Ärger um die wissenschaftliche Begleitung der Fan-Rückkehr
14.500 Menschen dürfen zum Spiel der DFB-Elf. Die Politik rühmt die Fan-Rückkehr als Pilotprojekt. An der wissenschaftlichen Begleitung gibt es massive Kritik.
Die EM-Spiele in München sollen Festtage für die Fans werden: Endlich sind wieder Fans in den Stadien erlaubt. Jeweils 14.500 Personen sind zu den drei Vorrundenspielen und dem Viertelfinale in der Münchner Arena zugelassen. Das wird auch am Samstag gegen Portugal (18 Uhr, ARD und Magenta TV) so sein.
Selbst Ministerpräsident Markus Söder, der sonst bekanntlich eher im Team der strengen Mahner spielt, verbreitete im Vorfeld Optimismus und verwies auf das Hygienekonzept: "Es ist an alles gedacht." Die EM-Spiele könnten "alle mit gutem Gewissen genießen". Nur in einem Fall gärte es etwas hinter den Kulissen: Wie die Fan-Rückkehr, von der Politik als Pilotprojekt für andere Großveranstaltungen, etwa im Bereich der Kultur deklariert, wissenschaftlich begleitet werden soll – das war lange Zeit unklar.
Vier Tage vor dem ersten Spiel gab es laut BR noch kein Konzept
Eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks vier Tage vor dem ersten Auftreten der DFB-Elf offenbarte Überraschendes. Das Gesundheitsministerium teilte dem BR offenbar mit: "Es wird keine wissenschaftliche Begleitung der Fußballspiele geben." Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) widersprach noch am selben Tag: Man wolle die Erkenntnisse aus den EM-Spielen in München "auswerten, wissenschaftlich begleiten und dann auch die richtigen Schlussfolgerungen ziehen". Wie genau und unter welcher Verantwortung dies erfolgen soll – dazu ließ sich der Minister damals noch nicht im Detail aus.
Erst am Mittwochabend, einen Tag nach dem ersten Spiel der deutschen Mannschaft gegen Frankreich, wurde nach einer Anfrage der Landtagsfraktion der Grünen bekannt, dass das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) für die wissenschaftliche Begleitung zuständig sein soll.
EM-Spiele in München: Gesundheitsministerium will Infektionen nachverfolgen
Eine Antwort des Gesundheitsamtes am Freitag liest sich schließlich konkreter. Ein Ministeriumssprecher antwortete unserer Redaktion, dass die Nachverfolgung von Corona-Infektionsfällen bei Menschen, die eines der EM-Spiele in München besucht haben, im Mittelpunkt stehe. Dabei werden alle bayerischen und umliegenden Gesundheitsämter sowie auch Gesundheitsämter darum gebeten, Erkrankungsfälle, die in Zusammenhang mit einem EM-Spiel in München entstanden sind, zu melden und die Personen zu befragen. Dabei stehe das LGL in Austausch mit dem Robert-Koch-Institut.
Für Maximilian Deisenhofer, sportpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, reicht das nicht aus. Er wirft der Staatsregierung Konzeptlosigkeit vor. "Zuerst konnte es die Staatsregierung lange nicht sagen, wer für die wissenschaftliche Begleitung zuständig ist. Nun soll es nach einer Woche der Unklarheit das LGL machen, das gerade wahrlich genug anderes zu tun hat." Nur darauf zu achten, ob es Infektionen oder nicht gebe, sei nicht genug: "Man hätte die An- und Abreise der Leute begleiten können oder darauf schauen, wie die Lage an Kiosken oder Toiletten ist. Das ist eine vertane Chance."
Wissenschaftliche Erkenntnisse könne man nun kaum erwarten: "Das ist eine reine Alibi-Veranstaltung. Man hätte so ehrlich sein und sagen sollen, dass die Uefa eben Zuschauer verlangt hat – sonst hätte es keine Spiele in München gegeben." Der Kontinentalverband hatte die Zulassung von Zuschauern zur zwingenden Voraussetzung für EM-Spiele in München gemacht.
Forscher Fritz Sörgel stellt der Politik ein gemischtes Zeugnis aus
Die wissenschaftliche Begleitung von Fußballspielen verlangt Fritz Sörgel seit Beginn der Corona-Pandemie. Der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg erhofft sich vor allem Erkenntnisse, wie sich das Coronavirus vor allem hinsichtlich der Aerosole in einem Fußballstadion verbreitet. Bislang ist aber kein Verein diesen Forderungen nachgekommen. Dem Konzept der Staatsregierung stellt Sörgel ein gemischtes Zeugnis aus: "Das kann man sicherlich so machen. Aber die Vorgehensweise muss ergänzt werden durch direkte Untersuchungen bei den Besuchern."
Viel mehr käme es auf die Erfassung der asymptomatischen Besucher an, die das Virus weitergeben können. Das können alle drei zugelassenen Gruppen sein: die Genesenen, die Geimpften und die Getesteten. "Man würde sich auch wünschen, dass jeder Stadionbesucher mindestens bis zur dritten Woche nach dem Spiel angeschrieben und nach Symptomen befragt wird. Und man muss sich drauf verlassen, dass sich die Leute zurückmelden.
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