Allgäuer Johannes Rydzek holt Gold: Wie eine Rakete
Mit einem furiosen Schlussspurt in der Loipe holt der Allgäuer Johannes Rydzek die erste Goldmedaille für Deutschland. Zu seinem Erfolgsgeheimnis gehört auch ein Superman-T-Shirt.
Es war in seinem Gesicht abzulesen. Und an der Leichtigkeit der Bewegung, je länger das Rennen ging. Da hebt sich einer die alles entscheidenden Kräfte für die letzten Meter auf. Und diesmal wird ihn keiner stoppen. Mit unwiderstehlichem Schlussantritt stürmte Kombinierer Johannes Rydzek bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Falun zur Goldmedaille im Wettbewerb von der Normalschanze.
Der 23-Jährige vom SC Oberstdorf triumphierte nach einer taktischen Meisterleistung im abschließenden Langlauf über 10 Kilometer vor dem Italiener Alessandro Pittin und Titelverteidiger Jason Lamy Chappuis aus Frankreich. „Ich dachte, ich träume und gleich zwickt mich jemand. So ein bewegender Moment, so viele Emotionen“, sagte der Champion über den Moment, als er die Ziellinie überquerte – und sich wenig später von seinen Teamkollegen feiern ließ.
Zu den ersten Gratulanten zählte Olympiasieger Eric Frenzel, der nach dem Skispringen noch geführt hatte, später aber nur Vierter wurde. Trotz der persönlichen Enttäuschung freute er sich riesig mit „Rakete Rydzek“, den er herzte und drückte. „Er hat das absolut verdient heute. Das war ein ganz hartes Rennen“, lobte Frenzel.
Rydzek startete mit Rückstand in die Loipe
Nach einem fünften Platz im Skisprung war Rydzek mit 31 Sekunden Rückstand auf den Führenden Frenzel in die Loipe gestartet. Bereits nach 3,5 Kilometern war Frenzel von einer fünfköpfigen Verfolgergruppe um Rydzek gestellt. Die Entscheidung fiel erst kurz vor dem Ziel. Am letzten Berg konterte Rydzek als einziger eine Attacke von Pittin – und kämpfte sich in der letzten Kurve an ihm vorbei. Damit holte sich der Vize-Weltmeister von 2011 die langersehnte Krönung.
Überwältigt von seinen Gefühlen musste er sich bei der Blumenzeremonie Tränen aus den Augen wischen, ehe er freudig die deutsche Flagge schwenkte. Das Ende eines langen Tages: Wegen starker Winde hatte das Skispringen mit über drei Stunden Verspätung begonnen. Rydzek, dessen Eltern und Freundin, sich im Publikum befanden, nahm die nervenaufreibende Verzögerung ganz cool. Und das blieb er nicht nur am Schanzenturm, sondern später auch in der Loipe. „Er hat alles richtig gemacht. Er hat am Anfang nicht das Tempo für die anderen gemacht und später zur richtigen Zeit Verantwortung übernommen. Er ist ein verdienter Weltmeister“, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch, der eine kleine Feier mit den Serviceleuten im „Wachs-Truck“ der Kombinierer genehmigte. Eine große Party verbot sich von selbst: Bereits am Sonntag beim Teamwettbewerb soll Rydzek zusammen mit Frenzel, Fabian Riesle (9.) und Tino Edelmann (20.) erneut nach Gold greifen. „Wir haben mit Ritschi jetzt den Weltmeister im Rücken. Das gibt Aufschwung“, sagte Weinbuch.
Dass es ein besonderer Tag in seiner Karriere werden würde, hatte der Allgäuer Überraschungsmann unmissverständlich signalisiert: Beim Skispingen trug er ein Superman-Shirt unter dem Sprunganzug! „Das ziehe ich nur an, wenn ich mich richtig fit fühle und alles passt“, erklärte Rydzek später im Gespräch mit unserer Zeitung.
Aus Sorge, dass es gegen Statuten verstoßen könnte, hatte er den Glücksbringer übrigens bei den Olympischen Spielen in Sotschi nicht getragen – und erlebte prompt die bitterste Stunde seiner Karriere: Teamkamerad Rießle drängte ihn wenige Meter vor dem Ziel vom Medaillenkurs ab. Diesmal jedoch schlug die Stunde des Supermanns aus dem Allgäu: Ähnlich wie sein Comic-Held hob er kraftvoll von der Normalschanze ab, zischte elegant durch die Luft und landete nach 93 Metern auf Rang fünf. „Es ist lang her, dass ich nach einem Sprung jubeln durfte“, freute sich Rydzek. Die Grundlage für den WM-Titel war gelegt. „Es ging alles so schnell. Unglaublich“, konnte er sein Glück kaum fassen.
Durch den Triumph schlug Johannes Rydzek das schönste Kapitel in seinem ganz persönlichen Wintermärchen auf. Vor zehn Jahren, bei der Nordischen Ski-WM in seiner Heimat Oberstdorf stand er als 13-Jähriger als Helfer an der Schanze. Damals holte er sich bei Star-Kombinierer Ronny Ackermann ein Autogramm, das ihn anspornte und motivierte, hart an seiner Karriere zu arbeiten. Genau das hat Rydzek seither getan.
Umso mehr freute er sich, als eben jener Ackermann, der heute zum Trainerstab zählt, ihn herzlich beglückwünschte.
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