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Erinnerung an den Evakuierungsmarsch: Gedenkfahrt für KZ-Häftlinge im Augsburger Land

Burgwalden, Klimmach, Schwabmünchen

Der Marsch der Augsburger KZ-Häftlinge

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    Reinhold Forster von der Geschichtsagentur Augsburg brachte eine Hinweistafel auf das Geschen vor 80 Jahren an einen Wanderwegweiser in Burgwalden an.
    Reinhold Forster von der Geschichtsagentur Augsburg brachte eine Hinweistafel auf das Geschen vor 80 Jahren an einen Wanderwegweiser in Burgwalden an. Foto: Elmar Knöchel

    Als am 8. Mai 1945 die Waffen schwiegen, endete mit dem „Tag der Befreiung“ der Zweite Weltkrieg in Europa. Doch wie viele andere Regionen in Deutschland erlebte der Landkreis Augsburg sein eigenes Kriegsende früher. Es waren die Tage vor und nach dem 27. April 1945, als Schwaben und der Landkreis Augsburg von amerikanischen Truppen besetzt wurden. Sie kamen aus Richtung Donau und stießen durch die Westlichen Wälder Richtung Bobingen, Lechfeld und Schwabmünchen vor. Doch kurz vor dem erwarteten Eintreffen der amerikanischen Soldaten schickten die nationalsozialistischen Machthaber einen Teil der rund 1700 Häftlinge des KZ-Außenlagers Pfersee auf einen sogenannten „Evakuierungsmarsch“ Richtung Süden. Ziel war es, die Befreiung der Gefangenen zu verhindern. In die Pferseer Außenstelle des KZ-Dachau, in die „Halle 116“, waren auch die Zwangsarbeiter aus Lauingen und aus dem „Waldwerk Kuno“ gebracht worden. Rund 600 dieser Gefangenen wurden vermutlich am 23. April 1945 auf den Marsch nach Süden getrieben.

    Gedenkfahrt mit künsterischer Note

    Die Menschen, die sich damals auf den Marsch machen mussten, kamen aus den verschiedensten Ländern Europas. Italiener, Franzosen, Ukrainer, Russen und noch viele mehr. Sie hatten schon über lange Zeit Zwangsarbeit leisten müssen. Dementsprechend schlecht war ihr gesundheitlicher Zustand. Während des Marsches starben immer wieder Häftlinge an Unterernährung, Entkräftung und Krankheiten. Ungewöhnlich für diese Zeit war allerdings, dass es während des Marsches keine Erschießungen gegeben haben soll. Um diesen Menschen zu gedenken und die Erinnerung an ein Stück Geschichte im Augsburger Land wachzuhalten, hatte die Geschichtsagentur Augsburg in Zusammenarbeit mit „Plan A“ vom Augsburger Stadttheater, eine künstlerische Gedenkfahrt zu den Orten organisiert, die auf dem entbehrungsreichen Marsch der Häftlinge eine Rolle gespielt hatten.

    Annelies Schreivogel (Bildmitte) war als Wirtstochter in Burgwalden dabei, als die Häftlinge dort Halt machten.
    Annelies Schreivogel (Bildmitte) war als Wirtstochter in Burgwalden dabei, als die Häftlinge dort Halt machten. Foto: Elmar Knöchel

    Nach dem Start an der Halle 116 in Pfersee ging es zuerst nach Burgwalden. Dort erzählte Zeitzeugin Annelies Schreivogel, wie sie das Geschehen erlebt hatte. Die Eltern der damals Neunjährigen bewirtschafteten die „Waldgaststätte“, die auch heute noch ein Ausflugslokal ist. „Am Morgen waren diese vielen Menschen in ihrer seltsamen Kleidung plötzlich da“, sagte Schreivogel. Es sei verboten gewesen, mit den Häftlingen zu reden. „Uns wurde gesagt, dass das alles Schwerverbrecher sind“, erinnerte sich Schreivogel. Für die Nacht seien die Menschen in den Ställen rund um die Gaststätte untergebracht gewesen. „Am nächsten Morgen waren sie dann plötzlich wieder weg. Aber in den Ställen waren sämtliche Futtertröge der Tiere leer“, erinnerte sich die Zeitzeugin.

    Fiktive Gedanken vorgetragen

    Um auf das Geschehen damals aufmerksam zu machen, brachten die Initiatoren der Gedenkfahrt an einem Wanderwegweiser ein Transparent mit den Daten zum Evakuierungsmarsch an. Die Mitglieder des Stadttheaters lasen dabei fiktive Gedanken vor, die den Menschen damals durch den Kopf gegangen sein könnten. In Burgwalden überlebten drei Häftlinge die Nacht nicht.
    Danach ging es weiter nach Klimmach. Hier wurden die Gefangenen schließlich von den vorrückenden US-Truppen befreit. Dabei bot sich den GI-Soldaten wohl ein schlimmes Bild von ausgemergelten, dem Hungertod nahen Menschen. Die Soldaten brachten die jetzt befreiten Gefangenen in den nahen Ort, wo in einer Bäckerei gerade frisches „Kommissbrot“ gebacken worden war. Einer der Teilnehmer des Marsches, der zum Gedenken im Jahr 1995 wieder dort war, hatte damals erzählt: „Ich habe mehrere Laibe Brot ergattern können. Da ich nicht wusste, wie ich sie transportieren sollte, habe ich einen Kissenbezug gestohlen, der an einer Leine zum Trocknen hing und mir daraus einen Rucksack gemacht.“ Deshalb sei es ihm wichtig gewesen, wieder nach Klimmach zurückzukehren. Im Gepäck hatte er ein Kissen, das er der Familie übergab.

    In Schwabmünchen erinnerten die Teilnehmer der Gedenkfahrt mit einem Mandala  an die Menschen, die nahe des Wasserturms auf dem "Ausländerfriedhof" begraben worden waren.
    In Schwabmünchen erinnerten die Teilnehmer der Gedenkfahrt mit einem Mandala an die Menschen, die nahe des Wasserturms auf dem "Ausländerfriedhof" begraben worden waren. Foto: Elmar Knöchel

    Zum Ende der Gedenkfahrt ging es dann nach Schwabmünchen. Dorthin wurden die befreiten Gefangenen gebracht. Im dortigen Krankenhaus starben noch 24 Menschen an den Folgen des Marsches. Sie wurden auf dem sogenannten „Ausländerfriedhof“ nahe des Schwabmünchner Wasserturms bestattet. An dieser Stelle erinnerten die Teilnehmer der Gedenkfahrt mit einem Mandala aus Blumen an das Geschehen. Die Namen der Opfer wurden verlesen und die Zettel mit den Lebensdaten der Gestorbenen in das Mandala eingefügt. Mit dieser Aktion wollten die Organisatoren der Fahrt darauf hinweisen, dass es bis heute in Schwabmünchen nicht einmal eine Hinweistafel gibt, die an das erinnert, was dort vor 80 Jahren geschehen ist.

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