Didi Hamann glaubt an Bayern: "Bei Liverpool stottert der Motor"
Exklusiv Der Experte sieht die Münchner im Vorteil. Für die Reaktion des FCB nach seiner Kritik an Robert Lewandowski hat er „kein Verständnis“.
Herr Hamann, alle haben sich auf den Champions-League-Kracher Liverpool gegen Bayern gefreut. Aber das Hinspiel war eher eine zähe Angelegenheit. Sind Sie enttäuscht gewesen?
Dietmar Hamann: Nein, enttäuscht möchte ich nicht sagen. Ich war ja oft genug selbst bei solchen Spielen mit dabei. Da sieht man nicht immer das große Spektakel. Klar, es gab schon bessere Spiele als das vor vier Wochen. Aber man konnte die Spannung förmlich greifen.
Dabei war es ungewöhnlich ruhig im Stadion an der Anfield Road...
Hamann: Stimmt. Das ist mir schon bei „You’ll never walk alone“ vor dem Anpfiff aufgefallen. Das wurde von den Fans nicht mit dieser Überzeugung gesungen, wie ich es schon erlebt hatte.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Hamann: Der FC Liverpool befindet sich in einer ganz komischen Situation. Man war in der vergangenen Saison im Champions-League-Finale, hat zwischenzeitlich die Premier League mit sieben Punkten angeführt. Jetzt merkt man, dass es etwas zu verlieren gibt. Insgesamt ist die Erwartungshaltung größer geworden. Dazu kommt noch, dass man vor dem FC Bayern sehr großen Respekt hat. Das gilt auch für die Fans.
Jürgen Klopp sprach nach dem 0:0 vom besten Unentschieden, das man kriegen kann. Niko Kovac machte auch einen zufriedenen Eindruck. Wer hat denn nun die besseren Karten?
Hamann: Bei einem 0:0 ist eigentlich die Mannschaft im Vorteil, die beim Rückspiel auswärts antritt. Du reist doch immer mit dem Selbstvertrauen an, mindestens ein Tor zu machen. Und wenn dir das gelingt, muss der Gegner im eigenen Stadion schon zwei Tore schießen. Aber diesmal ist das anders. Mich hat schon überrascht, wie ideenlos Liverpool in der Offensive war – insbesondere in der zweiten Halbzeit. Die Mannschaft hat sehr große Ehrfurcht gezeigt und die wird in München noch größer sein. Bayern hat zuletzt 5:1 und 6:0 gewonnen, das hat man in Liverpool registriert. Es läuft wieder. Beim FC Liverpool stottert dagegen der Motor, auch wenn es am Wochenende einen 4:2-Sieg gegen Burnley gab.
Hätten Sie gedacht, dass Kovac die Bayern-Mannschaft nach einer schwierigen Phase so schnell wieder in die Spur bringt?
Hamann: Ehrlich gesagt nein. Ich ziehe meinen Hut vor Niko Kovac, wie er die Situation gemeistert hat. Zumal man ja nicht das Gefühl hatte, dass er die uneingeschränkte Unterstützung seitens der Vereinsführung erhielt. Aber er legte eine stoische Ruhe an den Tag, hat nichts Verrücktes gemacht, sondern blieb immer gelassen. Das überträgt sich auf die Mannschaft. Ich weiß nicht, ob ein anderer das auch so hinbekommen hätte.
Jürgen Klopp wird in Liverpool immer noch verehrt. Dabei hat er mit dem Klub noch nichts gewonnen.
Hamann: Das ist eine gefährliche Situation. Er genießt Heldenstatus, obwohl er den letzten Schritt über die Ziellinie noch nicht gemacht hat. Jürgen Klopp ist jetzt in seinem vierten Jahr in Liverpool, lässt attraktiven Fußball spielen und kommt mit seiner emotionalen Art bei den Fans sehr gut. Aber jetzt muss er auch einmal einen Titel gewinnen. Sonst kann die Stimmung auch schnell umschlagen.
Als Sky-Experte hatten Sie Robert Lewandowski in der Woche vor dem Hinspiel in Liverpool kritisiert.
Hamann: Mir hat vor allem sein Lamentieren, das Abwinken, die ganze Körpersprache nicht gefallen. Das ist nicht förderlich – vor allem wenn man zwei junge Spieler wie Coman und Gnabry an seiner Seite hat. Auf die muss man als erfahrener Spieler positiv einwirken. Gegen Liverpool war es schwer für Lewandowski. Aber er hat für die Mannschaft gearbeitet. Auch in den Spielen danach hat er gekämpft und Tore geschossen – wobei ich ihn nicht allein auf die Tore reduzieren will. Wichtig ist, dass er für die Mannschaft arbeitet. Und das tut er jetzt wieder. Um das aber klarzustellen: Ich würde nie behaupten, dass das mit meiner Kritik zu tun hat.
Sie wurden von der Bayern-Führungsriege wegen Ihrer Aussagen zu Robert Lewandowski heftig attackiert. Hoeneß nannte Sie einen „Allesbesserwisser“.
Hamann: Ist ja klar, dass die Bayern-Verantwortlichen ihre Spieler verteidigen. Aber das muss auf eine gewisse Art und Weise passieren. Für persönliche Attacken habe ich kein Verständnis.
Man hat das Gefühl, dass die Bayern-Oberen besonders empfindlich sind, wenn ehemalige Spieler Kritik äußern...
Hamann: Ich fühle mich meinem Sender und den Zuschauern gegenüber verpflichtet, das zu sagen, was mir auffällt – egal ob ich mal für den FC Bayern gespielt habe oder nicht.
Beim FC Bayern hat zuletzt die Ausbootung von Hummels, Boateng und Müller für Unruhe gesorgt. Auch die Spieler haben ihren Unmut geäußert.
Hamann: Sie haben allen Grund dazu. Sportlich kann man über Löws Entscheidung diskutieren, aber der Stil und der Zeitpunkt – das geht nicht. Wenn, dann hätte der Bundestrainer im Sommer einen Schnitt machen können.
Beim Hinspiel in Liverpool haben sich beide Teams auf hohem Niveau neutralisiert. Was erwarten Sie am Mittwoch für ein Spiel?
Hamann: Ich glaube, dass es eher wieder ein Taktieren als ein Offensivspektakel geben wird. Und das spielt den Bayern mehr in die Karten. Für sie spricht auch ihre größere Erfahrung. Insgesamt sehe ich den FC Bayern München im Vorteil.
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