Isabell Werth bedauert Doping-Vorfall "zutiefst"
Warendorf (dpa) - Vom Glanzstück zum Problemfall: Die Doping-Affären und Enthüllungen im Reitsport haben mit der positiven A-Probe bei Isabell Werths Pferd Whisper eine neue Dimension erreicht. In einer schriftlichen Stellungnahme bedauerte die Dressur-Reiterin den Vorfall "zutiefst".
Ausgerechnet die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt muss sich nun wegen des Fundes von Fluphenazin verantworten. "Es gibt für Pferde in Deutschland kein Arzneimittel, in dem Fluphenazin enthalten ist", sagte Professor Manfred Kietzmann, Pharmakologe der Tierärztlichen Hochschule Hannover, der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Wenn man es hier als Medizin verwendet, ist das illegal, und wenn man es als Doping verwendet sowieso", bekräftigte Kietzmann. Werth wurde vom Verband vorläufig suspendiert, ihr droht eine Sperre von bis zu zwei Jahren.
"Ich bin mir bewusst, dass ich zu Zweifeln an der Redlichkeit und Sauberkeit meiner Person und unseres Sports Anlass gegeben habe. Ich entschuldige mich auf diesem Wege bei allen, die dem Reitsport und mir verbunden sind", sagte Werth in einer schriftlichen Stellungnahme. Sie erklärte die Einnahme des Medikaments mit der Erkrankung ihres Pferdes am sogenannten "Shivering Syndrom, zu Deutsch Zitterkrankheit genannt". Es handele sich um eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, die Gleichgewichtsstörungen auslöse. Sie habe sich bei ihrem Tierarzt erkundigt, ob und wie man dieses Shivering Syndrom behandeln könne. Werth: "Wir haben Whisper daraufhin am 16. Mai 2009 einmalig mit diesem Medikament behandelt, um herauszufinden, ob er auf dieses Medikament anspricht."
Sie sei der Überzeugung gewesen, "korrekt gehandelt zu haben" und wünsche sich, "dass das Reglement möglichst rasch so überarbeitet wird, dass sinnvolle medizinische Behandlungen bei Sportpferden möglich werden, ohne dass man deswegen lange Sperren riskiert, weil sich die Absetzzeiten wegen laufend neuer Analysemethoden ständig verändern und im doppelten Sinn des Wortes unberechenbar werden."
Geschockt und entsetzt reagierten Verband, Bundestrainer und Kolleginnen auf den erneuten Tiefschlag. "Ich bin erschüttert. Das ist eine Katastrophe für den Pferdesport", kommentierte Breido Graf zu Rantzau, Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). "Isabell ist schockiert - und ich auch", sagte Madeleine Winter- Schulze, die Besitzerin von Whisper.
Fluphenazin, das beim Internationalen Pfingstturnier in Wiesbaden bei dem Wallach gefunden worden ist, wird in der Humanmedizin als Psychopharmakon eingesetzt. Es war 2004 beim Pferd des irischen Springreiters Cian O'Connor gefunden worden, der seine Goldmedaille daraufhin verlor. Bei Fluphenazin handelt sich nach Angaben des internationalen Verbandes FEI um Doping und nicht um - die minder schwere und nur im Reitsport vorhandene - verbotene Medikation. Bundestrainer Holger Schmezer sagte: "Ich bin erschrocken. Das verstehe ich nicht."
Zuletzt hatten deutsche Springreiter für positive Fälle und negative Schlagzeilen gesorgt, doch nach dem Dopingfund bei Christian Ahlmanns Olympia-Pferd Cöster und den Bekenntnissen von Ludger Beerbaum über den Umgang mit Medikamenten sorgt nun ausgerechnet Werth für ein neues Erdbeben im Reitsport. Bisher galt sie als Vorzeigefrau des Reitsports. Neben fünf olympischen Goldmedaillen gewann sie sechs WM- und zwölf EM-Titel.
Die 39 Jahre alte Reiterin aus Rheinberg ist vorläufig suspendiert und dürfte damit in der kommenden Woche nicht beim CHIO in Aachen reiten. Am 25. Juni soll es eine Anhörung durch den Internationalen Reitverband (FEI) geben. Werth will nach FN-Angaben die Öffnung der B-Probe beantragen.
Der deutsche Verband kämpft seit Monaten gegen Doping und Manipulation im Reitsport. Vor wenigen Wochen hatte die FN die Kader der drei olympischen Disziplinen aufgelöst und eine unabhängige Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit der Befragung der Reiter beauftragt. Pikant ist, dass ausgerechnet Werth dieses Vorgehen scharf kritisiert hatte.
"Das zeigt, dass wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind", sagte der Verbandspräsident zu dem neuen Problemfall des Verbandes. Rantzau fühlt sich in dem rigorosen Vorgehen der FN bestärkt: "Wir müssen weitermachen. Wir können nicht davon ausgehen, dass der Sport sofort sauber ist. So schnell geht das nicht."
Alle Reiter, die bisher Kadermitglieder waren, müssen sich von Mitte Juli an der DOSB-Kommission stellen. Erst wenn es keine Einwände gibt, dürfen sie in den Kader zurück und bei den Europameisterschaften starten. Das Dressurteam wird wohl auf seine zuletzt beste Reiterin verzichten müssen. Zunächst muss Bundestrainer Schmezer aber Ersatz für den CHIO nominieren. "Das ist noch zu früh", sagte er dazu.
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