Laura Dahlmeier könnte der Star der Olympischen Winterspiele werden
Biathletin Laura Dahlmeier gilt als große deutsche Olympia-Hoffnung - eine Rolle, die sich die 24-Jährige selbst nicht gewünscht hat. Der Trubel wird ihr manchmal zu viel.
Interview-Termin im Presseraum von Ruhpolding. Laura Dahlmeier kommt überpünktlich, nimmt auf dem leeren Podium Platz und vertreibt sich die Zeit wie viele 24-Jährige mit ihrem Handy. Nachrichten lesen und beantworten. Sofort taucht ein Fotograf auf und schießt Bilder. Dahlmeier ist genervt, zieht sich ganz in die Ecke zurück und dreht sich in Richtung Wand. Sie will ihre Ruhe haben.
Die Szene am Rande der Weltcuprennen Mitte Januar in Oberbayern ist bezeichnend. Laura Dahlmeier ist der Star der Biathleten und das Gesicht des Wintersports. Der Rummel um ihre Person schwillt weiter an. „Wir müssen auf sie aufpassen und sie schützen“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Skiverbandes, Stefan Schwarzbach.
Biathlon: Laura Dahlmeier ist überwältigt vom Zuspruch ihrer Fans
Die Basis für ihre Popularität legte die 24-Jährige vor einem Jahr im österreichischen Hochfilzen. „Mir ist einfach alles ausgegangen“, blickt Dahlmeier auf ihre Welttitelkämpfe zurück. Nach jedem Start fuhr die Athletin am Abend zur Siegerehrung in den Ort und bekam Edelmetall um den Hals gehängt. Mit fünf Gold- und einer Silbermedaille kehrte die Skijägerin von der WM zurück. Am Ende der Saison holte sie sich zudem drei Kristall-Kugeln, darunter auch die wertvollste Trophäe als Gesamt-Weltcupsiegerin. Mehr geht nicht im Biathlon. Und im Hinterkopf kam der Gedanke auf: Was im Februar 2017 in Hochfilzen klappt, könnte auch im Februar 2018 in Pyeongchang funktionieren. Seitdem wollen alle Laura haben.
Dahlmeier wirkte nach der erfolgreichsten Saison ihrer jungen Laufbahn einerseits zufrieden, aber auch erschöpft. Ihre grandiosen Erfolge konnte die Garmischerin erst nach und nach einordnen. „Mir wird erst Stück für Stück bewusst, dass ich im Winter ein paar Rekorde gebrochen habe.“
Nach nur wenigen Wochen Pause nahm die 1,62 Meter kleine und 52 Kilogramm leichte Frau im Frühjahr 2017 das Training für die Olympiasaison in Angriff. Zur Erholung plante sie wie ein Jahr zuvor eine ausgedehnte Klettertour ein. Nach den Gipfeln 2016 in Nepal nahm sich die Bergsteigerin Peru in Südamerika vor. Unter anderem bestieg sie den 5947 Meter hohen Alpamayo, den angeblich schönsten Berg der Welt.
Sie sucht die Herausforderung und auch die Ruhe auf den Gipfeln. Denn selbst zu Hause in Garmisch suchen inzwischen ihre Anhänger die Nähe zu ihrem Idol. Manchmal wird die Zuneigung der Fans der Biathletin zu viel. „Viele Menschen aus ganz Deutschland fragen: Laura können wir mal Kaffeetrinken gehen?“ Aber so viel Kaffee könne sie gar nicht trinken, wie die Anhänger ihr auftischen wollen.
Mit Geschenken wird sie überhäuft. Dahlmeier zählt auf: „Ein selbst gebasteltes Biathlon-Spiel, ein Biathlon-Poker, ein Biathlet rein aus Nudeln gebastelt, selbst gemachte Marmelade, eine Kerze, ein Kasten voll Tee aus der Schweiz, von Kindern selbst gemachte Bücher.“ Die Sportlerin ist überwältigt vom Zuspruch: „Es ist wirklich der Wahnsinn und ich komme dem gar nicht hinten nach.“ Dahlmeier meint das Beantworten der Fan-Post. Deshalb hilft im elterlichen Haus in Garmisch, in dem sie sich im ersten Stock eine eigene Wohnung eingerichtet hat, der fünf Jahre jüngere Bruder. Pirmin bessert sich als persönlicher Fan-Beauftragter sein Taschengeld auf.
Laura Dahlmeier will Olympia-Gold holen
Dem Abstecher nach Südamerika folgten wieder Trainingseinheiten in der Heimat. Mit Skirollern ging es in den Alpen auf Bergpässe, dazu kamen schweißtreibende Stunden im Kraftraum und immer wieder Schießtraining. Den Feinschliff holte sich die deutsche Biathlon-Mannschaft im Trainingslager im norwegischen Sjusjoen. Doch im Weltcup kommt die Abräumerin des Vorjahres nicht in Schwung. Dahlmeier verpasst den Beginn der Weltcup-Saison wegen einer Krankheit, und auch über den Jahreswechsel wirft sie ein erneuter Infekt zurück. Das Sportjahr 2018 beginnt holprig. In Oberhof landet sie in der Verfolgung und im Sprint auf den Plätzen 13 und sieben. Anschließend in Ruhpolding zielt die Sportlerin des Jahres unerklärlich oft daneben und muss mit Platz 48 im Einzelrennen ihr schlechtestes Karriere-Resultat verarbeiten.
Doch Dahlmeier bleibt positiv, grübelt nicht lange über die Pleite am Schießstand. Nur zwei Tage später führt sie die deutsche Staffel zum Weltcup-Sieg in Ruhpolding und einen Tag darauf muss sie sich erst auf den letzten Metern der Finnin Kaisa Mäkäräinen geschlagen geben. Die Generalprobe in Antholz verläuft mit einem Sieg, einem zweiten und einem fünften Platz vielversprechend. „Ich weiß, wo ich stehe, und ich weiß, was möglich ist. Es hat sich gezeigt, dass die Formkurve stimmt“, sagt Dahlmeier, die es auf insgesamt zwei Saisonsiege und vier weitere Podestplätze im Weltcup bringt.
Gold in einem Einzelrennen ist das erklärte Ziel der Garmischerin. Die Rolle als große deutsche Olympia-Hoffnung jedoch habe sie sich nicht gewünscht. Auf dem Pressepodium in Ruhpolding äußert die Athletin einen Wunsch: „Manchmal wäre es schön, wenn es im Allgemeinen etwas ruhiger wäre.“
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