Die DFB-Elf spielt… und keiner geht hin
In diesem Jahr kamen merklich weniger Zuschauer zu den Länderspielen als in der Vergangenheit. Das hat nichts mit teuren Tickets oder unattraktiven Gegnern zu tun.
Es passiert selten, dass Jens Grittner aktiv in die Meinungsbildung eingreift. Der sichtbare Teil von Grittners Arbeit liegt darin, die Pressekonferenzen der deutschen Nationalmannschaft zu moderieren. Er stellt normalerweise eine einleitende Frage an den Spieler oder Trainer und ruft anschließend wie in der Schule die Journalisten auf, auf dass sie Wegweisendes („Nächster Gegner ist immer der Schwerste“, „Spiele da, wo mich der Trainer hinstellt“) von den Adlerträgern erfragen. Diesmal jedoch war es ihm ein Anliegen, doch noch selbst etwas zu sagen. Nachdem Toni Kroos und Joachim Löw vom Podium gestiegen waren, nahm er Stellung zu der – seiner Meinung nach – unzutreffenden Berichterstattung der vergangenen Tage.
Günstige Tickets reichen nicht, um die Stadien bei Länderspielen zu füllen
Grittner hatte lesen müssen, dass die Spiele der Nationalmannschaft unter anderem deswegen auf nicht allzu großes Zuschauerinteresse stoßen würden, weil die Tickets zu teuer seien. „Der DFB hat in Gladbach (gegen Weißrussland) 10.000 Tickets zu je zehn Euro verkauft und in Frankfurt werden es auch 8000 sein“, sagte Grittner. Zudem seien in der weiterhin günstigsten Preiskategorie Karten für 25 Euro zu haben.
Das Problem nur zum Teil gefüllter Stadien aber hat der Fußballverband dadurch noch nicht in den Griff bekommen. Am Dienstag werden gegen Nordirland rund 40.000 Anhänger in der Frankfurter Arena erwartet (20.45 Uhr, RTL). Zugelassen ist sie bei Länderspielen aber für 48.000 Zuschauer. Im Schnitt werden somit etwa 37.000 Fans die sechs Heimspiele in diesem Länderspieljahr besucht haben. Das sind 9000 weniger als im vergangenen Jahr. Vor sechs Jahren waren es sogar über 51.000 Zuschauer, die durchschnittlich die Nationalmannschaft im Stadion sehen wollten.
Selbstverständlich hängt der Zuspruch auch immer von Faktoren wie der Attraktivität des Gegners, dem Wetter oder der Anstoßzeit ab. Nur: Die deutsche Mannschaft spielte in diesem Jahr unter anderem gegen die Niederlande und Argentinien. Qualifikationsspiele gegen Gegner der Güteklasse Nordirland und Weißrussland gab es schon immer, und dass im November selten die Sonne bei windstillen 25 Grad scheint, ist auch nicht neu.
Deutschland hat die Lust an der Nationalmannschaft verloren
Schlussfolgerung: Fußball-Deutschland hat die Lust an der Nationalmannschaft zumindest teilweise verloren. Eine Erkenntnis, die nach dem Vorrunden-Aus bei der WM im vergangenen Jahr nicht allzu schwer zu finden ist und die auch Toni Kroos teilt. „Von außen steht das alles noch unter dem Stern von 2018. Da müssen wir uns als Mannschaft natürlich wieder zurückkämpfen.“ Dabei sieht er das Team auf einem guten Weg. Man sei dabei, „Gründe zu liefern, damit die Fans ins Stadion gehen“. Die Mannschaft hat in diesem Jahr lediglich ein Spiel verloren und „auch nicht schlechter gespielt als vor zehn Jahren“.
Damals allerdings erwarteten auch die wenigsten reihenweise Siege. Nach der Heim-WM erfreuten sich die Fans an einer Mannschaft, die sichtbar in der Entwicklung steckte, ihr Potenzial aber immer zumindest andeutete und – das ist der wohl größte Unterschied – bei keinem Turnier schon ausgeschieden ist, als es gerade erst angefangen hatte.
Da ist sie dann wieder, die immerwährende Parallele zum wirklichen Leben. Es dauert lange, Vertrauen aufzubauen, um es aber zu enttäuschen, braucht es nicht viel.
Das Spiel gegen Nordirland ist freilich nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer Beziehung, die vor gar nicht allzu langer Zeit geprägt war von gegenseitiger Zuneigung. Derzeit aber begegnen sich Fans und Spieler noch eher skeptisch. Anhänger bleiben dem Stadion fern und Kroos sagt beispielsweise, es müsse „jeder selbst entscheiden, ob er ins Stadion kommt“. Zweifellos richtig. Früher aber bestand für Anhänger gar nicht erst die Frage, ob sie nun zehn, 20 oder auch 80 Euro für die Nationalmannschaft ausgeben sollen. Sie taten es, weil es eine Selbstverständlichkeit war. So, wie dem deutschen Spiel aber die Automatismen abhandengekommen sind, sind sie es eben auch den Zuschauern.
Gegen die Nordiren geht es deshalb nicht nur darum, ob die Mannschaft die Qualifikation vor den Niederländern abschließt und dadurch möglicherweise leichtere Gegner bei der EM zugelost bekommt. Das Team kann auch wieder etwas Vertrauen zurückgewinnen. Im Zweifelsfall ist das wichtiger.
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37.000 Zuschauer im Schnitt ist also 'keiner'. Nunja, Journalismus liebt Überspitzung. Trotzdem finde ich das Theater, das jetzt darum gemacht wird übertrieben. Irgendwo stand gar was von einem 'Geisterspiel' in Mönchengladbach. Dabei war das Stadion zu 3/4 besetzt. 33.000 Geister. Wer sie rief wurde sie auch nicht los haha.
Natürlich wirkt die Enttäuschung über das schmähliche Ausscheiden in der Vorrunder der WM 18 noch nach, auch hat die Deutsche Nati noch nicht wieder ein Gesicht gefunden. Den Rest besorgt das Überangebot an Fußball, die Anstoßzeiten, die Jahreszeit, der Gegner.
Jammern auf hohem Niveau.