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„Nico Spicker: 500 Kilometer im Rollstuhl für Freundschaften und Lebensmut“

Lagerlechfeld

Eine runde Sache

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    Rollstuhlfahrer Nico Spicker ist jeden Tag in Lagerlechfeld unterwegs. Die Fahrten sind mehr als nur Sport.
    Rollstuhlfahrer Nico Spicker ist jeden Tag in Lagerlechfeld unterwegs. Die Fahrten sind mehr als nur Sport. Foto: Marcus Merk

    Jeden Tag fährt er seine Runde: 500 Meter legt Nico Spicker mit dem Rollstuhl zurück, wenn er die Blumenstraße in Lagerlechfeld umkurvt. Zur Motivation stellten Anwohner vor einigen Monaten ein kleines Fest für den 24-Jährigen in Aussicht. Die anvisierten 500 Kilometer hat Nico Spicker längst geschafft, wie seine sauber geführte Tabelle beweist. Aber darum geht es für ihn gar nicht mehr. Die Herausforderung, modern würde es Challenge heißen, hat eine andere Dimension angenommen.

    Er will mit den Menschen ins Gespräch kommen

    „Die Runde ist ein guter Weg, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen“, hat Spicker festgestellt. Sogar Freundschaften haben sich in den vergangenen Monaten aus den Gesprächen über den Gartenzaun ergeben. Bauherren, die sich im Ortsteil von Graben niederlassen wollen, baten ihn zum Beispiel, doch bitte hin und wieder einen Blick auf die Baustelle zu werfen. Nico Spicker behielt den Neubau im Auge. Und plötzlich hieß es: „Achtung, der Bauleiter kommt.“ Der 24-Jährige hat noch weitere Spitznamen erhalten: „Bürgermeister der Blumenstraße“ wird er genannt. Oder auch „Reporter“, weil er während seiner Runden viel mitbekommt. Bei gemütlichem Tempo braucht Spicker fünf Minuten für die 500 Meter. Wenn er schneller unterwegs ist, dann sind es drei Minuten. Aber die Zeit spielt keine Rolle. Denn gerne bleibt er stehen und hält ein Schwätzchen. Zum Beispiel mit dem Nachbarn, der einen Golden Retriever besitzt. Die Hündin hatte zunächst Angst vor dem Rollstuhl. Doch die legte sich, Spicker lernte den Nachbarn kennen.

    Er redet offen über alles

    Nico Spicker ist kein verschlossener Mensch. Er redet offen. Über seinen Job zum Beispiel. Bis vor Kurzem hat er als Sekretär am Lehrstuhl für Umweltmedizin in Augsburg gearbeitet. Jetzt sucht er eine neue Aufgabe. Spicker spricht auch offen über seine Beeinträchtigung. Nach der Geburt wurde er beatmet. Als Frühchen erhielt er über einen Schlauch künstlichen Sauerstoff. Zu spät wurde bemerkt, dass sich der Bub den Schlauch aus der Nase gezogen hatte - so kam es zu einer Unterversorgung. Heute ist er im Alltag auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen, bei denen er wohnt. Er weiß, dass er im Leben Hilfe benötigt und in den vergangenen 24 Jahren viel Hilfe erhalten hat. Jetzt möchte er davon mit seiner fröhlichen Art etwas zurückgeben. Zum Beispiel bei seinen Runden in der Blumenstraße.

    Der 24-Jährige will anderen Menschen helfen

    Die Begegnungen analysiert er feinsinnig. Zum Beispiel die Treffen mit einem Bub aus dem nahegelegenen Kinder- und Jugendwohnheim Lagerlechfeld. Er unterhielt sich mit ihm. Die Gespräche hätten etwas bewirkt - so schilderte es ein Betreuer des Vereins Lebensarchitektur. Denn der Bub habe festgestellt, dass auch andere Menschen ein schweres Schicksal zu tragen haben. Spicker sagt: „Für die Jugendlichen ist es eine andere Schicksalsbetrachtung.“ Der Bub habe gesehen, dass er nicht alleine ist.

    Der 24-Jährige im Rollstuhl ist dankbar für jede Begegnung. Auch wenn Menschen ihm mal nicht wohlgesonnen sind. „Aber das ist dann auch eine Erfahrung“, sagt er. „Man wächst daran.“ Aber niemand habe das Recht, einem anderen Menschen das Selbstwertgefühl zu nehmen. Menschen, die sich der Trübsal hingeben, traurig sind oder vielleicht den Lebensmut verloren haben, rät er: „Sie müssen nach Erfolgserlebnissen suchen und etwas finden, das ihnen Spaß macht.“

    „Begegnungen schaffen Momente, woran wir uns langfristig erinnern“

    Für Nico Spicker war ein Erfolgserlebnis Reiki. So heißt die spezielle Form des Handauflegens, die zum Beispiel Blockaden lösen und Selbstheilungskräfte aktivieren soll. Der 24-Jährige hat sich zum Therapeuten ausbilden lassen. Kraft geben dem jungen Mann vor allem Begegnungen. „Sie schaffen Momente. Momente sind das, woran wir uns langfristig erinnern.“ Dazu gehört zum Beispiel die Cabrio-Fahrt mit einem Nachbarn, mit dem sich Spicker angefreundet hat. In einigen Monaten wird es einen weiteren Moment geben: Wenn die zurückgelegten 500 Kilometer mit einem Fest gefeiert werden. „Er ist immer gut aufgelegt und das tut unserer Straße gut. Vor allem, weil viele Leute, auch auf dem Land, immer anonymer leben“, sagt Nachbar Kaspar Berger.

    Bravo: 1000 Mal hat Nico Spicker die Ringstraße in Lagerlechfeld schon umkurvt.
    Bravo: 1000 Mal hat Nico Spicker die Ringstraße in Lagerlechfeld schon umkurvt. Foto: Kaspar Berger
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