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Unser 2. Tag
09.08.2017

Dr. Kling, Kriegshaber und das Y in Dyrk

17 Bilder

Ausflüge mit der historischen Tram in die Vergangenheit und Alltagskultur eines Stadtteils mit Geschichte und Geschichten: Über 100 Besucher erzählen von ihrem Mittelpunkt der Welt

14 Uhr. Kriegshaber ist hell und leer und still an diesem Augsburger Feiertag, 8. August, Friedensfest. Die alte Tram aber, die jetzt um die Ecke biegt, ist voll und laut. Heiß ist es, Frauen wedeln mit Fächern, Männer schwitzen ergeben – und Silvano Tuiach, der mit kräftiger Stimme das Quietschen des Oldtimers übertönt, fragt auf Höhe Ulmer Straße 204 in den Wagen: „Wer ist alles vom Doktor Kling behandelt worden?“ Fächer sinken, Arme schnellen hoch. Fast alle, wie es aussieht. „Noch vom alten Doktor Kling oder schon vom Sohn?“

Die Hausarztfrage ist typisch für diesen zweiten Tag unserer Sommerserie „Kultur aus der Ulmer Straße“. An diesem Dienstagnachmittag wird die Straßenbahn (Baujahr 1948) dreimal hintereinander durch Kriegshaber wackeln und schaukeln – jedes Mal voll besetzt, inklusive Stehplätzen. Und dreimal ist der Kabarettist Silvano Tuiach, der auch Autor für unser Feuilleton regional ist, als Erzähler mit an Bord. Der 67-Jährige, der 23 Jahre in Kriegshaber gewohnt hat, unterhält die Gäste launig und ortskundig und bindet sie mit ein – ob es nun um die Frage geht, warum sein altes Wohnviertel „Klein Russland“ hieß oder wer den alten Lebensmittelladen Grießhammer noch gekannt hat und natürlich das „Luxor“-Kino.

Die Tram wird zu einem Erinnerungsraum

Tuiach zelebriert Kriegshaber, er adelt den „Häschen-Club“ als „einzigen 5-Sterne-Puff in Deutschland“, er ruft Erinnerungen ans „Café Schäfer“ auf und erzählt von der Tafel in der Gaststätte Kaiserlinde, wo er einst als Lockangebot las: „Maß Goiß 4,90 Euro, 5 Maß Goiß 25 Euro“. Die Tram wird zu einem Erinnerungsraum – wir sitzen im Kopfkino Kriegshaber. Tuiach erzählt vom „Ami-Plärrer“ (also dem Deutsch-amerikanischen Volksfest) und lässt sich bestätigen, dass „die Ackermannstraße früher ja bloß bis zum Listle ging“.

Unsere mobilen Schreibtische – inzwischen sind es zwei, wir mussten ausweiten – vor dem alten Tram-Depot sind an diesem zweiten Dienstag nicht nur Ausgangspunkt für Exkursionen in die Vergangenheit und Alltagskultur Kriegshabers. Die Leute, die von einer Tour zurückkommen, bleiben, haben das Bedürfnis, zu erzählen, miteinander zu reden, zu hören, was andere denken. Das gemeinsame Befragen von Erinnerungen lässt so etwas wie einen Kriegshaber-Sound entstehen. Wer ein Fotoalbum mitgebracht hat, ist sofort umlagert. Das alles ist mehr als nur nostalgisches Seufzen – man diskutiert Veränderungen, vergewissert sich, wie die eigene Biografie Teil einer größeren Geschichte ist, welche Umstände die Lebensbedingungen geformt haben – und was das eigentlich heißt, dieses „Es hat sich wahnsinnig viel verändert“.

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Zwei Redakteure, ein mobiler Schreibtisch, sechs Dienstage lang: In unserer Sommerserie "Kultur aus der Ulmer Straße" berichtet die Kulturredaktion der Augsburger Allgemeinen aus Kriegshaber. Jedes Mal stellen wir eine Frage der Woche. Dieses Mal lautet sie, welche Kriegshaber Originale es gibt.
Video: Richard Mayr

Helga Köhler, 80, ist aus Königsbrunn rübergekommen. Sie wohnt längst woanders, aber Kriegshaber ist ihr Herzensangelegenheit. Es gibt da eine Liste, die sie aus der Handtasche zieht. Zwei Seiten, überschrieben mit „Aus Kriegshaber ganz verschwunden“. Und dann geht es von A wie Apotheke (Kollerbum) über B wie Bauern (Steppich, Kraus) über F wie Friseur (Einweck, Maisch, Haucke, Rohmann) bis Z wie Zigarren (Dörle). Alles recherchiert, eine Art Denkschrift gegen das Verschwinden, eine Bestandsaufnahme. Allein der Klang all der Namen entfacht an unseren Schreibtischen immer neue Erörterungen. N wie Näherinnen: Kohler, Eisele, Demharter – „ja, stimmt“. Aufgeführt auf Helga Köhlers Liste – und allein dafür hat sich dieser Nachmittag gelohnt – ist unter I wie Institution auch: „Turnstunde mit Dora“.

Da sind sie also, die Kriegshaber-Spezialisten, die das Vergängliche sammeln und die Erinnerungen bewahren. Köhler hat das außerdem in einer Familienchronik getan, die gleichzeitig auch eine Stadtteilchronik ist: „Huber – Stuhler – Wiblishauser“. Dort steht dann zum Beispiel, dass ihr Großvater, ein Schreinermeister, beim Bau des Kindergartens in Kriegshaber nach einem Sturz vom Dach starb.

Silvano Tuiach, der zwischen seinen Tram-Touren eintaucht in diesen Kosmos, hört genau zu. Derweil machen Manfred Steger und sein Team die alte Tram fertig für die nächste Runde rauf zum Zentralklinikum und wieder zurück. Köhler und Tuiach steigen ein.

Das Zentrum der freien Presse

Die alte Tram schafft auch an unseren beiden Schreibtischen Bewegung. Nach jeder Fahrt sitzen dort andere Besucher. Erna Ruppenstein, 84, verzichtet auf die Fahrt. Ihr Kriegshaber kennt sie in- und auswendig. Sie hat an diesem Dienstag ein besonderes Anliegen. „Kriegshaber, das war nach dem Krieg das Zentrum der freien Presse“, erzählt sie uns. Ruppenstein weiß das nicht aus einem Buch, sie hat es sich nicht angelesen, sie hat es erlebt. In der Druckerei, der Presse-Druck-und-Verlags-GmbH, hat sie ihre Ausbildung gemacht hat. Damals hieß die Augsburger Allgemeine noch Schwäbische Landeszeitung und erschien montags, mittwochs und freitags. An den anderen Wochentagen erschien damals, als Ruppensteiner dort gearbeitet hatte, die Augsburger Tagespost, die dann allerdings schnell nach Regensburg und später nach Würzburg zog. „Die erste freie Presse nach dem Krieg ist in Kriegshaber erschienen, das ist doch was“, sagt Ruppensteiner.

So wird jeden Dienstag die Welt in all ihren großen und kleinen, persönlichen und allgemeinen Facetten an unserem Schreibtisch aufgefächert. Evi Schindler ist aus Steppach gekommen und hat ein altes Foto mitgebracht. „Da drüben, auf der anderen Straßenseite der Ulmer Straße, da stand dieses Haus“, sagt sie. Die Schuhmacherei ihrer Eltern war dort untergebracht. Und Dyrk Becker erzählt, wie schwierig früher das Leben mit einem ausgefallenen Vornamen war. „Den Namen gibt’s nicht“, hat er in den 1940er und 1950er Jahren von seinen Lehrern gehört. Die Extravaganz, die sich seine Eltern bei dem Y in Dyrk herausnahmen, war in der Nachkriegsgesellschaft nicht wohlgelitten.

Damals lebte Becker noch nicht in Kriegshaber. Er ging in die Wittelsbacher Schule. Kriegshaber war damals ganz weit für ihn entfernt. Zum Schwimmunterricht fuhr er mit der Straßenbahn dorthin, weil er in Kriegshaber eine Schule mit Schwimmbad gab. „Mir kam Kriegshaber immer komisch vor“, sagt Becker. In der Stadt waren so viele Häuser zerstört, in Kriegshaber hatten sie Dächer.

Hebamme von Beruf und elffache Mutter

Was uns zeigt, dass tatsächlich immer alles eine Frage des eigenen Standpunkts ist. Vergangenes Jahr, als unser mobiler Schreibtisch im Hochfeld stand, waren Hildegard Olaletan-Keller und Marie Wirth Expertinnen für ihr Viertel. Nun sind sie auf Besuch nach Kriegshaber gekommen. „Sie müssen uns alles erzählen“, sagen sie uns. Aber wir sind wie jedes Jahr diejenigen, die den Stadtteil mit all seinen Geschichten gerade erst kennenlernen. Weiterhelfen müssen also die anderen. Hannelore Dorner zum Beispiel. Ihre Oma, die war Hebamme von Beruf und selbst elffache Mutter, habe sie 1948 auf die Welt gebracht. Die Welt – das war die Kriegshaberstraße in Kriegshaber.

Hannelore Dorner trägt Bilder mit sich im Kopf, die ihr ein Leben lang bleiben. Der Gaslaternenanzünder, der durch die Straßen lief. Diese köstlichen schmalen Schokoladen von den Amerikanern, „braun verpackt mit Silberschrift“ – wie hießen die noch mal? „Hershey’s“! Ihre Tochter, sagt Frau Dorner, die inzwischen in Haunstetten lebt, die sei gerade in den USA – und die habe den Auftrag, nach „Hershey’s“ Ausschau zu halten …

Nicht nur Schokolade gab es von den Amerikanern nach dem Krieg. „Die Amis waren auch für unsere Schulspeisung zuständig“, erzählen Heinz Paul und Helmut Rieger, die Anfang der 1950er Jahre in Kriegshaber zur Schule gingen. Sie erinnern sich noch lebhaft an einen „alten Wehrmachtslehrer“, der die Kinder nach der Trillerpfeife mit Stecken als Gewehrersatz exerzieren und marschieren ließ – und das, obwohl doch überall rundum lauter Amerikaner waren. So gut deren Schokolade war – der Haferbrei, erinnern sich Paul und Rieger, Jahrgang 1941 und 1942, habe nicht allen Kindern geschmeckt. „Zu der Zeit war es oft so, dass die Buben ein paar Löffel davon an die vorbeifahrende Straßenbahn schleuderten. Das lief dann so runter …“

Andere Zeiten, andere Sitten. Im Kriegshaber des Jahres 2017 jedenfalls bleibt die Tram, unsere Fuchs Heidelberg, Baujahr 1948, mit der „Kapitän“ Manfred Steger und seine Crew am späten Nachmittag gen Innenstadt einrücken, sauber. Wir brauchen sie noch vier Dienstage.

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