
Der Färberturm ist ein vorindustrielles Relikt

Manufakturen trockneten an Holztürmen lange Stoffbahnen. Die Stadt bewahrt das historische Erbe
Der historische Färberturm an der Schäfflerbachstraße zieht nicht nur optisch die Aufmerksamkeit auf sich. Viele verfolgen derzeit die Sanierung und den Einbau eines modernen „Innenlebens“ (siehe Augsburger Allgemeine: „Der Färberturm ist eine Großbaustelle“). Der Grund für die Investition in Millionenhöhe: Der Holzturm ist das älteste bauliche Relikt der einstigen Textilstadt Augsburg aus vorindustrieller Zeit! Er gehörte ab 1836 zur Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS). Deren Kürzel „AKS“ steht jetzt für „Augsburger Kultur-Speicher“: In einstigen Fabrikgebäuden sind das Textil- und Industrie-Museum („tim“), das Stadtarchiv und die Stadtarchäologie beheimatet.
Die Geschichte des alten Trockenturms reicht in die Zeit vor der Gründung der AKS im Jahre 1836 zurück. Der Bau wurde benötigt, als Stoffe noch in Handarbeit in Manufakturen gebleicht, gefärbt und veredelt wurden. Die einstige Funktion ist an der Konstruktion des 14 Meter hohen Holzturms auf einem gemauerten Sockelgeschoss erklärbar: Unter einem überstehenden Walmdach umläuft den Turm ein Stangengerüst. Über diesen glatten Hölzern hingen lange Tuchbahnen. Auch im Inneren gab es solche Stangen. Der Wind wehte um den hohlen Turm und durch die geöffneten Luken und trocknete die Stoffe. Holzstege machten den Turm im Inneren begeh- und nutzbar.
200 Jahre alte Bilder dokumentieren diesen und andere Augsburger Trockentürme mit im Wind wehenden Stoffbahnen. Da die Stoffe meist gefärbt waren, hießen die weithin sichtbaren Gebäude „Färbertürme“. Bis Februar 1944 überragte an der Jakoberstraße ein solcher Turm die Häuser. Der im Blickfeld stehende Turm mit dunklem Holzaufbau prägte den breiten Straßenzug zwischen Jakobertor und Jakobskirche, bis er im Bombenhagel in Flammen aufging. Er ist auf vielen Fotos und Postkarten dokumentiert.
Turmbesitzer im Textilviertel
Der derzeit eingerüstete Trockenturm im Textilviertel überlebte den Krieg. Eine „1771“ datierte, in den Städtischen Kunstsammlungen verwahrte Rötelzeichnung von Johann Lorenz Rugendas zeigt den Vorgänger des heutigen Turms. Der Künstler blickte über die Obere Bleiche, zu der Trockenturm gehörte, in Richtung Friedberg. Turmbesitzer war zu dieser Zeit der Kattundrucker und Mitinhaber der Oberen Bleiche, Johann Jakob Koepf. Er machte 1772 Bankrott. Der Kattunmanufaktur-Besitzer Johann Heinrich von Schüle kaufte die „Obere Bleiche“. Er ließ den Turm erneuern. Das geht aus der Altersbestimmung der tragenden Holzteile hervor: Anno 1795 wurden die Bäume dafür gefällt.
Um 1800 dokumentierte Johann Michael Frey den jetzigen Trockenturm als Erster. Für Frey und andere Zeichner bildeten solche Türme mit vom Wind bewegten Stoffbahnen malerische Motive. Auf einer Ansicht von Augsburg sind vor rund 200 Jahren vier „Färbertürme“ erkennbar. Im Bereich der City-Galerie – hier befand sich zuvor die Neue Augsburger Kattun-Fabrik (NAK) – zeigt ein Foto um 1860 zwei damals nicht mehr benötigte Trockentürme.
Denkmal stört Neubau-Pläne nicht
Die Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS) bekam den Turm an der Schäfflerbachstraße bei ihrer Gründung 1836 als Dreingabe. Er wurde nicht mehr benötigt. Dank seiner Randlage am Firmengelände störte er jedoch die Neubaupläne nicht und blieb erhalten. 100 Jahre wurde alte Bau als Pferdestall, Heustadel oder Lagerraum genutzt. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, in Zeiten größter Wohnungsnot, war das Unterteil des Turms bewohnt.
Dass der marode gewordene historische Trockenturm weiterhin erhalten blieb, ist dem Leiter der Bauabteilung der AKS, Georg Radmüller, zu verdanken. Er nahm ihn unter seine Fittiche, bevor zum 1. Oktober 1973 das Bayerische Denkmalschutzgesetz in Kraft trat. Bereits 1972 sorgte er für eine Bestandssicherung. Als 1978 der erste Entwurf der Denkmalliste für Augsburg veröffentlicht wurde, enthielt sie natürlich den Färberturm.
Seit 2013 ist das Baudenkmal in Stadtbesitz. Für die derzeitige Sanierung zuständige Baufachleute stellten fest, die Substanz des Färberturms sei in einem „insgesamt recht guten Zustand“. Dies ist nicht zuletzt das Verdienst des Turm-Liebhabers Georg Radmüller.
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