Michael Schumacher: Warum?
Formel 1 Rekordweltmeister Michael Schumacher und Mercedes fahren der Konkurrenz hinterher. Ihr Rückstand hat viele Gründe. Eine Analyse und ein Ausblick auf die nächste Saison, in der vieles besser werden soll. Von Milan Sako
Früher galt: Dort wo Michael Schumacher ist, ist vorne. Heute trifft das zumindest auf das Fahrerlager zu, in dem Formel-1-Boss Bernie Ecclestone auf penible Ordnung besteht.
In der Motorhome-Reihe steht der nüchterne graue Aufbau von Mercedes GP an Position eins, die dem Konstrukteursweltmeister von 2009 gebührt. Damals hieß das Team noch Brawn GP und Jenson Button raste zudem zum Fahrertitel. Doch seit der Übernahme durch Mercedes und dem Einstieg des siebenfachen Weltmeisters geht es bergab. Warum?
Haben der als genial geltende Teamchef Ross Brawn sein Handwerk und der Vorzeige-Pilot das Fahren verlernt? Eine Analyse, warum es bislang für den Deutschen lediglich zu 36 WM-Punkten und damit Rang neun der Fahrerwertung gereicht hat:
Der Pilot Der 91-fache Grand-Prix-Sieger wirkt gelassen in den Tagen von Hockenheim. "Ich war drei Jahre weg. Und zu glauben, dass ich zurück komme und genau dort fortfahre, wo ich aufgehört habe, zumal mit einem Auto, das es mir im Augenblick nicht erlaubt, ist unrealistisch." Das Alter, betont der 41-Jährige, sei nicht das Problem. Er ist immer noch ehrgeizig und deshalb "alles in allem nicht glücklich mit die Resultaten, die teilweise vorhanden sind". Auf die Frage, ob er sich sein Comeback so schwer vorgestellt habe, antwortet er mit einem vielsagenden "Jein". Zu groß waren die Erwartungen der Öffentlichkeit.
Das Auto Die jüngste Geschichte des Rennstalls erklärt, warum es 2010 zum Einbruch kommt. Ende 2008 übernahm Ross Brawn den Honda-Rennstall in Eigenregie. Bis dahin hatten die Japaner viel Geld und technisches Wissen in die Entwicklung des 2009er Autos investiert. Dieses Potential nutzte Jenson Button zum Titelgewinn. Parallel konnte Teamchef Brawn allerdings nicht in gewohnten Ausmaß die Entwicklung des 2010er Modells voran treiben. Deshalb ist der Silberpfeil zu bockig, die Einzelteile des Pakets Chassis, Motor und Reifen harmonieren nicht. Dieser Rückstand lässt sich in diesem Jahr nicht mehr aufholen und auch deshalb hat Schumacher das Rennjahr 2010 abgehakt. Er will den achten Titel, aber "in der nächsten Saison." Jetzt im Juli werkeln die Teams überwiegend am Renner für 2011. "80 Prozent unserer Entwicklungsarbeit gilt dem nächsten Auto, nur noch 20 Prozent dem aktuellen Modell", bestätigt Teamchef Franz Tost von Toro Rosso. Bei Mercedes GP ist es gewiss nicht anders. "Ich bin guter Dinge, dass wir noch ein paar Achtungsefolge einfahren können und im nächsten Jahr dann mit voller Kraft vorausgehen", hofft Schumacher.
Die Reifen Formel-1-Gummis sind eine Wissenschaft für sich. Und manchmal kennen sich auch die Experten nicht aus. "In einigen Rennen fahre ich mit dem gleichen Reifen auf die Strecke und plötzlich bin ich eine halbe Sekunde langsamer oder eine halbe Sekunde schneller, obwohl ich nicht anderes gemacht habe", schildert Schumacher seine vertrackte Situation. Das Problem: Im Gegensatz zu Red Bull oder McLaren-Mercedes bringen die Silberpfeile den Bridgestone nicht auf die optimale Betriebstemperatur, die für maximale Haftung sorgt. Mit dem neuen Reifenlieferanten Pirelli in der nächsten Saison hofft Mercedes auf bessere (Runden-)Zeiten.
Der Konkurrent Schumacher tut so, als hätte er alle Zeit der Welt, sich wieder an die Formel 1 zu gewöhnen: "Wie lange das Ganze dauert, darüber habe ich mir vorher keine Gedanken gemacht und mir auch keine Limits gesetzt." Doch genau das tut jetzt sein Teamkollege. Die Bilanz von 8:2 gewonnenen Qualifyings spricht für Nico Rosberg, der mehr aus dem Mercedes herausholt als sein berühmter Stallkollege und zuletzt in Silverstone den ersten Podestplatz für die Silbernen herausfuhr. Schumacher kann es nicht kalt lassen, wenn Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug sagt, dass der 25-jährige Wiesbadener "derzeit der Pacemaker ist".
Der Ausblick Für den elften Saisonlauf am Sonntag (Start: 14 Uhr/live in RTL und sky) in Hockenheim wäre ein Podestplatz "fantastisch" sagt Michael Schumacher. Der Formel-1-Pilot, der mit vier Siegen (1995, 2002, 2004, 2006) hier auf seiner Hausstrecke immerhin den Rekord hält, ist bescheiden geworden. Ausgerechnet der Älteste im Fahrerfeld muss auf die Zukunft bauen. Von Milan Sako
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