Angetreten als Sanierer, hat sich Fifa-Präsident Gianni Infantino schnell zum Blatter 2.0 entwickelt. Seine Methoden sind allerdings deutlich ausgefeilter.
Wer wissen will, wie eine gmahde Wiesn aussieht, hätte am Mittwoch nach Paris blicken müssen. Dort wählte der Fußball-Weltverband seinen Präsidenten. Besser: Gianni Infantino ließ sich in seinem Amt bestätigen. Per Applaus. Ohne Gegenkandidat. Und reflexartig wünscht man sich Sepp Blatter zurück.
Ein Funktionär der alten Schule. So herrlich korrupt auf eine Art, die im Rückblick fast schon putzig wirkt. Als der kleine Schweizer amtierte, wechselten noch Geldkoffer diskret die Besitzer, wurden vor Wahlen Stimmen munter gehandelt. Es war eine Welt, in der zumindest eine Regel herrschte: Macht kostet Geld. Und jeder zwackte sich ein bisschen was vom Kuchen ab.
Infantino trat an als Sanierer - und wurde zum Blatter 2.0
Um Macht und Geld geht es auch heute noch. Fußball ist ein gigantisches Geschäft. Nur hat Infantino aus den Fehlern seines Vorgängers gelernt. Angetreten als Sanierer, hat er sich schnell zum Blatter 2.0 entwickelt. Schon der Terminator sah sich in den Fortsetzungen des Hasta-la-Vista-Klassikers mit aufgemotzten Versionen seiner selbst konfrontiert. Die infantinoische Version eines Fußball-Funktionärs in leitender Position hat nichts mehr von dem undurchschaubaren Filz der 2000er. Infantino schuf klare Verhältnisse, entledigte sich aller interner Kritiker und ersetzte sie durch Getreue. Seine Macht fußt auf einem komplexen System aus Dankbarkeit und Abhängigkeit. Vor allem kleinere Verbände sind Infantino dank großzügiger Entwicklungshilfe treu ergeben.
Dazu noch ein alter Schulfreund, der, wie praktisch, Staatsanwalt in der Schweiz ist. Dort also, wo die Fifa ihren Sitz hat. In alter Verbundenheit spendierte Infantino seinem Kumpel WM-Tickets und diverse andere Aufmerksamkeiten. Im Gegenzug soll dieser Infantino mit dem schweizer Bundesanwalt Michael Lauber bekannt gemacht haben. Reiner Zufall, dass Schweizer Staatsanwälte 2015 schnell, umfassend und auffallend gut informiert gegen Blatter – und prompt auch gegen dessen potenziellen Nachfolger Michel Platini – ermittelt hatten. Danach war der Weg frei für Infantino.
Infantino regiert die Fifa nach Belieben
Das alles lässt den Umkehrschluss zu, dass sich im Weltverband seit dem Sturz Blatters nichts Grundsätzliches geändert hat. Nur dass aus der Axt das Florett wurde. Infantino ist auf dem Höhepunkt seiner Macht und regiert die Fifa nach Belieben. Selbst mit seinem größenwahnsinnigsten Plan, die kommenden WM-Turniere für 25 Milliarden Dollar an einen privaten Investor zu verhökern, scheiterte er erst in letzter Sekunde.
Und wie bewertet der DFB das Treiben Infantinos? Bei der Wahl klatschten die deutschen Vertreter munter mit. Man wolle seine nächste Amtszeit kritisch begleiten, lautete die offizielle Sprachregelung. Oder: Dem Allgewaltigen will sich niemand in den Weg stellen – nicht einmal der größte Fußballverband der Welt.
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