King Hecking: Begossen, aber glücklich
Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking krönt sich am Ende der Saison im wörtlichen Sinn – weil es die Familie so will. Die Dortmunder hadern mit sich und anderen.
Wer jemals von einem Kind aufgefordert wurde, das Frühstücksei mit Nutella zu überstreichen, weiß, dass der Nachwuchs auf fragwürdige Ideen kommen kann. Dieter Hecking hat fünf Kinder. Recht viel mehr ist aus seinem Privatleben nicht bekannt. Es reicht aber, um festzustellen, dass der Trainer des VfL Wolfsburg das Zusammenleben mit jungen Menschen mehr genießt, als dass er sich an ihrer mitunter grandiosen Einfältigkeit stört. Als Coach einer Bundesligamannschaft hat er es berufsbedingt auch während seiner Arbeitszeit mit zumeist noch entwicklungsfähigen Charakteren zu tun.
Kinder und Jugendliche haben aber auch teils seherische Fähigkeiten. Oder glauben es zumindest. Zwei Söhne Heckings überreichten ihrem Vater am Tag des Pokalfinals ein Käppi, das dieser bitte nach erfolgreichem Spielausgang tragen sollte. Also saß Papa nachts in der Pressekonferenz und sein Kopf wurde von einer schwarzen Bedeckung geziert, auf der in großen Lettern das Wort „King“ prangt. „Sie passt heute“, stellte Hecking zufrieden fest. König Dieter I., Regent von Wolfsburg.
Größer hätte der Unterschied zu der Stimmungslage im Dortmunder Lager kaum sein können. Während sich Hecking mit dem VfL soeben neben dem Königstitel auch noch den Pokal gesichert hatte, herrschte im Borussen-Lager Trauer und Abschiedsstimmung. Man hatte ja nicht nur ein Endspiel verloren. Man hatte es auch verpasst, dem scheidenden Trainer Jürgen Klopp das passende Geschenk zum Ende einer Ära zu präsentieren. Die Dortmunder verloren ein spektakuläres Endspiel verdientermaßen mit 1:3. Nach der Niederlage im Champions-League-Finale 2013 und der letztjährigen Pleite im Pokalfinale war es die dritte bittere Erfahrung in Folge in einer titelbringenden Partie.
Jürgen Klopp spulte sein Programm ab
An Jürgen Klopp lag dies nur zu einem geringen Anteil. Er spulte sein bekanntes Programm engagiert wie immer ab. Wurde bereits nach 90 Sekunden beim vierten Offiziellen vorstellig, als Luiz Gustavo rüde zu Werk ging. Auch die Beschwerden über Schiedsrichter Felix Brych und dessen nicht gegebene Elfmeter, waren keine Premiere (siehe auch nebenstehenden Artikel).
Schuld an der Niederlage trug aber nicht der Unparteiische, sondern zu einem großen Teil die in der ersten Hälfte höchst effizienten Wolfsburger – und zu einem kleineren Anteil BVB-Torwart Mitchell Langerak. Der hatte von Klopp zum wiederholten Male den Vorzug vor Roman Weidenfeller erhalten. Vor dem Ausgleich zum 1:1 ließ er allerdings einen Freistoß Naldos vor die Füße des einschussbereiten Luiz Gustavo prallen (22.). Zuvor hatte Pierre-Emerick Aubameyang in der fünften Minute nach einer feinen Flanke von Shinji Kagawa für die Dortmunder Führung gesorgt – und die Hoffnung genährt, dass der Abschied von Klopp mit einem Pokal begangen wird.
Die meisten der Dortmunder Fans sahen den einzigen Treffer ihrer Mannschaft nur verschwommen, woran sie aber selbst Schuld hatten. Sie zündeten kurz vor Spielbeginn Bengalos, Leuchtraketen und Böller, deren Rauch den Blick aufs Spielfeld trübte.
Sie hatten aber wieder freie Sicht, als Kevin De Bruyne zum 2:1 der Wolfsburger traf (33.), wobei Langerak abermals nicht ganz unschuldig war. Sieben Minuten vor der Halbzeit köpfte dann Bas Dost zum 3:1 ein. Dortmund lief zwar in der zweiten Halbzeit vehement an, lieferte aber ein Spiegelbild der jetzt endgültig als enttäuschend geltenden Saison. Unglücklich und mit Leistungsträgern, die zur Unzeit abtauchen.
Jürgen Klopp nach Schlusspfiff lautstark gefeiert
Marco Reus beispielsweise konnte zum wiederholten Male in einem wichtigen Spiel sein Können nur andeuten. „Mit seiner Qualität wird er garantiert noch Titel gewinnen – auch mit Dortmund“, ist sich Klopp zwar sicher – dass er die seherischen Fähigkeiten der Hecking’schen Kinder hat, darf aber bezweifelt werden.
Die Anhänger der Dortmunder zeigten indes nach dem Schlusspfiff, dass sie zu weitaus mehr fähig sind als dümmlicher Zündelei. Sie feierten lautstark Jürgen Klopp und die Mannschaft. „Das ist zwar wunderschön, kann die Trauer aber nicht lindern“, so der Coach.
Auf der anderen Seite des Spielfeldes feierten hingegen die Wolfsburger mit ihren Fans und vergaßen dabei die obligatorische Bierdusche für ihren Trainer. Das holten Naldo, Vierinha und Daniel Caligiuri während der Pressekonferenz nach. Abschied von Jürgen Klopp: Das war auf Twitter los
Da saß er nun: ein begossener und glücklicher Trainer. „Das fühlt sich wahnsinnig bekloppt an“, fasste dieser seine Emotionen nach seinem ersten Titel zusammen. Es sah so aus, als könnte er Gefallen an diesem Gemütszustand finden. Wiederholung nicht ausgeschlossen.
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