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Mehr als eine Badeinsel: Das kann man auf der Insel Djerba erleben

Tunesien

Auf der Badeinsel Djerba gibt es mehr zu entdecken als den Strand

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    Ein traumhafter Sonnenuntergang neben der Moschee Sidi Yati auf Djerba. Die Insel hat eine jahrhundertealte Kultur des Zusammenlebens.
    Ein traumhafter Sonnenuntergang neben der Moschee Sidi Yati auf Djerba. Die Insel hat eine jahrhundertealte Kultur des Zusammenlebens. Foto: Jana Tallevi

    Ist dieses Erbe eine Last oder eine Freude? So ganz ist sich Fathi Sakal da wohl selbst nicht sicher. Auf jeden Fall ist es beeindruckend, was der 48-Jährige erzählt, während er mit nackten Füßen im Lehm aus dem Hinterland von Guellala stampft, bis er so viel Wasser aus der rotbraunen Erde herausgedrückt hat, dass er sie formen kann. Er macht das genauso, wie es elf Generationen seiner Familie vor ihm auch getan haben. Seit 400 Jahren besteht die Töpferei in dem Ort im Süden Djerbas und Fathi Sakal arbeitet noch genau wie seine Vorfahren. Seine Werkstatt hat nicht mal elektrischen Strom. Ist der Lehm zur Weiterverarbeitung bereit, nimmt er einen Stock und teilt die richtige Menge des Rohstoffs ab. Auf einen Arbeitsplatz mit einer Holzplatte kommt ein wenig Sand, wie Mehl unter dem Pizzateig, und ganz ähnlich wie in einer Küche beginnt der Mann zu kneten. Licht dringt kaum in den Arbeitsraum, aber Fathi Sakal weiß ohnehin, was er tut.

    Fathi Sakal arbeitet in einer 400 Jahre alte Töpferei im ehemaligen Töpferdorf Guellela, die seinen Familie in der elften Generation betreibt.
    Fathi Sakal arbeitet in einer 400 Jahre alte Töpferei im ehemaligen Töpferdorf Guellela, die seinen Familie in der elften Generation betreibt. Foto: Jana Tallevi

    Mitarbeiter hat er nicht mehr. „Seit 2011 nicht mehr“, sagt er auf Französisch. Was er damit meint: Seit der Revolution 2011, dem Beginn des arabischen Frühlings, hat sich seine Lage verändert. Ist sie besser oder schlechter geworden? Fathi Sakal bleibt auch hier vage. Er nimmt den Lehmteig, schwingt sich auf den nächsten Arbeitsplatz und beginnt, innnerhalb weniger Minuten ein oberschenkelhohes Tongefäß zu töpfern – so exakt, als ob es maschinell gefertigt sei. Auf jeden Fall hat Sakal seine Nische gefunden: Er liefert Gefäße nicht nur an die heimischen Hotels oder Privatleute, sondern über seine Brüder in Frankreich auch nach ganz Europa. Außerdem zeigt er Touristen, wie hier seit Generationen getöpfert wird. Die Gäste können für etwa zehn Euro pro Person einen halben Tag bei ihm verbringen, auf Wunsch auch mit gemeinsam zubereitetem Mittagessen. Das Konzept geht auf. Seine Tochter kümmert sich ums Marketing, der Sohn interessiert sich für die Arbeit. Inzwischen ist Fathi Sakal überzeugt, dass er die Töpferei auch an die zwölfte Generation übergeben kann.

    Anschläge waren Rückschläge für den Tourismus

    Djerba ist zurück. Nein, nicht als All-inclusive-Ziel wie in den Neunziger und Nuller Jahren. Ja, sicher, die Hotels von damals gibt es immer noch – 30 Jahre älter, aber immer noch als schöne, komfortable und renovierte Unterkünfte für Strandurlaub zwischen Osterferien und November. Doch die kleine Insel im Süden von Tunesien entdeckt, dass sie ihren Gästen viel mehr zu bieten hat, nämlich die eigene Tradition und das Erbe eines Zusammenlebens, das durch sein ausgeklügeltes System schon vor Jahrhunderten praktisch autark funktionierte. Wasser war und ist der Schlüssel dazu. In dem halbtrockenen Klima wird es geteilt und so verwendet, dass möglichst viel wachsen kann. Seit der Besiedlung ab dem neunten Jahrhundert vor Christus leben auf der kleinen Mittelmeerinsel alle drei Weltreligionen zusammen. Oft friedlich, aber nicht immer. Bei einem Anschlag auf die weltberühmte Synagoge La Ghriba 2002 waren 14 deutsche Touristen unter den 21 Todesopfern, erst im Mai 2023 kamen vier weitere bei einem neuerlichen Terrorakt während der Wallfahrt zur Synagoge um.

    Tradition und Moderne: Der alte Korbmacher Si Mohamed in seiner Werkstatt in Houmt Souk. Inzwischen hat er das Geschäft an seine Töchter übergeben.
    Tradition und Moderne: Der alte Korbmacher Si Mohamed in seiner Werkstatt in Houmt Souk. Inzwischen hat er das Geschäft an seine Töchter übergeben. Foto: Jana Tallevi

    Dabei ist es genau dieses Zusammenleben, für das Djerba 2023 von der Unesco die Auszeichnung als Weltkulturerbe erhalten hat. Wajdi Borgi ist studierter Architekt und Stadtplaner. Doch seinen eigentlichen Beruf hat er schon vor Jahren aufgegeben, der 35-Jährige führt jetzt als Urban Walker Touristen durch Djerba, jener Insel, von der seine Familie zwar stammt, auf der er aber als Kind und Jugendlicher nie gelebt hat. Er verdiene jetzt weniger als in seinem früheren Leben in Tunis. „Aber hier kann ich tun, was ich gerne möchte.“ Dazu trägt auch der Lebensstil der Menschen von Djerba bei. Irgendwie entspannter, irgendwie entschleunigter und auch toleranter als in anderen Teilen Tunesiens ist er. „Früher war Djerba ein Hafen, an dem alle Handelsschiffe vorbei mussten, denn sie brauchten Trinkwasser. Das konnten sie hier haben“, beschreibt Wajdi Borgi eine alte Einnahmequelle. Mit Menschen aus dem gesamten Mittelmeerraum zusammenzuleben, ist seitdem Alltag.

    Auf Djerba gab es einmal mehr als 30 Karawansereien. Diese hier ist umgebaut und als modernes Café gestaltet worden.
    Auf Djerba gab es einmal mehr als 30 Karawansereien. Diese hier ist umgebaut und als modernes Café gestaltet worden. Foto: Jana Tallevi

    Und das kleine Djerba hatte einen ganz besonderen Trick, von den vorbeikommenden Nationen nicht überfallen und eingenommen zu werden: „Es gab hier gar keine Stadt, nur einen täglichen Markt und Handelsplatz“, beschreibt Wajdi in der heutigen Inselhauptstadt Houmt Souk. Die teilweise wirklich winzigen Handwerkslädchen sind heute noch in Betrieb. Daneben gab es in Houmt Souk 33 Karawansereien, in denen vorbeiziehende Kaufleute ihre Waren lagern und selbst übernachten konnten. Einige davon sind stylishe und moderne Restaurants, andere scheinen jedoch im Lauf der Jahrhunderte stehen geblieben zu sein.

    Djerba: Neue Touristenguides kochen mit ihren Gästen

    Doch Gästen seinen Blick auf die Stadt zu zeigen, das ist Wajdi und seinem Team der innovativen Tourismusagentur DMO zu wenig. Sie wollen etwas Neues schaffen, eine Verbindung von Touristen und Einheimischen. „Wenn man verreist, dann doch vor allem, um Menschen kennenzulernen“, ist seine Überzeugung. Das funktioniert, indem er seine Gruppen nicht nur in die schönsten Cafés führt, sondern in jene, wo das Leben der Menschen von Tunesien sich abspielt, in denen sich Männer und Jugendliche am Mittag treffen und einen Orangensaft oder einen Tee mit Minze trinken. „Kirchen, Moscheen und Synagogen, die kann man auch ohne mich anschauen“, ist Wajdi Borgi überzeugt. Was er besonders gerne macht: Mit den Gruppen kochen. Das Team kauft ein, dann wird in der großen Küche im Büro der erst vor Kurzem gegründeten Agentur Gemüsesuppe und traditioneller Couscous gekocht. Alles in einem Topf. Unten die Brühe, oben im Dampfeinsatz der Couscous. „Wir nehmen nur Zutaten, die der Saison entsprechen und die aus der Region kommen“, beschreibt er das Geheimnis des Geschmacks. Karotten, Sellerie, Zwiebeln, Spinat und Fenchelkraut sind es an diesem Tag, an dem es in Europa mitten im Winter ist. Und so fühlt es sich auch schon ein wenig sommerlich an, obwohl der Strand weit weg ist.

    Auch im Winter hinreißend: Ein Blick in die Blaue Lagune auf Djerba.
    Auch im Winter hinreißend: Ein Blick in die Blaue Lagune auf Djerba. Foto: Jana Tallevi

    Kurz informiert

    • Anreise: Tunisair fliegt das ganze Jahr über direkt nach Djerba von und nach München (Flugzeit: gut zwei Stunden) und Frankfurt (Flugzeit: zweieinhalb Stunden) ab etwa 400 Euro für den Hin- und Rückflug. Achtung: Seit kurzem ist der Reisepass wieder zwingend vorgeschrieben. Die Währung in Tunesien ist der tunesische Dinar. (TDN). Er darf bei der Ausreise nicht ausgeführt werden.
    • Unterkunft: Hotel Djerba Golf Resort & Spa im Hotelbereich von Midoun an der Ostküste der Insel, mit guter Küche. Das Hotel hat einen schönen Spa-Bereich und bietet die beliebten Thalassotherapien an. Gleich gegenüber ist ein Golfplatz. Preis ab 116 Euro für eine Übernachtung mit Frühstück im Doppelzimmer, ab 134 Euro für Halbpension. Auch All-inclusive ist möglich.
    • Essen: Im Zentrum von Houmt Souk kocht Slim Khanchouch im Restaurant El Hanout die typische Küche von Djerba mit Suppen und Couscous. Hier treffen sich Handwerker, Geschäftsleute und Touristen am Mittagstisch.
    • Ausflug: In Erridah im Inneren der Insel gibt es mit dem Streetart-Projekt Djerbahood seit einigen Jahren eine Art Freilichtmuseum. Am besten mit einem über das Hotel bestellten Taxi einen Festpreis ausmachen und einen halben Tag dort verbringen.
    In Erridah gibt es seit Langem ein Streetart-Festival. Dieses Bild zeigt das Elend von Hunger, Flucht und Migration.
    In Erridah gibt es seit Langem ein Streetart-Festival. Dieses Bild zeigt das Elend von Hunger, Flucht und Migration. Foto: Jana Tallevi

    Dass auf Djerba überhaupt so viel wachsen kann, liegt an einem besonderen Wassersystem, das ebenfalls Teil des Weltkulturerbes ist. Im Inselinneren sind seit Jahrhunderten künstliche Oasen angelegt, das System heißt auf Djerba Menzel. Dattelpalmen und Olivenbäume wachsen hier, weiter unten in den Terrassen auch das Gemüse. „Alles, was auf Djerba grün ist, haben Menschen seit Jahrtausenden angepflanzt“, sagt Wajid. Und das schon sehr lange. „Das Olivenöl aus Djerba sei das beste überhaupt“, ist Wajdi Borgi überzeugt. Den nirgendwo seien die Bäume so uralt wie hier. Die knorrigen Stämme mit teilweise meterdickem Durchmesser scheinen das zu bestätigen.

    Dass aus jahrhundertealten Traditionen etwas Frisches und Neues entstehen kann, zeigt auch Keramikerin Marwa Dridi. Gemeinsam mit weiteren jungen Künstlern und Autodidakten verarbeitet sie in der Werkstatt von El Houch Concept in einem Kunsthandwerkerviertel von Houmt Souk denselben Rohstoff wie Fathi Sakal. Doch bei ihr werden aus Ton kleine Figuren nach Motiven von Künstlern aus Djerba, gestaltet diese hingegen nach der japanischen Raku-Technik. Auch Marwa Dridi sagt, sie sei ihrer inneren Stimme auf die Insel gefolgt. „Ich komme aus Bizerta aus Nordtunesien und habe dort Wirtschaft studiert. Aber irgendwann habe ich gemerkt, das bin ich nicht, diese Arbeit passt nicht zu mir“, erzählt sie. In der kleinen Keramikwerkstatt finden jetzt nicht nur sie, sondern eine Reihe weiterer junger Leute eine unabhängige Arbeitsstelle.

    Seit Kurzem gibt es auch einen Halbmarathon auf Djerba

    Djerba ist noch immer vor allem als Badeinsel bekannt. Aber es wird viel getan, um neue Ideen zu entwickeln. Seit ein paar Jahren findet auf Djerba ein Halbmarathon statt. 1700 Läuferinnen und Läufer waren dieses Jahr dabei, dazu Kinder mit körperlichen Einschränkungen auf einer eigenen Strecke. An diesem Tag war klar: Djerba ist bunt und in Bewegung.

    Marwa Dridi, gelernte Ökonomin, arbeitet inzwischen als Keramikerin in einem Kunsthandwerkerhof in Houmt Souk auf Djerba.
    Marwa Dridi, gelernte Ökonomin, arbeitet inzwischen als Keramikerin in einem Kunsthandwerkerhof in Houmt Souk auf Djerba. Foto: Jana Tallevi

    Die Reisereportage wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt Tunesien.

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