Magere Zwischenbilanz
Kombinierer und Langläufer bleiben am Wochenende ohne Medaille. Bei den Skispringern verpasst Severin Freund im Einzel Bronze, das er dann im Mixed-Team holt
Val di Fiemme Umarmungen, Küsschen, erlösendes Lachen – das deutsche Skisprung-Team hat die ersehnte erste Medaille bei den Nordischen Ski-Weltmeisterschaften gebührend gefeiert. Rang drei bei der Premiere des Mixed-Wettbewerbes bedeutete für Ulrike Gräßler, Carina Vogt, Richard Freitag und Severin Freund nicht nur ein Erfolgserlebnis. Es war vor allem für die beiden Männer auch eine Genugtuung nach der Pleite im Einzelspringen, als die greifbar nahe Medaille vergeben wurde und für Freund beim Sieg des Norwegers Anders Bardal nur der undankbare vierte Platz heraussprang. Erster Mixed-Weltmeister wurde verdient Japan.
„Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen, es war eine tolle Leistung von unserer Mannschaft“, sagte Männer-Bundestrainer Werner Schuster erleichtert, während sein Kollege Andreas Bauer die Leistung der beiden Damen würdigte: „Wir haben positiven Drive aus unserer Einzelentscheidung mitgenommen in das Mixed-Team. Ich bin sehr zufrieden“, sagte der Oberstdorfer.
Bei Halbzeit konnten die Deutschen sogar noch an den Titelgewinn glauben, doch dann wurde Schusters Prognose wahr. Er hatte vorausgesagt, dass die Frauen den Wettbewerb entscheiden, da bei ihnen die Unterschiede am deutlichsten sind. Die japanische Gesamtweltcupgewinnerin Sara Takanashi sprang im Finale 106,5 Meter, Gräßler und Vogt 9,5 und acht Meter kürzer. Das war solide und stark, aber für Gold zu wenig. „Wir wollten unbedingt unseren 50-prozentigen Anteil einbringen. Ich bin stolz auf die Mädels“, betonte Bauer.
Tags zuvor hatte der Haussegen nach dem Einzelwettkampf noch schief gehangen. Freund blickte traurig zum Podium, auf dem sich der Norweger Bardal als Weltmeister feiern ließ. Beim Griff nach der ersten WM-Einzelmedaille seit zwölf Jahren fehlte Deutschlands Top-Skispringern der letzte Tick zum großen Wurf. „Es ist nicht befriedigend, wenn man drei Springer unter den besten Zehn hat, aber keiner auf dem Podest steht. Wir waren angetreten, hier eine Medaille zu gewinnen. Aber wir waren nicht in der Lage, den Sack zuzumachen“, schimpfte Schuster.
Nordische Kombination Björn Kircheisen schimpfte, Tino Edelmann fluchte und Bundestrainer Hermann Weinbuch erhob schwere Vorwürfe gegen die Jury. Nach dem WM-Drama im Teamwettbewerb fühlten sich Deutschlands Kombinierer um eine Medaille betrogen. Das DSV-Quartett verpasste am Sonntag nicht nur das erhoffte erste Gold seit 26 Jahren, sondern blieb als Sechster sogar erstmals seit 2001 ohne Edelmetall. „Ich habe keine Lust mehr. Wir trainieren wie blöd und die Jungs sind bereit, eine tolle Show abzuziehen. Und dann wird ihnen diese Chance genommen“, übte Weinbuch heftige Kritik an der Rennleitung der Fis.
Nach einem Sprung auf der Normalschanze und der 4x5-Kilometer-Staffel lag das DSV-Quartett, das durch Eric Frenzel und Fabian Rießle komplettiert wurde, am Sonntag 1:07,6 Minuten hinter Weltmeister Frankreich. Silber ging an Norwegen vor den USA.
„Die Enttäuschung ist riesengroß. Wir hätten gar kein Glück auf der Schanze gebraucht. Es hätte schon gereicht, wenn wir kein Pech gehabt hätten“, sagte Frenzel. Doch davon gab es für die DSV-Kombinierer reichlich. Die vier deutschen Athleten kamen zusammen auf 17,3 Windpunkte – hatten also alle heftigen Rückenwind. „Alle anderen Nationen hatten beim Wind Punktabzüge. Das sagt alles“, erklärte der Bundestrainer und bemühte eine Verschwörungstheorie: „Wir haben einen Technischen Direktor aus Norwegen, einen Renndirektor aus Norwegen und der Mann an der Ampel kommt auch aus Norwegen. Aber das interessiert niemanden.“
Der Rückstand nach dem Springen von 1:14 Minuten zur Spitze erwies sich in der Loipe als zu schwere Hypothek. „Das konnten wir nicht mehr kompensieren“, trauerte Weinbuch dem verpassten Edelmetall nach. Wegen der schwierigen Windbedingungen hatte das Springen am Vormittag sogar für rund 20 Minuten unterbrochen werden müssen. Die dritte Gruppe durfte danach noch einmal von vorn beginnen. „Ich verstehe nicht, warum man den Wettbewerb nicht komplett neu gestartet hat. Aus meiner Sicht war das heute völlig irregulär“, echauffierte sich Edelmann.
Langlauf Mit versteinerter Miene verfolgte Frank Ullrich das WM-Debakel der deutschen Loipen-Asse im Teamsprint. Der achte Platz für Hanna Kolb und Denise Herrmann sowie Rang neun durch Tim Tscharnke und Axel Teichmann entsprachen nicht den Erwartungen des Bundestrainers, der den Auftritt nicht schönreden wollte. „Die Enttäuschung ist natürlich da. Dass wir vorne nicht dabei waren, ist schade. Wir haben uns beide Male in die Defensive drängen lassen. Dadurch konnten wir nicht agieren, sondern nur noch reagieren.“
Beim Sieg des Frauen-Duos Jessica Diggins/Kikkan Randall, die das erste Langlauf-Gold für die USA in der WM-Historie holten, und der Russen Alexej Petuchow/Nikita Krjukow konnten die DSV-Läufer ebenso wenig in den Medaillenkampf eingreifen wie am Vortag im Skiathlon. Tobias Angerer schaffte es als Neunter zumindest in die Top Ten, die Oberstdorferinnen Nicole Fessel und Katrin Zeller gingen auf den Plätzen 22 und 25 unter.
Dario Cologna stürmte über 2x15 Kilometer in der klassischen und freien Technik zum ersten Langlauf-Titel für die Schweiz. Zuvor hatte Norwegens Skikönigin Marit Björgen über die halbe Distanz bei den Frauen ihren insgesamt zehnten WM-Triumph gefeiert.
Ernüchternd fiel Ullrichs Zwischenbilanz nach der Hälfte der zwölf Langlauf-Wettbewerbe aus. „Wir müssen versuchen, die Lücke zur Weltspitze aus eigener Kraft zu schließen. In der zweiten WM-Woche gilt es, das Herz in beide Hände zu nehmen und eine Jetzt-erst-recht-Mentalität aufzubauen“, sagte der Cheftrainer. (dpa)
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