Nach üblen Piffen: Nazi-Vorwurf an Fans
Eine Geschichte, wie es sie eben nur bei Olympia gibt: Überraschender Sieg des Local Heroes. Das Publikum aber wirft den Augenblick in die Tonne, der Verlierer zürnt.
Thiago Braz da Silva hatten die Fans nun wirklich nicht als Goldfavoriten auf der Rechnung. Klar, der 22-Jährige ist kein schlechter Stabhochspringer. Mit einer Bestleistung von 5,92 Metern gehört man schon zur Weltspitze, aber Weltrekordhalter und Dauersieger Renaud Lavillenie schien einfach zu gut.
Die Brasilianer strömten denn auch nicht in Massen ins Olympiastadion von Rio de Janeiro. 60.000 Zuschauer haben dort Platz, gefüllt war es in der Nacht mit rund 20.000. Sie sollten ihr Kommen nicht bereuen. Da Silva bestritt einen sensationellen Wettkampf. Er steigerte seine Bestleistung um elf Zentimeter. Elf Zentimeter können auch abseits des Stabhochsprungs über Glück und Pech entscheiden, beim Katapultieren über die Stange aber sind elf Zentimeter Welten.
Lavillenie konnte nicht mehr kontern. Seinen letzten Versuch über 6,05 Meter riss er. Doch in den Jubel der brasilianischen Fans mischte sich Missmut. Bei Lavillenie und bei den neutralen Zuschauern. Denn vor seinem abschließenden Versuch wurde der Franzose vom Publikum lautstark ausgepfiffen. Das hatte es zuvor in der Leichtathletik so noch nicht gegeben. Derb Franzose quittierte die Unmutsbekundungen der Brasilianer vor seinem Sprung dann auch mit einem nach unten gestreckten Daumen. Möglicherweise spielten auch die Pfiffe einen Grund bei seinem missglückten Versuch.
Vergleich mit Jesse Owens 1936
Nicht weniger missglückt war allerdings die Aussage des Franzosen nach dem Wettkampf. "1936 war die Menge gegen Jesse Owens", erinnerte Lavillenie nach dem Wettkampf an die Olympischen Spiele in Nazi-Deutschland. "Wir haben so etwas seitdem nicht mehr erlebt. Wir müssen damit umgehen", so der Franzose. Ein Vergleich, der gleich aus mehreren Gründen nicht stimmig ist. Zum einen wurde Owens 1936 vom Publikum nicht ausgepfiffen, zum anderen sind die Brasilianer natürlich weit von einer Nazi-Diktatur entfernt.
Lavillenie erkannte dann auch bald seine mehr als unglückliche Wortwahl und entschuldigte sich: "Das war ein großer Fehler von mir. Es waren meine ersten Worte nach dem Wettkampf, aus der Emotion heraus. Selbstverständlich kann man das nicht vergleichen."
Was bleibt, ist ein großer Wettkampf, der ein noch größeres Ende verdient gehabt hätte. AZ
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Dieser Vergleich ist hanebüchen bzw. eigentlich unverschämt.
Jesse Owens wurde 1936 nicht ausgepfiffen, der war er einfach viel zu gut.
Für das Heute bleibt festzutellen, dass das brasilianische Publikum schlicht und einfach unsportlich reagierte.
1936 - welch ein Vergleich- ging es nicht um Sportlichkeit/Unsportlichkeit auf den Rängen. Sportler und Zuschauer waren im Prinzip die Statisten für das gigantische Blendwerk der Nazis mit den bekannten unsäglichen Folgen.
Und WENN Jesse Owens 1936 ausgepfiffen worden wäre.Wenn Bayern gegen Dortmund spielt pfeifen die einen ja auch gegen die anderen und sind keine Nazis. Wenn man sich den Riefenstahl-Film über die Olympiade 1936 ansieht, meint man, Owens wird nach dem ersten Vorlauf im 100m Sprint, bei dem er mit grossem Vorsprung ins Ziel kam, tatsächlich ausgepfiffen. Etwas später sagt der offizielle Kommentator aber, diese Pfiffe haben der Tatsache gegolten, dass Owens gelaufene Weltrekordzeit wegen Rückenwindes nicht anerkannt wurde.
Zur damaligen Zeit war diese unsportliche Pfeiferei kaum bis garnicht verbreitet. Das Publikum damals benahm sich um ein Vielfaches besser als das bei vielen Sportarten heutzutage.