Jimmy Greaves: Der heimliche Star wird 80 und sitzt im Rollstuhl
Beim Spiel gegen RB Leipzig wird Tottenham einen der größten Stars würdigen, die der englische Fußball je hatte: Jimmy Greaves. Seine Alkoholbeichte schockte die Fußballnation.
RB Leipzig, der Klub aus der Brause-Retorte, kann am Mittwoch in seinem ersten K.o.-Spiel der Champions League erleben, was Tradition im Fußball bedeutet und wie sie gepflegt wird. Tottenham Hotspur nutzt die Partie an der White Hart Lane zur Würdigung eines Mannes, der England mit seinem unheimlichen Torinstinkt begeisterte, dann mit seinem Alkoholiker-Bekenntnis schockierte und als TV-Kommentator amüsierte. Am Donnerstag wird er 80.
"Mein Name ist Jimmy Greaves. Ich bin Profifußballer. Und ich bin Alkoholiker." Mit diesen Sätzen machte einer der besten Torjäger der Welt seine Krankheit 1978 öffentlich. In seiner Autobiographie schilderte er seine Trinkgewohnheiten: "Tagsüber 20 Pints Bier, dann vorm Schlafengehen eine Flasche Wodka. Die nächste Pulle stand am Bett, damit ich morgens sofort einen Schluck nehmen konnte."
Premier League: Bei der Alkohol-Beichte war die Fußball-Nation schockiert
Seine öffentliche Alkoholbeichte machte weltweit Schlagzeilen, die Fußball-Nation war schockiert. Dabei wussten doch alle, das kernige Trinkgelage zum Alltag der meisten englischen Profiteams der sechziger und siebziger Jahre gehörte. Im Training beim FC Chelsea, seinem ersten Club, spielten die "Pint Men", die Biertrinker also, manchmal gegen die "Shorties", die Schnapstrinker. Greaves selbst nutzte außerhalb der Pubs, die er regelmäßig aufsuchte, einen Trick von Hollywood-Star Errol Flynn: Er futterte reihenweise Orangen, die er mittels einer Spritze vollgepumpt hatte mit Wodka.
Mit 44 Länderspieltoren ist er der viertbeste Schütze der "Three Lions", hinter Wayne Rooney, Bobby Charlton und Gary Lineker. Als Junge kickte er auf den Straßen in East London fast nur mit alten Tennisbällen, weil keiner Geld für einen Fußball hatte. Darauf führte er selbst seine gute Ballbehandlung zurück. Er war nur 1,73 Meter groß, alles andere als ein typisch britischer Sturmtank.
Jimmy Greaves war der erste 100.000-Pfund-Spieler Englands
Mit 17 debütierte er für den FC Chelsea und traf auf Anhieb – was ihm bei all seinen Clubs und in allen Auswahlteams gelang. In 566 Spielen der First Division, wie die Premier League damals hieß, erzielte "Greavsie" 357 Tore, wurde sechs Mal Torschützenkönig. Seine besten Jahre hatte er von 1961 bis 1970 bei Tottenham, wo er zur unvergessenen Club-Ikone wurde. Die Londoner hatten ihn vom AC Mailand nach England zurückgeholt – für eine Ablöse von 99 999 Pfund, um den Druck von ihm fernzuhalten, der erste 100.000-Pfund-Spieler Englands zu sein. Dabei war Druck das wenigste, das Greaves empfand. Vor ein paar Jahren sagte er kopfschüttelnd in einem Interview: "Man trainiert an vier Tagen, wird gehegt und gepflegt und darf am Samstag tun, was man am meisten liebt: Fußball spielen. Wie kann das Druck sein?"
Sein größter Sieg war der über den Alkohol, er blieb trocken und wurde in den achtziger Jahren zum Fernsehstar: Zusammen mit dem einstigen Liverpool-Star Ian St. John diskutierte er in "Saint and Greavsie" über den aktuellen Spieltag – und zwar so witzig, spontan und fachkundig, dass die Sendung ein Renner war.
Nur weil sich Greaves verletzte, spielte Hurst das Finale gegen Deutschland
Das alles und noch vieles mehr aus dem Leben von Jimmy Greaves gehört für englische Fußballfreunde zum Allgemeinwissen. In Deutschland ist er kaum ein Begriff – dabei hätte es ganz anders sein können. Geoff Hurst, der 1966 mit drei Finaltoren gegen Deutschland zum einzigen Weltmeister-Titel schoss, ist auch hierzulande wohlbekannt. In das Turnier ging er als Ersatzmann, gesetzt im Sturm war Greaves, der im letzten Gruppenspiel gegen Frankreich verletzt wurde. Nur so kam Hurst in die Mannschaft.
Am Mittwoch Abend ist Greaves der heimliche Star. Er ziert das Cover des "Official Matchday Programme", auf den Leinwänden werden Bilder seiner großen Spiele gezeigt, "Greavsie", der Doku-Film über sein Leben, hat Premiere. Viele Mitglieder seiner Familie werden dabei sein, er selbst kann nicht kommen. Seit einem schweren Schlaganfall vor vier Jahren sitzt er im Rollstuhl.
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