Operation Aderlass
Die Nordische Ski-WM hat ihren großen Skandal. Während einer Razzia werden neun Personen festgenommen. Ein Sportler wird auf frischer Tat ertappt. Die Behörden sind sicher: Es sind auch andere Sportarten betroffen
Es war ein merkwürdiges Kontrastprogramm gestern Nachmittag bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld. Draußen an der Loipe und im Stadion bejubelten tausende Zuschauer die Langlaufstars, sahen über die 15 Kilometer im klassischen Stil einen Sieg des Norwegers Martin Johnsrud Sundby. Sonnenschein, buntes Fahnenmeer, idyllisches Bergpanorama. Knapp 25 Kilometer entfernt zogen in Innsbruck zeitgleich dunkle Wolken über dem Sport auf. Bei einer Pressekonferenz der Landespolizeidirektion Tirol präsentierten die Ermittler erste Ergebnisse ihrer „Operation Aderlass“, einer groß angelegten Razzia gegen ein international agierendes Dopingnetzwerk.
Frühmorgens wurden im WM-Ort Seefeld und in Erfurt 16 Wohnungen durchsucht. Rund um Seefeld wurde der Verkehr kontrolliert, einige Straßen wurden gesperrt. Das Vorgehen war bis ins Detail geplant. Insgesamt waren 120 Beamte und Fahnder im Einsatz, in Tirol sogar die Polizei-Sondereinheit Cobra. „Uns ist es gelungen, auch einen Sportler auf frischer Tat zu ertappen. Er hatte noch die Bluttransfusion im Arm stecken“, sagte Dieter Csefan vom Bundeskriminalamt. Dieser Sportler sei wegen des Verdachts des Dopings und Sportbetrugs ebenso festgenommen worden wie vier weitere Athleten, der 40-jährige Sportmediziner Mark Schmidt aus Deutschland und drei seiner Komplizen. Namen der Sportler wollte Csefan zunächst nicht bestätigen. Fakt ist: Es sind zwei Österreicher, zwei Esten und ein Kasache, allesamt Langläufer. Der Österreichische Skiverband (ÖSV) bestätigte mittlerweile, dass es sich bei den einheimischen Läufern um Max Hauke (26, Steiermark) und Dominik Baldauf (26, Vorarlberg) handelt. Sie waren beim Teamsprint am Samstag noch als Überraschungsfinalisten gefeiert worden.
Auslöser der neuen Ermittlungswelle waren die Enthüllungen des früheren Dopingsünders Johannes Dürr, ebenfalls ein Österreicher. Er hatte in einer ARD-Dokumentation Anfang des Jahres die Dopingpraktiken im modernen Leistungssport offengelegt. Zusammen mit der Staatsanwaltschaft München I habe man aus den Zeugenaussagen Dürrs entsprechende Erkenntnisse gewonnen. Hansjörg Mayr, Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, erklärte: „Wir hatten konkrete Hinweise, dass unser Hauptverdächtiger, der Arzt aus Erfurt, in den kommenden Tagen nach Seefeld kommen würde, um hier Sportler auf nicht legale Weise zu behandeln.“ Im Vorfeld seien an beiden Orten diverse Verdächtige entsprechend observiert worden.
Seit mehreren Monaten schon dauerten die grenzübergreifenden Ermittlungen an. Nun sei die Indizienkette geschlossen, erklärte die Staatsanwaltschaft – vom Haupttäter bis zum Sportler. Als Beweismittel wurden in dem illegalen Dopinglabor in Thüringen unter anderem Blutbeutel, Transfusionen, eine Blutzentrifuge, Datenträger und Computer sichergestellt. Die Ermittler sind sich sicher: Seit mindestens fünf Jahren soll der Sportmediziner bereits illegal Maßnahmen zur Leistungssteigerung unterstützt und ausgeführt haben. Konkret geht es um Blutdoping. Csefan meinte: „Es sind sicher auch noch andere Sportarten betroffen.“
Beim ÖSV reagierte man schockiert auf die Nachricht. „Nichts ist niederträchtiger als das Erkaufen von besseren Resultaten durch illegale leistungssteigernde Methoden. Ich bin zutiefst verärgert, dass einzelne Athleten scheinbar nichts aus der Vergangenheit gelernt haben“, sagte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel. Er werde dem Verbandspräsidium nach dieser Saison vorschlagen, den Langlaufsport in Österreich völlig neu zu organisieren. Schröcksnadel sagte aber auch: „Wir können nicht für jeden Einzelnen garantieren, dass er sich an die strengen Bestimmungen hält. Die Verantwortung trägt jeder einzelne Athlet selbst, die Folgen auch. Klar ist, wer dopt, wird unverzüglich aus dem ÖSV ausgeschlossen. Die juristischen Konsequenzen werden die Behörden ziehen.“
Sportler des Deutschen Ski-Verbands waren von der Razzia nicht betroffen. Das bestätigte DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach: „Es gab und gibt keinerlei Kontakte zwischen Mark Schmidt und dem DSV. Wir halten nichts von der Devise ’Erfolg um jeden Preis’.“
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