Das schnellste Lächeln Deutschlands
Die Sprinterin Gina Lückenkemper wird mehr und mehr zum Gesicht der deutschen Leichtathletik. In Berlin will sie zwei Medaillen gewinnen – die erste schon am Dienstag
Die Sprinterin Gina Lückenkemper hat ihr 100-Meter-Rennen zwar im Regelfall in knapp elf Sekunden hinter sich gebracht. Doch eine Kurzarbeiterin ist sie deshalb keineswegs. Es kann schon mal länger als das Rennen einer 5000-Meter-Läuferin dauern, bis es die 21-Jährige aus dem Innenraum des Stadions schafft. Lückenkemper ist eine gern gesehene Gesprächspartnerin bei den Medienvertretern. Und Lückenkemper ist vor allem ein gern genommenes Motiv für Fotos und Selfies bei Fans.
Dass gefühlt jeder im Stadion etwas von ihr will, hat mit ihrer Entwicklung und ihrem Wesen zu tun. In den vergangenen Jahren war Gina Lückenkemper bereits das schnelle Sprinttalent mit den kessen Sprüchen, die alle zum Lachen bringt. Das hat sie beliebt und bekannt gemacht.
Mittlerweile, daran hat vor allem ihre Zeit von 10,95 Sekunden im Vorlauf der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr einen großen Anteil, ist sie mehr als das Sprinttalent mit den kessen Sprüchen, die alle zum Lachen bringt. Sie ist ein Gesicht der deutschen Leichtathletik, die prägende Gesichter derzeit nicht gerade in Überzahl produziert. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Diskuswerfer Robert Harting, das Aushängeschild der deutschen Leichtathletik des vergangenen Jahrzehnts, wird seine Karriere am Ende dieser Saison beenden. Er wird eine Lücke hinterlassen. Diese zu füllen ist vor allem Gina Lückenkemper zuzutrauen. Schritt für Schritt wächst die 21-Jährige in ihre Rolle hinein. Auch, weil sie anfängt, neben der Bahn Akzente zu setzen, ihre Bekanntheit (sinnvoll) einzusetzen. Sie ist Patin eines Kindes in Ghana, bemängelte des Öfteren schon die Reform des deutschen Leistungssports.
Sportlich könnte Lückenkemper bei der Heim-EM in Berlin durch Erfolge auf der Laufbahn einen weiteren Schritt in ihre neue Rolle hinein machen. „Ich will zwei Medaillen gewinnen“, sagt die seit diesem Jahr für den TSV Bayer Leverkusen startende Athletin. Über 100 Meter steht sie auf Platz sechs der europäischen Bestenliste und hat aufgrund dieser Top-Zwölf-Platzierung für den Vorlauf am Montag ein Freilos. Halbfinale und Finale finden am Dienstag statt. Die Abstände zu den vor ihr in der Rangliste platzierten Athletinnen bewegen sich im Hundertstelsekundenbereich.
Die deutsche Sprintstaffel war bei der WM in London als Vierte das zweitbeste europäische Team. Zumindest diesen Rang gilt es erneut zu erlaufen, insgeheim träumt das deutsche Quartett vom ganz großen Erfolg.
Die Medaillen, sie wären weitere Puzzleteile in einer Karriere, die bislang nur eine Richtung kannte: steil bergauf. Lückenkemper war als 16-Jährige schon die drittschnellste Frau in Deutschland, als 18-Jährige wurde sie U20-Europameisterin über 200 Meter, vor zwei Jahren gewann sie EM-Bronze bei den Erwachsenen über die halbe Stadionrunde und mit der Sprintstaffel. 2017 lief sie dann die schon erwähnten 10,95 Sekunden im 100-Meter-Vorlauf der WM. Solch eine schnelle Zeit, das schaffte in Deutschland zuletzt die später mit dem Kälbermastmittel Clenbuterol erwischte Katrin Krabbe 1991.
Dabei ist Lückenkemper ja erst 21 Jahre alt. Und damit keine, die in die Vergangenheit schaut, sondern eine, die in die Zukunft blickt. „Ich stehe noch am Anfang meiner Karriere, ich bin ja noch kein alter Hase“, sagt sie und fügt an: „Ich habe noch viele Jahre vor mir, bin gespannt, was noch alles kommt.“
Es werden wohl, so viel sei an dieser Stelle gemutmaßt, erfolgreiche Jahre. Es wäre jedenfalls nicht verwunderlich, wenn Gina Lückenkemper über Jahre das prägende Gesicht der deutschen Leichtathletik würde.
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