833 zahlende Zuschauer in der Bundesliga
Weltmeisterschaften sind im Frauenfußball ein Besuchermagnet. Im deutschen Oberhaus dagegen sinkt der Schnitt stetig. Dabei leisten sich immer mehr Profiklubs hochklassige weibliche Teams
Augsburg Es war eine Frage, die Silke Rottenberg so richtig auf die Palme brachte. Gerade war die Torhüterin mit der deutschen Frauen-Nationalmannschaft Weltmeister geworden, wurde am gleichen Tag zur besten Keeperin der Welt gewählt und taumelte im Siegesrausch zu den Journalisten, die in den Katakomben des Home Depot Center im kalifornischen Carson auf Zitate der frisch gebackenen Titelträger warteten. Da meinte eine Journalistin: „Frau Rottenberg, wie frustrierend ist es denn, wenn man hier vor 20000 Zuschauern spielt und zuhause in der Bundesliga sind es nur ein paar hundert?“ Rottenberg entgegnete mit finsterer Miene: „Falsche Frage, disqualifiziert.“ Mit diesem strukturellen Problem wollte sie sich im größten Moment ihrer sportlichen Karriere schlichtweg nicht beschäftigen, sondern drehte um und trottete Richtung Mannschaftskabine, um dort zu feiern.
Das Gespräch ist mittlerweile 16 Jahre her und der Frauenfußball hat weltweit einen gewaltigen Professionalisierungsprozess hinter sich. Oder besser, er ist mittendrin. Denn auf der Weltbühne haben die über viele Jahre dominierenden Nationen USA, Deutschland, Norwegen, Schweden oder China zuletzt mächtig Konkurrenz bekommen, in Europa haben die Verbände und Vereine in Frankreich, Spanien oder England große Anstrengungen unternommen, um die deutsche Vorherrschaft zu brechen. Was gelang, denn nach neun europäischen Titeln zwischen 2002 und 2015 durch Turbine Potsdam, den FFC Frankfurt, FCR Duisburg und VfL Wolfsburg gehen die Bundesligisten seit vier Jahren auf der internationalen Bühne leer aus.
Trotzdem ist die zwölf Teams umfassende deutsche Bundesliga nach wie vor eine der stärksten (Frauen-)Spielklassen weltweit. Auffallend ist zudem, dass immer mehr der klassischen „Männerklubs“ sich bei den Frauen engagieren. Der VfL Wolfsburg als deutscher Double-Gewinner ist zurzeit führend, der FC Bayern München versucht die Lücke zu schließen. Dazu sind Bayer 04 Leverkusen, die TSG Hoffenheim, der SC Freiburg und 1. FC Köln im deutschen Oberhaus vertreten. Reine Frauenfußballvereine wie der FFC Turbine Potsdam oder der FFC Frankfurt tun sich schwer mitzuhalten. Schließlich müssen sie sich selbst vermarkten und haben keine Marketingabteilung eines Profiklubs hinter sich.
Aber auch die Rahmenbedingungen der Top-Teams sind deutlich besser. So sind die Fußballerinnen des FC Bayern mit umgezogen, als im Münchner Norden der als Talentschmiede gefeierte FC-Bayern-Campus des Rekordmeisters im Jahr 2017 eingeweiht wurde. Im dortigen, 2500 Zuschauer fassenden Stadion werden künftig die Bundesliga-Heimspiele stattfinden. Früher trugen die Bayern-Frauen diese im beschaulichen Aschheim aus, zuletzt spielten sie aufgrund der gestiegenen Anforderungen des DFB im Grünwalder Stadion – vor spärlich besetzten Rängen. Im Schnitt kam der FC Bayern in der abgelaufenen Saison 2018/19 auf gerade mal 666 Fans pro Heimspiel, der Gesamtschnitt der Bundesliga lag bei 833.
Damit setzt sich der Trend sinkender Zuschauerzahlen im deutschen Oberhaus weiter fort – allen Bemühungen um Professionalisierung zum Trotz. Kamen beispielsweise nach dem ersten deutschen WM-Titel 2003 in der Folgesaison noch 1060 Fans pro Spiel, stieg der Schnitt in den Folgejahren sogar bis auf 2704 in der Runde unmittelbar vor der auch medial gepushten Heim-WM 2011. Seitdem geht der Zuspruch aber stetig zurück – mit wenigen Ausnahmen. Wie etwa dem Bundesliga-Rekord von 12464 Besuchern, als der VfL Wolfsburg am letzten Spieltag der Saison 2013/14 zuhause gegen Frankfurt den Meistertitel perfekt machte. An Kulissen, wie sie im Profifußball der Männer alltäglich sind, kommt die Frauen-Bundesliga allerdings nur in Ausnahmefällen ran.
Dass dies nicht überall so ist, zeigt der Blick nach Spanien. Dort mobilisieren die großen Klubs nicht nur mit ihren Männern die Fans, sondern eben auch mit den Frauen. Vergangenen März wollten 60739 Zuschauer das Spitzenspiel zwischen dem FC Barcelona und Atletico Madrid sehen. Das ist aktuell Weltrekord für ein Vereinsspiel. Alltäglich ist solch eine Kulisse allerdings auch in Spanien nicht.
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