Von der Bauruine zur Begegnungsstätte
Gut Ding will Weile haben – ein Sprichwort, das auch in Balzhausen gilt. Denn in der Tat dauerte es ein paar Jahre, bis aus einer Vision Wirklichkeit wurde.
Geraume Zeit spukte Gerhard Glogger eine Idee im Kopf herum. Da war dieser frühere Brauereigasthof, 350 bis 400 Jahre alt, mitten im Dorf gelegen und mehr und mehr verfallend. Eine Bauruine, die nicht nur leer, sondern auch unter Denkmalschutz stand. Kurzum: ein schwieriger Fall. Aber Gerhard Glogger, damals Architekt und Bürgermeister in Personalunion, sah auch das Potenzial in der Problemimmobilie.
2008 kaufte die Gemeinde das sogenannte „Strehle-Areal“. In der Folge diskutierten Glogger und der Gemeinderat in zahlreichen Sitzungen, was genau sie nun anstellen wollten mit dem heruntergekommenen Gebäude. Letztlich stand fest: Ein Bürgerhaus soll es werden. Mit Räumen für ein örtliches Versicherungsbüro, einem Sitzungssaal für den Gemeinderat und Vereine ohne Heim, einem Zimmer für den Bürgermeister, einem Büro für die Nachbarschaftshilfe – und nicht zuletzt: einem Dorftreff.
Eröffnung des Dorftreffs
Als die Bauarbeiten endlich begannen, hieß der Balzhauser Bürgermeister nicht mehr Gerhard Glogger, sondern Daniel Mayer. Glogger hatte sein Amt nach 18 Jahren als Gemeindechef niedergelegt, sein Nachfolger Mayer trieb das Projekt weiter voran. Rund 1,7 Millionen Euro kostete die Generalsanierung, beinahe drei Jahre dauerte sie. Im April 2017 tagte erstmals der Gemeinderat im Obergeschoss des runderneuerten Gebäudes, ein weitaus größerer Meilenstein für die Bewohner Balzhausens aber folgte ein Jahr später: die Eröffnung des „Dorftreffs beim Strehle“.
Für dessen Betrieb wurde eigens ein Verein gegründet, dem 17 Frauen und zwei Männer angehören. Ehrenamtlich kümmern sie sich um die Bewirtung der Gäste, die sich seit dem Frühjahr 2018 jeden Donnerstag und Sonntag ab 14 Uhr „beim Strehle“ treffen können. Und genau das wollen viele Balzhauser. Es laufe viel besser als erwartet, sagt Leo Mayer, einer der zwei Männer im Dorftreff-Verein und zugleich dessen Vorsitzender. Das Publikum ist bunt gemischt – nachmittags sind es eher die älteren, abends eher die jüngeren Balzhauser, die sich hier zwanglos treffen. Aber es kommt nicht selten vor, dass auch die Älteren bis zum Abend bleiben, erzählt Luise Tahedl, eine der 17 Frauen im Verein.
Fast vergessene Leckereien
Sie und die anderen wechseln sich ab, was das Backen angeht: Jede Woche ist ein anderes Vereinsmitglied an der Reihe und bringt seine Kuchen mit. Dazu gibt es Kaffee, abends Brotzeiten und seit kurzem einmal in der Woche auch einen Schwäbischen Abend, an dem die Damen des Vereins kochen. Aber nicht irgendetwas, sondern ausschließlich Speisen, die mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Kartoffelwürste mit Sauerkraut etwa oder saure Kutteln. „Dinge, die man heute so nicht mehr isst“, sagt Leo Mayer.
Aber Kartoffelwurst, Kuchen und Kaffee sind natürlich nicht das Wesentliche. Vor allem geht es um das Miteinander, die zwanglose Begegnung. Gerade für die älteren Balzhauser schließt der Dorftreff eine Lücke: Am Ort „gibt es unter der Woche nichts, wo sich ältere Leute treffen können“, sagt der frühere Bürgermeister Gerhard Glogger. Im Gegenzug zu anderen Dörfern hat Balzhausen zwar noch eine Wirtschaft – genau genommen sogar zwei – doch mit denen stehe man nicht in Konkurrenz.
„Der Dorftreff schadet ihnen nicht“, findet Glogger. Auch Luise Tahedl hat nicht den Eindruck, dass ihr Angebot den Gasthäusern etwas wegnimmt. Und wenn in Balzhausen sonntags eine Vereinsveranstaltung anberaumt sei, „dann lassen wir den Dorftreff zu“, so Tahedl.
Ältere Gäste werden zu Hause abgeholt
Wenn er aber auf hat, dann holen die Vereinsmitglieder einige der älteren Gäste auch schon mal eigens zu Hause ab. Leo Mayer berichtet von älteren Balzhausern, die vor der Eröffnung des Dorftreffs nirgendwo mehr hingegangen und jetzt wieder stärker ins Dorfleben einbezogen seien. Auch für deren Angehörige bedeute der Treff eine Entlastung: Sie sind nicht länger die einzigen Kontaktpersonen ihrer Mütter oder Väter.
Auch Menschen mit Behinderungen können jeden Donnerstag und Sonntag „zum Strehle“ kommen. Einmal im Monat findet zudem ein Vortragsabend mit wechselnden Themen aus Gesundheit, Kultur oder Religion statt, aber auch Gesangsabende, Mundartlesungen und bald auch Schafkopfabende stehen auf dem Programm.
Aktives Dorfleben
Wenn es also auch ein paar Jahre gedauert hat, bis in Balzhausen aus einer Vision Realität wurde, so fällt das Zwischen-Fazit doch umso erfreulicher aus. Der „Dorftreff beim Strehle“ tut genau das, was man sich von ihm erhofft hat: Er bringt die Balzhauser zusammen.
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