Schrötter rast in die Weltspitze
Das Dynavolt-Team aus Memmingen sorgt in der Moto2 für Furore. Für Teamchef Jürgen Lingg ist das keine Überraschung. In Jerez darf auch Stefan Bradl wieder starten
Wegdrehen bringt nichts, wenn die Sieger auf dem Podest die Champagnerflaschen knallen lassen und mit dem Alkohol um sich spritzen. Deshalb stellt sich Jürgen Ling mit ausgebreiteten Armen hin und lässt sich von seinen Fahrern nass machen. Von oben bis unten, bis das perlende Getränk aus den Hosenbeinen läuft. „Ich habe es genossen. Schließlich haben wir so ein Erfolgserlebnis noch nie gehabt. Das musste gefeiert werden“, blickt der Chef des Dynavolt Intact-Teams auf das jüngste Motorrad-Rennen in Austin zurück. Auf der Strecke in den USA feierte die Garagen-Mannschaft aus Memmingen einen Doppelsieg. Der Schweizer Tom Lüthi fuhr vor seinem Teamkollegen Marcel Schrötter über die Ziellinie. Das Duo sahnte am vierten Renn-Wochenende der Moto2 komplett ab. Schrötter fuhr auf die Pole Position und Lüthi legte die schnellste Rennrunde auf den Asphalt. Mehr geht nicht. In der WM-Wertung fahren Schrötter als Zweiter mit 47 Punkten sowie Lüthi als Dritter (45) nach drei von 19 Saison-Läufen im Windschatten des führenden Italieners Lorenzo Baldassari (50).
Im siebten Jahr in der zweithöchsten Motorrad-Kategorie geht die Rechnung der Memminger offenbar auf. Immerhin beträgt der Saisonetat rund drei Millionen Euro, den neben den großen Geldgebern Dynavolt und Liqui Moly auch viele regionale Sponsoren aufbringen. „Unsere Erfolge sind kein Zufall. Sie sind das Resultat der intensiven Vorbereitung und akribischen Arbeit im Winter“, sagt Lingg. Alle Teams mussten sich vor der Saison umstellen, denn die Moto2 fährt seit 2019 statt mit Honda-Motoren nun mit Triumph-Aggregaten. Zudem stieg das Dynavolt-Intact-Team vom Schweizer Chassis-Hersteller Suter auf das Kalex-Fabrikat aus Bobingen bei Augsburg um. „Das war die richtige Entscheidung. Kalex ist das Motorrad, das man braucht, wenn man ganz vorne dabei sein will“, urteilt der ehemalige Rennfahrer Lingg. Außerdem musste Neuzugang Lüthi integriert werden. Der Schweizer zählt zu den erfolgreichsten Piloten der Moto2. Nach einem frustrierenden Ausflug in die Königsklasse MotoGP kehrte der 32-Jährige in die zweite Kategorie zurück.
Hilfreich auch: Endlich scheint Marcel Schrötter zu einem Spitzenfahrer gereift. Den nötigen Speed sprachen die Experten dem 26-Jährigen aus Pflugdorf bei Landsberg nicht ab. „Aber er muss in den Zweikämpfen noch aggressiver werden“, hatte Fahrerkollege Stefan Bradl geurteilt. Inzwischen kann Schrötter die Ellbogen ausfahren und kämpft auf der Strecke um seine Position. Bereits in der vergangenen Saison hatte er sich mit konstanten Ergebnissen in Szene gesetzt. Oft verpasste der Kalex-Fahrer jedoch knapp das Podest und landete unter den ersten zehn.
2019 folgte der nächste Schritt mit zwei Podestplätzen und einem Top-5-Resultat. Rang zwei in Austin ist das beste Ergebnis in seiner nun doch schon 160 Rennen währenden Grand-Prix-Karriere. Schrötter ist sich bewusst: „Es wird Zeit, um Siege zu kämpfen.“ Sein Teamchef ist zuversichtlich: „Der erste Grand-Prix-Erfolg fehlt noch, aber ich bin mir sicher, dass Marcel den demnächst einfährt.“ Die nächste Chance bietet sich am Wochenende zum Europa-Auftakt in Jerez. Die Strecke ist den Piloten bestens vertraut, alle Teams besitzen genügend Daten. „Aber wir haben alle neue Reifen und man muss das perfekte Set-up finden“, sagt Jürgen Lingg vor dem Rennen am Sonntag (12 Uhr/live in Servus TV). Den bislang letzten Grand-Prix-Sieg hatte für das Memminger Team Jonas Folger 2016 in Brünn gefeiert. Es spricht alles dagegen, dass der umtriebige Teamchef wieder drei Jahre auf den nächsten Triumph warten muss. Und wenn Marcel Schrötter endlich seine Sieg-Premiere feiern sollte, wird Jürgen Lingg die Champagner-Dusche wieder in vollen Zügen genießen.
Zumindest für ein Rennen verlässt Stefan Bradl seinen Kommentatoren-Platz bei ServusTV und schwingt sich wieder auf eine Rennmaschine. Der Testfahrer des HRC Teams Honda von Weltmeister Marc Marquez erhält für das Rennen in Jerez eine Wildcard und wird sich auf der Strecke mit den Stars wie Marquez, Valentino Rossi oder Andrea Dovizioso messen. Der 29-Jährige aus Zahling im Landkreis Aichach-Friedberg will vor allem „eine gute und solide Leistung abliefern“, um sich für weitere Rennen zu empfehlen. Und die Voraussetzungen sind gut: „Die Motivation ist da, der Speed ist da. Ich habe mir als Ziel gesteckt, in die Punkte und Top-15 zu fahren.“ Das Rennen startet um 13.40 Uhr (ServusTV).
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