Als Schriftstellerin bezeichnet Helga Bögl sich nicht. Dabei hat sie im Selbstverlag bereits fünf Bücher veröffentlicht: eine Erzählung, zwei Romane, zwei Gedichtbände. Die Königsbrunnerin sagt: „Ich bin eher Hobby-Autorin oder Poetin“, und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Vielleicht auch ein bisschen Philosophin.“ Das Schreiben ist für sie so etwas wie ein Lebenselixier. Vor allem seit sie nach einer, wie sie sagt, misslungenen Augen-OP regelmäßiger Schwindel plagt und sie von vielen ihrer früheren Lieblingsbeschäftigungen abhält.
Ihre 85 Jahre sind der rothaarigen Frau nicht anzusehen, wenn sie in ihrem Esszimmer von ihrem Leben erzählt, Fotos und Bücher zeigt. Erst mit acht Jahren startete sie ihre schulische Laufbahn. „Denn nach dem Krieg durften deutsche Kinder in der Tschechoslowakei nicht zur Schule gehen.“ Mit acht Jahren musste sie ihre Heimat verlassen. „Wir kamen in ein Auffanglager und wurden dann in Viehwaggons über die Grenze nach Deutschland gebracht“, so Bögl. Durch einen Zufall sei der Lehrer ihrer Mutter aus Böhmen im kleinen Dorf im Donaumoos, in dem die Familie zunächst landete, dann auch ihr Lehrer geworden. Er habe ihr Schreibtalent erkannt und gefördert, erzählt Bögl. „Immer, wenn im Dorf ein Fest war, musste ich Gedichte schreiben und vortragen.“ Obwohl sie früh begonnen hat zu schreiben, lagen Bögls Prioritäten für den größten Teil ihres Lebens anderswo.
Vieles hat die Königsbrunnerin verloren - das Schreiben bleibt
Gelernt hat sie nach der mittleren Reife in einem Büro. Noch in der Ausbildungszeit wurde Bögl schwanger, wie sie in ihrem aktuellen Buch „Und plötzlich hatte ich viel Zeit: Corona und das alte Fotoalbum meiner Mutter“ schreibt. Drei Kinder hat die Königsbrunnerin, zwischen den Schwangerschaften habe sie in Büros gejobbt, später sei sie Geschäftsführerin einer Lastwagen-Werkstatt gewesen. Und noch später, mit Mitte 50, wurde Bögl Unternehmerin. Gemeinsam mit ihrem Sohn und einem Bekannten gründet sie das Unternehmen BPS Systemtechnik, ist heute noch Teilhaberin. Bis sie 75 war, habe sie noch gearbeitet, sagt die Königsbrunnerin. Dann aber kam die OP, die ihr viele Freuden nahm.
Schon vorher gab es Schicksalsschläge. „Mein Vater und mein Bruder starben, mein Mann und meine Mutter auch.“ Eine misslungene Operation am rechten Auge vor rund zehn Jahren habe ihr Leben dann total aus der Bahn geworfen. Der große Dioptrin-Unterschied ihrer beiden Augen sei nicht berücksichtigt worden, sagt Bögl. Deshalb leide sie heute unter einem Benommenheitsschwindel. „Alles, was mir Freude gemacht hat, habe ich seit dieser OP verloren.“ Auto fahren könne sie nicht mehr. Das rote Cabrio, das sie sich gegönnt habe, stehe die meiste Zeit in der Garage, einmal im Jahr fahre ihr Sohn damit in den Urlaub. Bögl zeigt Fotos von geflüchteten Männern und Kindern an Tischen: „Mein Engagement in der Flüchtlingshilfe musste ich aufgeben.“ Auch Städtereisen, auf die sie sich im Ruhestand so gefreut habe, könne sie wegen des Schwindels nicht unternehmen. Aber ein Trost blieb ihr.
Helga Bögls Themen sind vielfältig
„Schreiben ist für mich besonders jetzt im Alter wichtig geworden“, so Bögl. Sie habe sich in den Jahren nach der OP ganz den Kurzgeschichten und Gedichten gewidmet. Trotz der Schicksalsschläge spricht aus vielen ihrer Texte eine Prise Humor. Im aktuellen Buch, zu dem sie, wie der Titel verrät, in der tristen Corona-Zeit vom alten Fotoalbum ihrer Mutter inspiriert wurde, geht es an einer Stelle etwa um die Unterhose ihrer Oma. Aber auch Gedanken über ernste Themen bekommen viel Platz, etwa Kriege oder menschliche Schwächen, Impfschäden oder ausbeuterische Praktiken großer Konzerne, Personalmangel im Gesundheitssektor oder Tierquälerei. Es gehe ihr auch „um das, was der Mensch eigentlich tun sollte, um diese Erde zu retten“, betont Bögl.
Sie selbst hat im Schreiben Rettung gefunden. „Ich bin sehr froh, dass ich die Gabe zum Schreiben und Dichten habe“, so Bögl. „Das gibt mir Zufriedenheit und erfüllt mich den Rest meines Lebens.“
„Und plötzlich hatte ich viel Zeit: Corona und das alte Fotoalbum meiner Mutter“ von Helga Bögl erschien bei BoD – Books on Demand (ISBN 978-3759729255) und kostet 9,99 Euro, als E-Book 5,49 Euro.
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