
Sekundenschlaf raubt Vettel WM-Führung

Schon im Auto machte Sebastian Vettel eindeutige Gesten, auf dem Siegerpodest schmiss er seine Kappe auf den Boden. Nach seinem Sekundenschlaf beim Großen Preis von Ungarn hat Sebastian Vettel die erste WM-Führung seiner Formel-1-Karriere verpasst.
Der von Pole Position gestartete Heppenheimer musste auf dem Hungaroring für eine Unachtsamkeit im 100. Red-Bull-Rennen mit einer Durchfahrtsstrafe büßen und kam beim Sieg seines Teamkollegen Mark Webber nicht über Platz drei hinaus. "Das wäre heute ein Spaziergang gewesen, das Rennen zu gewinnen. Ich hätte gewinnen müssen, aus manchen Gründen ist das nicht passiert. Ich bin sehr enttäuscht", gestand der verzweifelte Vettel.
Während Rekordweltmeister Michael Schumacher beim schwarzen Mercedes-Wochenende mit einem kompromisslosen Manöver für Aufsehen sorgte, konnte sich Hockenheim-Gewinner Fernando Alonso im Ferrari auch noch vor Vettel schieben. Dem 23-Jährigen war das Lausbuben-Grinsen aus dem Gesicht gewichen, der Drei-Tage-Bart konnte die Verbitterung auch nicht verbergen. "Er ist frustriert. Diesen Sieg hätte er locker einfahren können", meinte Teamchef Christian Horner.
Webber nutzte indes in seinem 150. Grand Prix die Gunst der Stunde und den Ausfall des bis dato in der WM-Wertung führenden Lewis Hamilton, der seinen McLaren-Mercedes wegen eines Getriebeschadens vorzeitig abstellen musste. "Ein unglaublicher Erfolg fürs Team", freute sich Webber. Der Australier, von Platz zwei hinter Vettel gestartet, profitierte von der einzigen Safety-Car-Phase des Rennens und übernahm vor der rund dreiwöchigen Sommerpause mit 161 Punkten nach zwölf Rennen die Spitze. Es war Webbers vierter Saisonsieg. In der Gesamtwertung folgen Hamilton (157) und Vettel (151).
Ein erneutes Wochenende zum Vergessen erlebte das Silberpfeil-Team. Schumacher verpasste nach Startplatz 14 im Mercedes die Punkte und wurde bereits elf Umläufe vor dem Ende von Webber überrundet. Bei einem anschließenden Überholmanöver seines Ex- Teamkollegen Rubens Barrichello hätte der 41-Jährige den Williams- Pilot beinah in die Mauer gedrückt hätte. "Das war grausam", schimpfte Barrichello: "Wenn er vor mir in den Himmel kommen möchte, ist mir das egal."
Schumachers Aktion rief auch die Rennkommissare auf den Plan. "Für meine Begriffe war genügend Platz, dass er vorbei konnte. Ich wollte ihm natürlich das Leben so schwer machen wie möglich. Faktum ist, dass wir uns nicht berührt haben und Rubens vorbei gefahren ist - leider Gottes", wehrte sich Schumacher.
Mercedes-Kollege Nico Rosberg musste nach einer gefährlichen Reifenwechsel-Panne in der Puszta aufgeben, als sein Hinterrad durch die Box hüpfte. "Von mir gibt es kein ernstes Wort, das kann passieren. Ich habe es auch zu spät realisiert", meinte der Wiesbadener. "Heute lief gar nichts", konstatierte Mercedes- Motorsportchef Norbert Haug.
Landsmann Adrian Sutil schied nach einem schuldlosen Crash ebenfalls früh aus. Erfreulich dagegen Nico Hülkenberg: Der Emmericher schaffte im Williams sind bislang bestes Resultat und landete auf Platz sechs. "Meine Tendenz ist steigend in der Qualifikation und im Rennen. Es gilt jetzt, so weiter zu machen", meinte er. Timo Glock belegte im unterlegenen Virgin Platz 16.
"Diesmal nicht" schien sich Vettel zumindest beim Start zu sagen. Eine Woche nachdem er beim Deutschland-Rennen von der Pole aus das Nachsehen gehabt hatte, ließ er sich die Top-Ausgangsposition nicht entreißen - auch wenn es knapp war, denn von hinten drängelte Alonso. Der Spanier schnappte sich Webber auf den ersten Metern und hatte vor der ersten Kurve sogar die Ferrari-Nase vor Vettels überlegenem Red Bull. Der Heppenheimer nutzte jedoch die Innenbahn, Alonso reihte sich nach der ersten Biegung auf Platz zwei ein, Webber auf drei.
Vettel drehte ungestört seine Runden und verschaffte sich einen ordentlichen Vorsprung. Turbulent wurde es dann, als ein Teil auf der Strecke eine Safety-Car-Phase in der 15. Runde auslöste. Vettel und seine Verfolger kamen zum Reifenwechsel in die Box - außer Webber. Beim Restart leistete sich Vettel dann seine Auszeit, er ließ mehr Abstand als die vorgeschriebenen zehn Fahrzeuglängen. "Ich weiß nicht, vielleicht hab ich geschlafen. Mich zu sehr auf den Funk verlassen. Ich habe auf Anweisungen gewartet." Rang drei und ein Rückstand von fast 20 Sekunden auf Sieger Webber, der die 306,630 Kilometer in 1:41:05,571 Stunden bewältigte, waren die Quittung.
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