nicht auskommt, darf im Gastland etwas dazuverdienen. Mit der Begrenzung der Ausgaben wollen die Stipendiengeber erreichen, dass die jungen Reisenden auf andere Menschen zugehen und sie manchmal um Hilfe bitten – und das alles in einer fremden Umgebung und Sprache. „Das kostet Überwindung, aber es hat mich auch offener gegenüber neuen Menschen und selbstbewusster gemacht.“
Bewerbungsschluss für Reisestipendium ist am 15. Februar
„Diese Erfahrung beeinflusst mich bis heute“, sagt Boskamp und nennt ein Beispiel: Für einen Dokumentarfilm über Orkas, die Segelboote angreifen, ist er nach Spanien gereist, ohne vorher schon Ansprechpartner zu kennen. An verschiedenen Häfen sprach er dann Menschen an, die sich bereitwillig interviewen ließen. „Nach den Erfahrungen aus England war ich sicher, dass ich Personen finden werde, die gerne über ihre Erlebnisse berichten, wenn sie mein Interesse spüren. Und so war es dann auch.“
Bis zum 15. Februar können sich junge Leute für das nächste ZIS-Reisestipendium bewerben. Mittlerweile gibt es für jeden Stipendiaten 700 Euro (näheres unter www.zis-reisen.de). Boskamps Tipp an Interessierte: Die Bewerbung muss nicht perfekt sein - aber bei der Reise sollte es um ein Thema gehen, das einem wirklich wichtig ist.
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