Das Fliegen wird weiblich
In Liberec fliegen erstmals Skispringerinnen um Medaillen - und vier deutsche Frauen springen voraus. Vor der Premiere mussten sie haarsträubende Vorurteile abwehren. Auch ein etwas "weiblicherer" Anzug war im Gespräch. Von Marcus Bürzle
Von Marcus Bürzle
Liberec - Jungs verteidigen gerne ihre Welt. Kein Wunder, dass sie lachten, als Anna Häfele auf die Skisprungschanze kletterte. "Da willst Du runterspringen?" Ja, sie wollte und sie springt und fliegt so gut, dass den Jungs das Lachen vergangenen ist: "Es wird jetzt nicht nur belächelt, sondern auch bewundert", sagt die 19-Jährige, die in diesem Winter schon drei Siege feierte und Vize-Juniorenweltmeisterin ist.
Sie und ihre Kolleginnen haben auch die großen Jungs bekehrt. Die hatten ihnen sogar seltsame medizinische Vorurteile in den Weg gelegt. Gian-Franco Kasper, Chef des Weltskiverbands FIS, fürchtete, dass die Gebärmutter von Skispringerinnen Schaden nehmen könnte, wenn sie nach einem langen Flug landen. Die Wirklichkeit hat ihn widerlegt, die Frauen springen um WM-Medaillen und Kasper ist gewandelt: "Das ist ein sehr wichtiger Event. Das wird ein Meilenstein für das Frauenskispringen."
Die vier deutschen Frauen wollen in Tschechien - am liebsten mit Medaillen - glänzen und ihren Sport im besten Licht präsentieren. Anna Häfele, Juniorenweltmeisterin Magdalena Schnurr (16), Jenna Mohr (21) und Ulrike Grässler (21) haben alle das Zeug dazu. Mindestens eine von ihnen war fast in jedem Wettkampf auf dem Siegertreppchen, sagt ihr Oberstdorfer Trainer Daniel Vogler. Allein die WM-Premiere ist für ihn ein Sieg: "Alles was jetzt kommt, ist das Sahnehäubchen."
Die besten Frauen - dazu gehören die Deutschen - springen genauso weit wie die Männer. Einziger Unterschied: Weil sie weniger Sprungkraft haben, dürfen sie weiter oben losfahren und haben mehr Schwung. Dann fliegen sie so weit wie die Männer-Stars Schlierenzauer und Co. Meistens. Die erst 12 Jahre alte und ziemlich ungeübte Tschechin Natalie Dejmkova stürzte im ersten Training schon nach 33 Metern.
Solche Auftritte stören die Deutschen, denn sie sind schlecht für das Bild ihres Sports. Sie nehmen ihn ernst, wollen zu Olympia. Für 2010 haben ihnen die Jungs das bislang versagt; sie klagen dagegen. Und (männliche) Vorschläge, ihren Sport weiblicher zu machen, lassen die Mädels ziemlich kalt: "Ich glaube nicht, dass wir einen Modelvertrag im Auslauf bekommen würden, wenn wir anders angezogen springen", sagt Jenna Mohr.
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